US-Drohnenkrieg: Deutsche Diplomatie wäscht ihre Hände in Unschuld

Jürgen Schulz, Ministerialdirigent im Außenministerium, hat im NSA-Ausschuss erklärt, dass die umstrittenen US-Todesmissionen im Anti-Terror-Krieg nicht pauschal für völkerrechtswidrig erklärt werden könnten. Zuständig sei eh die Justiz.

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NSA
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Die Bundesregierung tut sich nach wie vor schwer damit, die Rolle der US-Militärbasis im rheinland-pfälzischen Ramstein im US-Drohnenkrieg aufzuklären. Er habe im September einen "Informationsbesuch" vor Ort durchgeführt, berichtete Jürgen Schulz, Unterabteilungsleiter im Auswärtigen Amt, am Donnerstag im NSA-Untersuchungsausschuss.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Zwei kommandierende Generale hätten ihm und seinen Begleitern dort versichert, dass die unbemannten Todesflieger "nicht von Ramstein aus gesteuert werden". Der frühere US-Drohnenpilot Brandon Bryant hatte die US-Basis im Oktober in dem Gremium als "zentrale Relaisstation" für den Drohnenkrieg bezeichnet. Die US-Militärs hätten dagegen betont, dass von dort aus die Flugobjekte nicht geflogen, nicht befehligt und auch nicht "kontrolliert" würden. Zu darüber hinausgehenden operativen Details habe sich der Gesprächspartner aufgrund "höchster Vertraulichkeitsgrundsätze" nicht geäußert.

Die gesamte Kaserne, die die Größe einer Kleinstadt habe, konnten die Regierungsvertreter dem Zeugen zufolge nicht inspizieren. Gesehen habe man ein "normales militärisches Operationszentrum mit vielen Bildschirmen und Verbindungen zu vielen Orten". Er habe nicht den Eindruck bekommen, dass es sich um einen "Drohnen-Luftwaffenstützpunkt" handle.

Die Bundesregierung hatte 2014 einen ausführlichen Fragenkatalog zu Ramstein gen Washington geschickt. Zuvor sollen zu dem Thema mit dem Partner viele Gespräche geführt worden sein, etwa auch mit dem in Stuttgart angesiedelten US-Kommando für Afrika, Africom. Die US-Seite habe die nach den Snowden-Enthüllungen drängenden Fragen schließlich "durch eine hochrangige Vertreterin im Außenministerium" mündlich "zum größten Teil beantwortet", hielt Schulz fest: "Wir bleiben zu diesem Thema in vertraulichem Dialog."

Es gebe ein Interesse an mehr Details. "Wir drängen den Partner, noch weitergehende Informationen zur Verfügung zu stellen." Eine rechtliche Handhabe dazu gebe es aber nicht: "Die Amerikaner betreiben ihre Liegenschaften in eigener Verantwortung." Über Erkenntnisse, dass die Aussagen der US-Seite nicht zuträfen, will der Ministerialdirigent nicht verfügen. Er persönlich habe auch "keinerlei Zweifel" an der Richtigkeit der Erklärungen.

Abgeordnete horchten nach, ob "über 1000 getötete Zivilisten" nicht dafür sprächen, dass Deutschland über Ramstein Teil eines völkerrechtswidrigen Drohnenkriegs sei. Dies könne man pauschal schlecht sagen, erwiderte Schulz. Dazu müsse man zunächst faktisch klären, welche Rolle die Basis tatsächlich spiele. Dann komme es juristisch "sehr auf den Einzelfall an", also etwa, welche Partei beteiligt sei.

Die Bundesregierung könne sich über die Umstände mithilfe ihrer Botschaftsmitarbeiter vor Ort prinzipiell ein eigenes Bild machen. Es habe aber noch nicht viele konkrete Fälle gegeben, "wo wir gebeten wurden, juristisch Amtshilfe" zu leisten. Generell müssten einschlägige Rechtsverstöße "die Justizbehörden prüfen", unterstrich der Diplomat. Das Auswärtige Amt sei dafür nicht zuständig. Der Generalbundesanwalt habe 2013 in diesem Sinne schon "einen Beobachtungsvorgang zu einem Drohneneinsatz eingeleitet". Das Verwaltungsgericht Köln habe zudem eine Klage von jemenitischen Angehörigen eines Drohnenopfers zurückgewiesen und erklärt, dass die Bundesregierung ihren "Sorgfalts- und Schutzvorschriften" nachgekommen sei.

In Datenübertragungen des Bundesnachrichtendiensts (BND) an die NSA, die der US-Partner zur Ortung von Drohnenzielen nutzen könnte, ist das Außenministerium Schulz zufolge nicht involviert. "Aber wenn man kooperiert, dürfen bestimmte Sachen nicht passieren", ergänzte er. Das Instrument des "Disclaimers" sei in diesem Zusammenhang nicht unbekannt. Da Deutschland "mit den Amerikanern in Sicherheitsfragen allgemein eng und sehr vertrauensvoll" zusammenarbeite, würden entsprechende Hinweise "selbstverständlich ernst genommen".

Bei einer Frage zu den Folgen der Meldung, dass die NSA selbst ein Mobiltelefon von Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört habe, verließen Schulz die Erinnerungskräfte. So war ihm entfallen, dass er bei dem Gesprächstermin dabei war, zu dem der damalige Außenminister Guido Westerwelle (FDP) US-Botschafter John B. Emerson einbestellt hatte. Erst als ihm ein einschlägiges Protokoll vorgelegt wurde, musste der Zeuge seine Aussage revidieren. Es habe sich zwar um einen "besonderen Vorgang" gehandelt, aber zu daraus resultierenden konkreten Vereinbarungen wisse er nichts.

Dass der BND in Eigenregie etwa ausländische Botschaften und Regierungsmitglieder unter anderem in Frankreich überwacht haben soll, hat den Ministerdirigent nach eigener Angabe "überrascht". Das Auswärtige Amt sei zwar "Kunde" des BND, aber nicht ins "operative Geschäft" eingebunden. Der Flug eines Hubschraubers der Bundespolizei über das US-Generalkonsulat in Frankfurt im September 2013 nach Berichten, dass derlei Einrichtungen zur Telekommunikationsüberwachung genutzt würden, sei dem Partner sauer aufgestoßen, wusste Schulz.

Die US-Botschaft habe sich danach erkundigt, weshalb dabei erkennbar Fotos gemacht worden seien. Es sei zudem zu hören gewesen, dass derlei Vorgänge die eigenen Sicherheitskräfte "leicht nervös" machen könnten. Bei den verantwortlichen hiesigen Innenbehörden habe es geheißen, dass eine "routinemäßige Überprüfung" durchgeführt worden sei.

Von einem "No-Spy-Abkommen" habe er wohl erst Ende Juli 2013 etwas gehört, gab der Zeuge zu Protokoll. Auch bei Gesprächen zu diesem "sprachlich merkwürdigen Konstrukt" sei das Außenministerium nicht eingebunden gewesen. Washington habe aber nach den Snowden-Veröffentlichungen mehrfach bekräftigt, dass sich die US-Seite "in Deutschland an deutsches Recht halte". Dies werde wohl auch so gemacht. (kbe)