Dreifache Frechheit

So deutlich wie Apple hat mir schon lange kein Hersteller mehr den Mittelfinger gezeigt.

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So deutlich wie Apple hat mir schon lange kein Hersteller mehr den Mittelfinger gezeigt.

Nach Weihnachten wollte ich ein weißes MacBook von 2009 wiederbeleben, das lange herumgelegen hatte. Schon auf den ersten Blick sah ich: Cupertino, wir haben ein Problem. Das ganze Ding hatte sich aufgebläht wie ein verwesender Wal – die Tastatur war aufgewölbt, das Touchpad nicht mehr klickbar, auf der Bodenplatte hatte es schon die erste Schraube rausgesprengt. Der untere Deckel ließ sich immerhin mit normalen Kreuzschlitzschraubenziehern öffnen, um das ganze Elend zu begutachten: Der fest verbaute Akku platzte buchstäblich aus den Nähten. Für einen recht stattlichen Preis von damals etwa 800 Euro haben die mir also ein Gerät verkauft, das nach nicht einmal sechs Jahren zur Zeitbombe wird? Das ist die erste Frechheit.

Apple selbst verlangt für den Austausch über hundert Euro. Ich soll also einen total kranken Preis dafür zahlen, ein Problem zu lösen, das Apple selbst vermasselt hat. Das ist die zweite Frechheit.

Also auf zur Selbsthilfe. Eigentlich ist der Austausch ganz einfach: Der Akku ist nicht verlötet, sondern nur per Stecker angeschlossen. Und er ist nicht verklebt, sondern wird nur von drei Schrauben gehalten. Doch während alle anderen Schrauben, soweit ich das sehen kann, normale Kreuzschlitz- oder Torxköpfe haben, sind ausgerechnet bei der Batterie Y-Schrauben verbaut, für die ich mir erst das entsprechende Werkzeug besorgen muss. Eine der Schrauben ist dazu noch unter einem „Do not remove!“-Aufkleber versteckt. Ohne die gute Anleitung von iFixit hätte ich sie lange suchen können. Apple wirft mir als Kunden also alle nur erdenklichen Knüppel zwischen die Beine, wenn ich selbst ein Problem lösen möchte, das ich ohne Apples seltsame Geschäftspolitik gar nicht hätte. Das ist die dritte Frechheit.

Oft argumentieren die Hersteller, superflache Designs ließen sich nur mit integrierten Akkus realisieren. Das mag bei einem magersüchtigen MacBook Air oder iPhone der neuesten Generationen so sein. Bei meinem eher pummeligen Plastik-MacBook jedenfalls nicht. Ich kann keinerlei technische oder gestalterische Notwendigkeit erkennen, die gegen einen austauschbaren Energiespeicher spricht. Es geht Apple offenbar einfach ums Prinzip: Niemand fummelt an unseren Geräten rum außer wir selber. Statt der "Do not remove"-Aufkleber hätten sie auch gleich einen ausgestreckten Mittelfinger unter dem Deckel platzieren können.

Wie es anders gehen kann, habe ich kürzlich beim Fairphone 2 gesehen. Dort kann man nicht nur den Akku austauschen, sondern auch Hauptplatine, Display, Mikrofon-Modul, Lautsprecher-Modul und Kamera. Und der eigentliche Clou: Es ist nicht nur einfach, sondern macht auch noch Spaß. Hinter jedem Bauteil haben die niederländischen Macher eine Botschaft versteckt: „Yours to open, yours to keep“ etwa oder „Thanks für being part of the journey.“ (Eine ausführlichere Beschreibung des Fairphones folgt im nächsten Heft.)

Ob sich der offene Fairphone-Ansatz gegen das nordkoreanische Hardware-Verständnis von Apple durchsetzen wird, hängt vom Markt ab. Also von uns Kunden. Es wird Zeit, den Herstellern ihre verklebten und verpressten Elektronik-Monolithen um die Ohren zu hauen. (grh)