USA: KFZ-Vernetzung wird Pflicht, doch vernetzte Straßen sind teuer

Die US-Regierung plant eine Pflicht zur Vernetzung von Neuwagen. Sie sollen laufend mit ihrer Umgebung kommunizieren müssen. Fußgänger könnten es nachmachen müssen. Die Infrastruktur umfassend zu vernetzen kommt die Straßenerhalter aber zu teuer.

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Verkehr, Auto, Stadt, Autonome Autos

(Bild: Unsplash, Lizenz CC0 1.0 Universell )

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"Das (US-)Verkehrsministerium plant Vorschriften, die Neuwagen in einigen Jahren dazu verpflichten werden, ein Funkmodul zu haben, mit dem sie sich identifizieren und mit anderen Fahrzeugen kommunizieren", sagte Kevin Dopart am Sonntag auf der Jahreskonferenz des Transportation Research Board in Washington, DC. Dopart leitet im US-Verkehrsministerium (DOT) das Programm für Fahrzeugsicherheit und Automatisierung: "Das früheste Modelljahr (für die neue Vorschrift) ist 2020." Von einer Vorschrift, auch Straßeneinrichtungen verpflichtend aufzurüsten, ist indes keine Rede. Das käme den Staat teuer.

Vehicle-to-Vehicle-Communication (V2V)

(Bild: DOT)

Größter Vorteil der Fahrzeugvernetzung soll eine Reduzierung der Unfälle sein. Im Vordergrund steht dabei die Kommunikation der Fahrzeuge untereinander (Vehicle-to-Vehicle Communication, V2V, in Europa oft auch Car-to-Car-Communicatoin, C2C, genannt). Sie sollen einander warnen oder sich sonst koordinieren. Das soll beispielsweise Auffahrunfälle oder Kollisionen bei Spurwechseln vermeiden. Dopart ortet ein "signifikantes Interesse" an der Nachrüstung bestehender Fahrzeuge mit V2V-Modulen.

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Eine offizielle Ankündigung der V2V-Pflicht hat das DOT bereits im August 2014 herausgegeben. Seither sammelt das Ministerium online Kommentare zu seinem Vorhaben. Rund 900 Stellungnahmen sind in den knapp eineinhalb Jahren eingegangen.

Und es wurden Feldversuche eingeleitet. Beispielsweise soll in Tampa, Florida, die Funkkommunikation zwischen Fahrzeugen und Fußgängern (V2x) erforscht werden. Dafür werden Fußgänger mit Handys ausgestattet, die laufend ein Funksignal aussenden und so ihren Aufenthaltsort preisgeben. Das Signal kann von entsprechend ausgerüsteten Fahrzeugen erkannt und ausgewertet werden. Das soll Kollisionen mit Fußgängern reduzieren helfen.

Auch wenn derzeit keine offiziellen Pläne für einen Funkzwang für Fußgänger bekannt sind, könnte er sich über die Hintertür einschleichen: Im Falle eines Unfalls könnten Gerichte zu dem Schluss kommen, dass Fußgänger, die nicht funken, Mitschuld tragen. Und Eltern könnten in Bedrängnis kommen, wenn sie ihre Kinder nicht entsprechend ausrüsten.

Ein anderer Feldversuch läuft in Virginia. Dort wurden einige Kilometer Autobahn mit Funkmodulen versehen. Es geht um Erfahrungswerte in der Kommunikation zwischen Fahrzeugen und Infrastruktur (V2I). Wie sich zeigt, kommt das den Straßenerhalter teuer. "Es ist schwierig, die Ausrüstung auch nur der Interstates (Fernstraßennetz, Anmerkung) zu rechtfertigen", sagte der Bauingenieur Thomas Phillips, "Und dann muss man das auch erhalten."

Thomas Phillips

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Phillips ist ein ehemaliger Mitarbeiter des Verkehrsministerium des Staates Virginia und arbeitet bei Leidos. Das Unternehmen ist Teil des militärisch-industriellen Komplexes, und bietet auch Dienstleistungen in den Bereichen Energie, Gesundheit und Infrastruktur. Der Ingenieur hofft auf eine rasche Verbreitung nicht bloß vernetzter Fahrzeuge, sondern vernetzter autonomer Fahrzeuge. Davon verspricht er sich flüssigeren Straßenverkehr und noch weniger Unfälle, weil menschliche Fehler bei autonomen Fahrzeugen weitgehend wegfallen würden.

Damit die Verbraucher auch vernetzte autonome Fahrzeug kaufen, sollten ihnen spezielle Vorzüge als "Karotte" dargeboten werden, meint Phillips. Als Beispiel nannte er Vorrangspuren, wie es sie auf vielen US-Highways derzeit für Autos mit mindestens zwei oder drei Insassen gibt.

Vorausgesetzt, autonome vernetzte KFZ vom SAE-Level "6" dürfen dereinst auch ohne Menschen unterwegs sein, könnte das lokale Parkplatzprobleme lösen und den damit verbundenen Parkplatzsuchverkehr abschaffen. Allerdings könnten die leer fahrenden Autos zu insgesamt viel mehr Kraftwagenverkehr führen, gestand Phillips ein: "Es gibt einige sehr clevere Leute, die sagen, wir machen die Sache schlimmer, nicht besser."

Auf die Straßenerhalter kämen jedenfalls enorme Veränderungen zu. Sie müssten sich Kompetenzen bei Datenübertragung und -handhabung aneignen. Und sie müssten viel enger mit der KFZ-Industrie zusammenarbeiten, als die Behörden das bisher gewohnt sind. Doch auch den Verkehrsministerien winkt er mit einer Karotte, die mit vernetzten Fahrzeugen zu haben wäre: "Mauteinnahmen durch dynamisches Roadpricing."

Verkehrsforscher, Behördenmitarbeiter und Branchenmitglieder haben sich am Sonntag in der US-Hauptstadt zum 95. Jahrestreffen des Transportation Research Board (TRB) eingefunden. Das TRB ist eine Abteilung des Nationalen Forschungsrates (National Research Council), welcher den US-Präsidenten berät. Das Jahrestreffen des TRB ist ein Mammut-Ereignis mit über 800 Sitzungen. Dabei stehen bis Donnerstag mehr als 5.000 Präsentationen zu Verkehrsthemen auf dem Programm. (ds)