Analyse: Das Samsung Galaxy S7 wird gut, aber unspektakulär

Fast täglich tauchen im Netz neue Gerüchte zu Samsungs nächstem Android-Verkaufsschlager auf, dem Smartphone Galaxy S7. Doch vieles entstammt eher dem Wunschdenken als einer realistischen Beurteilung, findet c't Redakteur Jörg Wirtgen.

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Samsung Galaxy S6 Edge

Wie viele gebogene Display-Kanten wird das S7 haben, eine, zwei oder gar keine?

Lesezeit: 9 Min.
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Die nächste Generation von Samsungs Galaxy S steht vor der Tür, das Galaxy S7, und nun tauchen dutzende Gerüchte zur Ausstattung auf. Sie alle sollen natürlich aus zuverlässigen, industrienahen Quellen stammen, doch nicht alle sind realistisch. Natürlich wäre es sensationell, wenn das S7 ein faltbares 4K-OLED-Display hätte, 16 CPU-Kerne, eine Kamera mit Zoom-Objektiv, einen Beamer – auch über Details wie Dual-SIM, MicroSD-Slot und USB-Typ-C lässt sich gut spekulieren. Doch obwohl auch ich mir ein spektakuläres Galaxy S7 wünschen würde: Meiner Meinung nach wird es schon fast langweilig ausfallen, denn Samsung muss es in Millionen-Stückzahlen liefern und die Supportkosten niedrig halten.

Experimentierfreudiger zeigte Samsung sich in den vorigen Jahren beim Galaxy Note: So kam zuerst das Note Edge mit einer gebogenen Display-Seite heraus, bevor Samsung das fürs Galaxy S6 Edge übernommen hat. Auch das hochauflösende Display des S6 sah man zuerst (in anderer Größe) im Note 4.

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Leider fielen die Innovationen beim aktuellen Note 5 und dem stiftlosen Bruder S6 Edge+ mager aus, sie bestanden hauptsächlich aus kleinen Hardware-Verbesserungen wie einem 64-Bit-Prozessor und schnellerem LTE. Das Weglassen eines MicroSD-Steckplatz sehen viele – auch ich – gar als Rückschritt; aber auch das hat Samsung aber fürs S6/S6 Edge übernommen.

Demnach würde es für spektakuläre Neuerungen wie 4K-Auflösung, Force-Touch-Display und Zoom-Kamera schlecht aussehen. Es bleibt die leise Hoffnung, dass Samsung eine neue Strategie wählt und dem S7 etwas spendiert, das es beim Note noch nicht gibt – dafür spricht, dass Samsung so das S7 stärker vom S6 Edge+ absetzen würde.

Eine Analyse von Jörg Wirtgen

Schreibt seit 1999 für c't und heise online, anfangs über Mainboards und Prozessoren, seit vielen Jahren nun über Notebooks, Smartphones und Tablets. Daneben beschäftigen ihn Android-Programmierung und die Synchronisation des ganzen Geräteparks.

Schon im Dezember meldeten wir das Gerücht, dass zwei Varianten des Galaxy S7 erscheinen, eine mit 5,2-Zoll-Display, eine mit 5,5 Zoll. Das kleinere soll wie das S6 ein normales Display haben, das größere ein Edge-Display mit gebogenen Ecken. Ein Edge-Modell der kleineren Variante wäre damit vom Tisch. Klingt plausibel, dass Samsung der teureren Variante mehr Vorzüge zugesteht als nur die optisch schönen, in der Praxis weitgehend nutzlosen gebogenen Ecken. Und ebenso plausibel klingt es, das Brot-und-Butter-S7 mit dem billiger herzustellenden Display ohne gebogene Ecken auszustatten.

Andere Gerüchte sprechen von einer zusätzlichen Plus-Variante mit 5,7 Zoll: Das würde dem bisherigen S6 Edge+ entsprechen, das Samsung voriges Jahr erstmals vorgestellt und neben dem Note 5 platziert hat. Klingt für mich eher unwahrscheinlich, dass Samsung dieses frisch getraute Paar schon nach wenigen Monaten wieder trennt und einen Nachfolger bringt – mir erscheint es wahrscheinlicher, dass ein S7 mit 5,7 Zoll auch dieses Jahr erst im Herbst zur IFA kommt (vielleicht am 31.8.).

Auch am Gehäuse-Design und -Material dürfte Samsung nicht viel ändern. Von einer wasser- und staubgeschützten Abdichtung ist die Rede: Durchaus realistisch, dass die eingesparten Supportkosten die Herstellungskosten übersteigen.

Die Auflösung dürfte wie bisher 2560 × 1440 Punkte betragen, denn der Vorteil von 4K wäre zu gering. Zudem würde das entweder viel Performance kosten oder wie bei Sony kaum nutzbar sein. OLED als Technik ist ebenso gesetzt, da sich das seit mehreren Generationen bewährt.

Laut einigen Gerüchten hat das S7 Force-Touch, das Display unterscheidet also zwischen normalem und festerem Drücken, was andere Aktionen bewirkt. Diese Technik ist zwar beim Apple iPhone 6S und zwei Android-Handys zu finden. Unter Android unterstützen das derzeit nur die von den Herstellern mitgelieferten Apps, woran auch das S7 nichts ändern kann, weil Android keine entsprechenden APIs hat (siehe Analyse zu Force Touch auf ct.de). Wie schlecht sich Hersteller-spezifische APIs durchsetzen, zeigt gerade das Note mit seiner kaum genutzten Hover-Technik. Daher erscheint es mir unwahrscheinlich, dass das S7 Force Touch bekommt.

Die Kamera des S6 gehört schon zu den besten in Smartphones, und weniger ist beim S7 nicht zu erwarten. Ein Gerücht spricht von einer Reduzierung der Pixelzahl zugunsten eines lichtstärkeren, rauschärmeren Sensors. Die aktuellen Kameras haben 16 MP (5312 × 2988 Pixel) – irgendwas in der Größenordnung von 12 MP würde ausreichend Schärfe bieten und gleichzeitig den Prozessor und das Mobil-Transfervolumen etwas schonen. Ein deutlicherer Rückschritt in Auflösung oder Qualität ist nicht zu befürchten.

Allerdings sind auch keine deutlichen Verbesserungen zu erwarten. Dass den Smartphones ein Zoom-Objektiv fehlt, ist Samsung ja bekannt, sind sie doch einer der ganz wenigen Hersteller, die Smartphones mit Zoom herausgebracht haben. Doch das hat sich offenbar nicht gut verkauft, da es schon lange kein Hardware-Update mehr erfahren hat. Statt fettem Zoom vielleicht eine Speziallinse wie bei Asus? Das würde ich frühestens beim nächsten Note sehen. Bestenfalls kommt als Zubehör eine Aufsatzlinse wie von Zeiss, doch auch die halte ich für unwahrscheinlich.

Eine der wenigen Innovationen, die ich beim S7 erwarte: statt Micro-USB eine Buchse vom neuen Type C. Da man das Kabel nicht mehr falsch herum einstecken kann, dürften die abgebrochenen Buchsen und damit die Supportkosten etwas sinken. Auch könnte sich eine Schnellladetechnik für Samsung einfacher realisieren lassen. Dass alte Adapter nicht mehr funktionieren, dürfte für Samsung kein großer Hinderungsgrund sein, zumal schon das S6 und Note 5 das über die Micro-USB-Buchse laufende MHL nicht mehr unterstützen.

Ob der Prozessor von Samsung selbst oder von Qualcomm stammt, würde ich nicht vorhersagen wollen. Das hängt unter anderem davon ab, ob Samsung genügend Chips selbst herstellen kann, die die in den verschiedenen Regionen benötigten Mobilfunkbänder abdecken. Doch die Produktionskapazitäten lassen sich von außen kaum sinnvoll abschätzen, erst recht nicht seit dem Deal, dass Qualcomm bei Samsung produzieren lässt.

Vier Gigabyte Hauptspeicher sollte Samsung seinem Flaggschiff spendieren, zumindest der größeren Variante. Modelle mit 32 und 64 GByte Flash halte ich ebenfalls für gesetzt, und sofern es keinen SD-Slot geben wird, auch eines mit 128 GByte. Mit SD-Slot mag sogar ein 16- oder gar 8-GByte-Modell auftauchen.

Ob der SD-Slot wieder Einzug hält? Aus Anwendersicht wäre das ein Vorteil, doch aus Herstellersicht ist das eine komplexere Entscheidung. Einer der wenigen Gründe, die beim S6/Note5 getroffene Entscheidung zu revidieren, den Slot wegzulassen, wäre, auf die Kritik der Käufer zu hören – hoffen wir, dass sie laut genug war. Immerhin fällt mit der besseren Speicherkarten-Anbindung von Android 6 einer der vielen Gründe weg, den Slot nicht einzubauen.

Die Hoffnung, dass mit einem SD-Slot auch wieder ein wechselbarer Akku Einzug hält, dürfte sich nicht erfüllen, dafür müsste Samsung zu viel am Gehäuse ändern. Eher wird die SD-Karte ähnlich der SIM in einer Schublade stecken; vielleicht in einer Form, die SD-Karte oder zweite SIM aufnimmt, sodass die in einigen Regionen zu erwartenden S7-Modelle mit zwei SIM-Slots dann nur entweder die zweite SIM oder eine SD-Karte aufnehmen, aber nicht beides gleichzeitig.

Achja, und zum Schluss noch das Datum: In den vorigen Jahren hat Samsung die S-Modelle am Sonntag vor der Mobilfunkmesse MWC in Barcelona vorgestellt, zuletzt das S6 und S6 Edge am 1.3.2015. Dieses Jahr läuft die Messe eine Woche früher vom 22. bis 25. Februar, die Samsung-Pressekonferenz würde also am 21.2. stattfinden. Den früheren Termin dürfte Samsung wahrnehmen – in großen Stückzahlen muss das S7 dann sowieso noch nicht erhältlich sein, wenn überhaupt. Denn leider hat es sich ja bei vielen Herstellern eingebürgert, Produkte erst einige Wochen nach der Vorstellung tatsächlich auszuliefern.

[Update 21.1.] Inzwischen ist ein S7 mit dem Exynos 8890 beim AnTuTu-Benchmark aufgetaucht, wie der Benchmark-Hersteller über Weibo berichtet. Es handele sich um das Modell SM-G930F mit 4 GByte Speicher, 64 GByte Flash, 2560er-Display, 12-MP-Kamera und Android 6. Auch wenn das die Überlegungen bestätigen würde: Die Hersteller dürften zu einem Zeitpunkt so weit vor der Vorstellung noch keine Seriengeräte ausprobieren, sondern Vorab-Samples mit vielleicht abweichender oder auch falsch übermittelter Konfiguration. [/Update] (jow)