Pro & Contra: Kommt der ARM-Prozessor im Mac?

Die iPhone- und iPad-Prozessoren werden immer leistungsfähiger. Ihr Einsatz im Mac hätte Vor- und Nachteile.

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Von
  • Benjamin Kraft

Artikel aus Mac & i Heft 1/2016, Seite 7

Leonhard Becker meint, Apple sollte sich mit selbst entwickelten Prozessoren unabhängiger von Intel machen.

Mac OS X habe ein „geheimes Doppelleben“ geführt, erklärte Steve Jobs beim Umstieg von der PowerPC- auf die x86-Architektur. Ein Doppelleben führt das Mac-Betriebssystem heute wieder, daran besteht für mich kein Zweifel: In einem Forschungslabor in Cupertino läuft OS X längst auf ARM-MacBooks. Der Leistungssprung, den die A-Chip-Reihe in iPhone und iPad in relativ kurzer Zeit vollzogen hat, ist schlicht unglaublich. Mit dem A9X des iPad Pro hat Apple einen ARM-basierten Prozessor entwickelt, der sich vor etwas älteren MacBook-Pro-Generationen nicht mehr verstecken muss – und Intels Core M im jungen MacBook nahe kommt.

Schon Steve Jobs gab die Parole aus, die entscheidenden Komponenten und Technologien von Apples Produkten müssen sich im Firmenbesitz befinden. Dieser Strategie folgt auch Tim Cook. Für das iPhone investierte das Unternehmen vorausschauend in die eigene Prozessor-Entwicklung. Apple hat den Leiter der Chip-Sparte gerade erst in den Management-Olymp befördert und eine (kleine) Chip-Fabrik gekauft. Im Unterschied zu iOS-Geräten laufen Macs zwar nicht im dreistelligen Millionenbereich pro Jahr vom Band, doch die Modellreihe ist zu wichtig, um beim Prozessor langfristig vom schwerfälligen Riesen Intel und von dessen Roadmap abhängig zu bleiben. Im vergangenen Geschäftsjahr war die Mac-Sparte immerhin die zweitgrößte bei Apple – mit wachsender Tendenz. Selbst das iPad brachte weniger Umsatz.

Die Design-Kontrolle über den Chip erlaubt es zudem, diesen voll auf die eigenen Bedürfnisse anzupassen und nicht für bestimmte Funktionen Intel anbetteln zu müssen. Eine tiefergehende Integration zwischen Prozessor, Betriebssystem und weiterer Hardware könnte dem Mac ganz neues Leben einhauchen. Mit dem A10 steht der nächste Leistungssprung an – sollte der noch nicht in einem ersten Mac landen, dann halt der A11 oder A12. Die Grundlage ist jedenfalls gelegt. Dass Apple einen Wechsel der CPU-Architektur auch Software-seitig bewältigen kann, hat das Unternehmen mehr als einmal bewiesen. (lbe)

Benjamin Kraft sieht in einem Wechsel der Prozessorarchitektur kaum zu bewältigende Herausforderungen.

Ich sehe keinen Anlass dafür, irgendeinen Mac auf eine andere Prozessorfamilie umzustellen. Beim Umstieg vom PowerPC war es anders, da bot Intel einfach mehr Perspektive. Schon damals wollte Apple keine immensen Entwicklungskosten in wenig konkurrenzfähige Technik investieren. Das Design von Mac-Prozessoren würde Unsummen verschlingen und sich erst amortisieren, wenn diese Chips in vielen Geräten eingesetzt und in großen Mengen verkauft werden könnten.

Doch weil die verschiedenen Mac-Modellreihen unterschiedlichen Ansprüchen gerecht werden sollen, kann Apple wohl kaum mehreren zukünftigen Macs den gleichen Prozessor einpflanzen. Mal müsste es ein schneller Quad- statt eines Strom sparenden Dual-Cores sein, mal bräuchte es eine potentere GPU – und schon wäre der Kostenvorteil dahin. Zudem liefern selbst die schnellsten A-Chips noch lange nicht die Power einer Intel-CPU. So käme etwa ein vom iPad Pro verpflanzter A9-SoC allein für ein einziges Modell in Betracht: ein Einsteiger-Notebook noch unter dem Niveau des derzeit langsamsten 12-Zöllers.

Außerdem müsste man in Cupertino einen riesigen Aufwand bei der Software betreiben und nicht nur OS X, sondern auch alle Anwendungen auf zwei grundverschiedenen Plattformen anbieten und pflegen – und zwar wegen des Performance- Deltas zwischen ARM und x86 weit länger als beim Intel-Umstieg. Selbst wenn Apple ein fix und fertiges OS X für ARM und passend dazu eine Lösung wie damals die Universal Binaries aus dem Hut zaubern würde – was wäre denn mit alter Software? Firmen wie Microsoft würden ihre Programme wohl kaum nach ARM portieren. Für eine Emulation reicht die ARM-Performance jedoch nicht, Virtualisieren kommt deshalb ebenso wenig in Frage. Ach, und Windows? Liefe auf ARM-Macs dann auch nicht mehr. Das wäre für viele Käufer ein K.-o.-Argument. Es gibt übrigens keinen Grund zu hoffen, dass auf einem ARM-Mac iOS und OS X laufen würden. Solchen Hybriden hat Tim Cook eine klare Absage erteilt. (bkr)

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