Harvard-Studie: Strafverfolger werden nicht "blind" durch Verschlüsselung

Die Befürchtungen von Ermittlern in den neuen "Crypto Wars", aufgrund zunehmender Verschlüsselung Verdächtige nicht mehr überwachen zu können, sind laut Harvard-Experten stark übertrieben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 34 Kommentare lesen
Harvard-Studie: Strafverfolger werden nicht "blind" durch Verschlüsselung

Vom Titelblatt der Harvard-Analyse, an der Sicherheitsexperten wie Bruce Schneier oder Susan Landau gearbeitet haben

Lesezeit: 2 Min.

Die verstärkte voreingebaute Datenverschlüsselung zum Beispiel auf Mobilsystemen von Apple und Google stellt für Strafverfolger kein unhandhabbares Problem dar. Zu diesem Ergebnis kommt eine Expertengruppe, die sich unter der Leitung des Berkman Center for Internet and Society der Harvard-Universität angesichts der neuen "Crypto Wars" rund ein Jahr lang mit dem Thema beschäftigte. "Keine Panik", lautet der Titel ihres jetzt veröffentlichten Abschlussberichts, dem zufolge auch künftig die Kommunikation überwacht werden kann.

Vor allem das FBI warnt seit spätestens 2009 mit dem Mantra "Going Dark", dass Ermittler aufgrund zunehmender Verschlüsselung im Internetzeitalter "blind" werden. An vorderster Front der Praktiker, die einen Zugriff für Strafverfolger auf verschlüsselte Kommunikation über Vorder- oder Hintertüren fordern, steht der aktuelle FBI-Chef James Comey. Die Verfasser der Harvard-Analyse, zu der Sicherheitsexperten wie Bruce Schneier oder Susan Landau gehören, räumen zwar ein, dass einige Kommunikationsräume künftig eine Grauzone bleiben dürften. Viele andere würden aber sogar stärker ausgeleuchtet und könnten einfacher abgehört werden.

Nicht alle IT-Firmen gingen zu Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und vergleichbaren Architekturen über, begründen die Autoren ihre Ansicht. Die Geschäftsmodelle der Mehrzahl der Betreiber von Kommunikationsdiensten und sozialen Netzwerken wie Facebook beruhten auf dem Zugang zu unverschlüsselten Nutzerdaten, um etwa zielgerichtet Werbung servieren zu können. Zudem bedürfte es viel stärkerer Koordinations- und Standardisierungsanstrengungen, um Kryptofunktionen in weiten Bereichen der fragmentierten Welt gängiger Softwareumgebungen zu verankern.

Vernetzte Sensoren und das Internet der Dinge brächten eine Flut an übertragenen Bilder-, Video- und Audiodaten mit sich, die sich häufig in Echtzeit überwachen ließen. Einem verschlüsselten Kanal stünden dabei meist viele ungesicherte Übertragungen gegenüber. Dazu komme das weite Feld der Metadaten wie Verbindungs- und Standortinformationen, die wohl auch künftig aufgrund der Funktionsweise der damit arbeitenden Systeme nicht verschlüsselt würden. Allein damit stünde ein großer Berg an recht einfach zu überwachenden Informationen zur Verfügung. Die Frage müsse daher weniger lauten, wie künftig Verdächtige noch abgehört werden könnten, sondern wie die Privatsphäre der großen Masse unverdächtiger Nutzer zu schützen sei.

Mit dem Thema Verschlüsselung und Strafverfolgung befasst sich auch die aktuelle Technology Review:

(anw)