"Hooligan-Datei": Hamburger Datenschützer befürchtet Krise der polizeilichen Datenhaltung

Fast zehn Jahre hat die Polizei Hamburg Daten von gewaltbereiten Fußball-Fans in einer speziellen Datei gespeichert – zu Unrecht, wie Hamburgs Datenschutzbeauftragter sagt. Der Innensenator gelobt Besserung.

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"Hooligan-Datei": Hamburger Datenschützer befürchtet Krise der polizeilichen Datenhaltung

HSV-Befürworter begegnen im April 2015 in Bremen der Staatsmacht

(Bild: dpa)

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Die seit fast zehn Jahren von der Hamburger Polizei geführte Datei über gewaltbereite Fußball-Fans ist aus Sicht des Hamburger Datenschutzbeauftragten rechtswidrig und sollte umgehend gelöscht werden. "Das Ausmaß der Speicherung von Betroffenen, gerade aber auch von Kontakt- und Begleitpersonen unter Vernachlässigung grundlegender datenschutzrechtlicher Anforderungen ist nicht akzeptabel", erklärte der Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar am Mittwoch.

Mitte Januar war durch eine Kleine Anfrage der Linken ans Licht gekommen, dass die Polizei 2170 Menschen aus dem Bereich Fußball registriert hat, darunter 1070 Fans des Bundesligisten Hamburger SV und 426 Anhänger des Zweitligisten FC St. Pauli. Wer in der Datei geführt wird, erfährt davon in der Regel nichts. Es bestehe keine Informationspflicht, hieß es in der Senatsantwort.

Caspar begrüßte, dass die Polizei inzwischen rund 900 Personen wieder aus der Crime-Datei "Gruppen- und Szenegewalt" gelöscht habe. Gleichwohl habe die Prüfung zahlreiche so schwere datenschutzrechtliche Mängel offenbart, dass nun eine formelle Beanstandung ausgesprochen worden sei.

Der zuständige Innensenator Andy Grote (SPD) versprach Besserung. "Es handelt sich bei den beschriebenen Missständen im Umgang mit der betreffenden Crime-Datei um einen schwerwiegenden Vorgang." Er habe die Polizei bereits aufgefordert, Defizite umgehend zu beseitigen. "Mit dem Polizeipräsidenten wurde zudem vereinbart, dass die Funktion eines eigenen Datenschutzbeauftragten der Polizei eingerichtet wird."

Die Datenschützer hatten bei einer Prüfung festgestellt, dass die am 1. Juni 2006 erstellte Datei unter anderem Informationen über Punks, Skinheads, Rocker oder russische Aussiedler enthielt, welche sei längerem gar nicht mehr in der Zuständigkeit der zugriffsberechtigten Stellen lag. Überhaupt konnte zudem bei einem nicht unerheblichen Teil der Verdächtigen und Beschuldigten nicht positiv festgestellt werden, das es erforderlich war, die Daten zu speichern.

Ebenfalls kritisch bewertete Hamburgs Datenschützer, dass in der Datei zahlreiche Kontakt- und Begleitpersonen über die gesetzlich festgelegte Frist hinweg gespeichert waren. In einem Fall seien sogar personenbezogene Daten eines Kindes gespeichert worden. Der Senatsantwort zufolge waren in der Datei neben Namen und Adressen der Beschuldigten und Verdächtigen auch Fotos sowie Informationen zu Kontakt- und Begleitpersonen gespeichert.

Für Caspar stelle sich nun die Frage, ob in anderen Crime-Dateien möglicherweise ähnliche Datenschutzverstöße vorliegen. "Der ganze Vorgang lässt nicht nur eine Krise der automatisierten Datenhaltung bei der Polizei befürchten, sondern auch auf eine Krise des Datenschutzes in Hamburg schließen", betonte Caspar. Gleichzeitig wies er daraufhin, dass die Datenschützer aufgrund der geringen personellen Ausstattung nicht in der Lage seien, ihre Aufgaben noch angemessen zu erledigen.

Im Oktober vorigen Jahres hatten die Grünen einen Antrag in den Bundestag eingereicht, die Bundesregierung solle die so genannte vom BKA bundesweit geführte Hooligan-Datei dahingehend überprüfen, ob Personen ungerechtfertigt aufgeführt seien. Seinerzeit hieß es, 13.000 Personen seien darin bereits erfasst. Die damit einhergehende Stigmatisierung müsse beendet werden, meinen die Grünen. (mit Material der dpa) / (anw)