Whistleblower im US-Militärgefängnis: Copyright stoppt Chelsea Mannings Postverkehr

Chelsea Mannings Militärgefängnis blockiert Postsendungen. Die darin enthaltenen Ausdrucke von EFF-Blogposts würden Copyright verletzen. Dabei ist der Ausdruck dank Creative Commons Lizenz legal.

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US Disciplinary Barracks Fort Leavenworth, Kansas

Chelsea Manning sitzt im Militärgefängnis Fort Leavenworth, dem einzigen Maximum-Security-Gefängnis des US-Militärs.

(Bild: US Army)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

US-Gefängnisse zensieren nicht nur die Post, die Insassen bekommen. Sie zensieren auch Äußerungen der Insassen selbst. Besonders hart werden Häftlinge gestraft, die online präsent sind, selbst wenn Dritte die Postings verfassen. In einem einzelnen US-Staat fand eine Untersuchung Hunderte Gefangene, die für Facebook-Postings mit Isolationshaft gefoltert werden, manche jahrzehntelang. Und auch Informationen über die Zensur werden zensiert.

So sieht sich Chelsea Manning selbst.

(Bild: Alicia Neal/Chelsea Manning (gemeinfrei))

Letzteres kommt jetzt ans Tageslicht, weil die prominente Insassin Chelsea Manning (vormals Bradley Manning) betroffen ist. Sie hat Wikileaks militärische und diplomatische Dokumente zukommen lassen. Dafür wurde Manning zu 35 Jahren Haft verurteilt. Natürlich kontrolliert die US-Armee die Post, die Militärgefangene bekommen. Dabei wurden Ausdrucke von Webseiten aus Mannings Post entfernt. Begründung: Die Ausdrucke könnten das Copyright verletzen.

Das berichtet die Electronic Frontier Foundation (EFF). Jemand hatte Manning Ausdrucke von der Website der EFF, Unterlagen der US-Gefängnisverwaltung, eine öffentliche Eingabe der EFF bei der Telecom-Regulierungsbehörde FCC, sowie Ausdrucke von Artikeln aus Buzzfeed und der Harvard Business Review geschickt.

Manning erhielt nur die Werke der Gefängnisverwaltung und eine Information, wonach weitere Unterlagen beschlagnahmt wurden, weil es sich um "ausgedruckte Internetmaterialien oder E-Mail, in einem Umfang von mehr als fünf Seiten pro Tag, oder Weitergaben, die US-Copyright-Gesetze verletzen könnten" handle.

"Es ist möglich, dass die Army die Dokumente unterdrückt, weil sie länger als fünf Seiten sind", schreibt die EFF, "aber wir halten das für unwahrscheinlich, weil die Dokumente, die zugestellt wurden, wesentlich länger als irgendwelche der anderen Unterlagen und länger als fünf Seiten sind. Das heißt, es waren wahrscheinlich Copyright-Bedenken, die zur Zensur von Mannings Post geführt haben."

Doch die EFF veröffentlicht ihre Beiträge unter der besonders freigiebigen Creative Commons Lizenz CC-BY 3.0. Die Werke dürfen also völlig legal ausgedruckt und weiterverbreitet werden. Und die Eingabe bei der FCC darf als öffentliches Dokument ebenfalls legal verbreitet werden. Lediglich bei den Ausdrucken von Buzzfeed und der Harvard Business Review kommt Copyrightverletzung in Betracht.

Die Zensur unter Berufung auf Copyright ist besonders abstrus, weil das US-Copyright gerade die Freie Meinungsäußerung unterstützen soll. So legt es der US Supreme Court ausdrücklich aus. Die EFF hat die US Army um eine Stellungnahme gebeten und darin auf die Creative Commons Lizenz hingewiesen. Antwort gibt es bislang keine.

Außerdem hat EFF nun selbst die eigenen Artikel ausgedruckt und an Chelsea Manning geschickt. Auch heise online hat das Pentagon um Stellungnahme zu den EFF-Vorwürfen gebeten. Darüber hinaus hat heise online um eine Anleitung ersucht, wie Rechteinhaber ausdrücklich Kopien ihrer Werke für Militärhäftlinge freigeben können.

"Wir wären sehr besorgt über eine Gefängnisvorschrift, die jegliche (geschützten Werke aus dem Internet) blockiert, weil das die überwältigende Mehrheit von Nachrichten und wissenschaftlichen Publikationen beträfe", hält die EFF fest, "Im Fall der Chelsea Manning verweigerten Sachen hoffen wir, dass die Army einen Fehler gemacht hat und keine Politik des Copyright-Missbrauchs verfolgt, um Häftlingen den Zugriff auf wichtige Unterlagen zu verwehren, auf welche die Öffentlichkeit frei zugreifen kann."

In der EFF-Eingabe bei der Regulierungsbehörde FCC ging es übrigens um Tarife für Telefonate von und zu Häftlingen. Sie und ihre Angehörigen werden seit Langem durch exorbitante Telefongebühren abgezockt. Eine Minute kostet bis zu 14 US-Dollar (rund 13 Euro), dazu kommen saftige Gebühren aller Art. Und mancherorts werden mindestens 15 Minuten je Verbindung berechnet.

Diese Tarife können sich viele Betroffene nicht leisten. Auf günstigere Anbieter auszuweichen ist ihnen verwehrt. Erfreulicher Weise werden die Kosten im Laufe des Jahres deutlich sinken. Das ist das Ergebnis des nämlichen FCC-Verfahrens. (ds)