TTIP & Co.: Bürgerrechtsallianz fordert "offene" Handelsabkommen

20 internationale Organisationen und Experten haben eine "Brüsseler Erklärung zu Handel und Internet" verabschiedet, in der sie auf den Einbezug von Nutzer- und Verbraucherschutzgruppen drängen. Die Verhandlungen sollen transparent geführt werden.

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TTIP, TISA, Freihandelsabkommen, Europa, USA
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Ein loses Bündnis von 20 zivilgesellschaftlichen Organisationen setzt sich für eine Reform der Verhandlungen über internationale Handelsabkommen wie TTIP und seinen Geschwister TiSA, TPP oder Ceta ein. Die Gruppe, welcher Bibliotheksverbände genauso angehören wie die Electronic Frontier Foundation (EFF), die Initiative European Digital Rights (EDRi), Creative Commons oder die hinter dem Firefox-Browser stehende Mozilla-Gemeinschaft, hat eine entsprechende "Brüsseler Erklärung zu Handel und Internet" veröffentlicht.

Die Unterzeichner drängen darin auf einen offeneren und demokratischeren Verhandlungsprozess, um digitale Rechte global zu schützen. Demnach sollen Abkommensentwürfe künftig regelmäßig veröffentlicht werden, während derzeit einschlägige Gespräche hinter geschlossenen Türen stattfinden und selbst abgestimmte Texte meist nur Politikern unter hohen Sicherheitsvorkehrungen zugänglich gemacht werden.

Die Partner der Allianz machen sich zudem für eine öffentliche Beteiligung stark, die diesem Anspruch gerecht wird. Es sollten auch Experten und Organisationen in die Verhandlungen einbezogen werden, die für die Rechte von Internetnutzern sowie von Verbrauchern allgemein und den Erhalt fundamentaler Online-Freiheiten kämpfen.

Alle einschlägigen Handelsverträge müssten zudem regelmäßig überprüft werden, um die Auswirkungen auf die Menschenrechte einschließlich von Privatsphäre sowie Informations- und Meinungsfreiheit im Blick zu behalten, betonte der UN-Experte Alfred de Zayas, der die Aktion unterstützt. Es müsse möglich sein, derlei Abkommen standardmäßig zu revidieren.

In Deutschland ist TTIP nicht beliebt, was nicht nur die Großdemo gegen die transatlantische Übereinkunft im Herbst in Berlin zeigte: Laut einer Emnid-Umfrage für die "Bams" bezeichnen nur noch 25 Prozent der Bundesbürger TTIP als "eher gute Sache" für die Republik. Jörg Haas von der Plattform Campact sieht darin einen Hinweis, dass "die Zustimmung zu TTIP ins Bodenlose fällt". Im Juni 2015 seien noch 47 Prozent der Deutschen für das Abkommen gewesen, im Oktober und Dezember noch 34 Prozent. Die Bundesregierung müsse daher "endlich die Reißlinie ziehen".

Auch der Chef der grünen Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, votierte für einen Abbruch der Gespräche, da diese in die falsche Richtung liefen. Nur auf Basis europäischer Schutzstandards und ohne Schiedsgerichte könne man weiter über das Abkommen sprechen.

Der US-Handelsbeauftragte Michael Fromann warnte dagegen vor einem Scheitern von TTIP, da dies Deutschlands Wohlstand gefährden würde. Zum Zeitplan kündigte er an, dass die Kernabschnitte bis Ende Juli stehen und der Vertrag so mit dem Ausklang der Obama-Regierung im Spätherbst noch unter Dach und Fach gebracht werden sollten.

In Brüssel startete am Montag die 12. TTIP-Verhandlungsrunde, die bis Freitag geht. Auf der Tagesordnung stehen unter anderem nach längerer Pause erneut Gespräche über den Vorschlag der EU-Kommission zu einem besseren Investorenschutzverfahren, den Bürgerrechtler als "Zombie" ablehnen. Erstmals auf dem Tisch liegt das US-Angebot zur "Öffnung der Beschaffungsmärkte", wie das Bundeswirtschaftsministerium mitteilte. Weitere Punkte seien unter anderem inhaltliche Fortschritte im Bereich der umkämpften " regulatorischen Zusammenarbeit" und Thema Nachhaltigkeit.

Als "schweren Fehler" bezeichnete der Branchenverband VDMA Überlegungen, das zunächst vorgesehene Maschinenbaukapitel von den Verhandlungen wieder auszunehmen. In dem Sektor behinderten vor allem technische Handelshemmnisse den Export nach Nordamerika, moniert die Vereinigung. In den USA gebe es keinen Binnenmarkt für Maschinen wie in Europa, sondern abweichende technische Regulierungen auf bundesstaatlicher oder sogar lokaler Ebene. Dadurch entstünden beim Export Zusatzkosten von fünf bis knapp 20 Prozent.

Die Liste der Güter, die von TTIP abgedeckt werden sollen, hat das Recherchezentrum Correctiv veröffentlicht. Brüssel soll demnach Washington angeboten haben, 97 Prozent aller Zölle zu senken. Laut der entsprechenden Liste der EU-Kommission aus dem Oktober bröckelt selbst der Schutz für Agrargüter und Landwirte. Seltene Erden oder bestimmte Aluminiumröhren und -container sollen erst nach sieben Jahren zollfrei in die EU dürfen. Auch für hydraulische Motoren und LCD-Bildschirme sind Schonfristen vorgesehen. (kbe)