Apple vs. FBI: Apple soll seinen "bissigen Wachhund" zurückpfeifen

Vertreter des FBI und von Apple konnten ihren Streit über die Entsperrung eines iPhones nun vor dem US-Kongress darstellen. FBI-Chef Comey gestand dabei Fehler ein, insistierte aber, dass Apples Mithilfe in jedem Fall notwendig gewesen wäre und noch ist.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 301 Kommentare lesen
Entsperrung eines iPhone

(Bild: dpa, Michael Kappeler/heise online)

Lesezeit: 7 Min.
Inhaltsverzeichnis

Der Chef des FBI, James B. Comey, hat in einer Anhörung vor dem US-Kongress bestätigt, dass das FBI den Zugang zu bestimmten Daten des iPhones eines San Bernardino-Attentäters selbst gesperrt hat. Zugleich wurde in der Anhörung deutlicher darauf eingegangen, welche Informationen das FBI auf dem gesperrten iPhone noch zu finden hofft. Apples Anwalt Bruce Sewell wehrte sich in der Anhörung gegen die Behauptung, nur aus Marketinggründen nicht mit dem FBI kooperieren zu wollen. Dies bringe, zitiert die New York Times, sein "Blut zum Kochen".

Apple vs. FBI: Streit über iPhone-Entsperrung

Comey gestand den Parlamentariern, dass dem FBI kurz nach dem Attentat tatsächlich ein Fehler unterlaufen sei. Es sei davon ausgegangen, an mehr Informationen zu gelangen, wenn es das iCloud-Passwort zurücksetze. Stattdessen hatten sich die Ermittler auf diese Weise aus Daten auf dem iPhone von Syed Rizwan Farook ausgesperrt. Das iPhone selbst verlangt die Eingabe eines Passworts, das den Ermittlern nicht vorliegt. Geben sie es zehn Mal falsch ein, werden auf dem iPhone alle Daten gelöscht. Apple wurde in einer gerichtlichen Anordnung dazu aufgefordert diese Einschränkung mit einem signierten Software-Update zu entfernen. Die Software hierfür müsste das Unternehmen aber erst schreiben. Dagegen wehrt sich Apple.

Wie Apples Anwalt Sewell darstellte, habe Apple dem FBI noch vor dem Zurücksetzen des Passworts geraten, Farooks iPhone mit einem bereits bekannten WLAN zu verbinden, damit die aktuellsten Daten mit der iCloud synchronisiert werden können. Zuletzt sei Farooks iPhone nämlich im Oktober 2015 mit der iCloud verbunden worden – Wochen vor dem Attentat. Nun verlange das FBI allerdings, dass Apple einen gefährlichen Präzedenzfall schaffe, der die Privatsphäre und die Sicherheit der Bevölkerung verletzen könnte. Sewell beharrte darauf, dass so eine Hintertür geschaffen würde.

Zudem wehrte sich Sewell wütend gegen die Anschuldigung, dass Apple lediglich aus Marketinggründen keine Hilfe in dem Fall leisten wolle. Man habe den Ermittlungsbehörden bereits in einigen Fällen etwa Daten aus der iCloud ausgehändigt. Außerdem sollten Ermittlungsbehörden Daten auch noch aus anderen Quellen beziehen können als nur aus Smartphones. Hätte das FBI nicht angeordnet, das iCloud-Passwort zurückzusetzen, hätte Apple auch die frisch synchronisierten Daten aus der iCloud herausgegeben.

FBI-Chef Comey versuchte deutlich zu machen, dass es dem FBI in der Auseinandersetzung nur um das iPhone von Farook ginge und hob überdies darauf ab, dass man lediglich verlange, "den bissigen Wachhund" vor einer "bereits vorhandenen Tür" zu entfernen. Würde die Passwortsperre nach den Wünschen des FBI entfernt, könnte die Ermittlungsbehörde eine Brute-Force-Attacke gegen das iPhone ausführen und im besten Fall Zugang zu den Inhalten des iPhones erlangen. Das Passwort könnte – käme Apple den Wünschen des FBI nach – via Brute-Force in rund 30 Minuten ermittelt werden, behauptete Comey.

Deutlich wurde, wieso das FBI das iPhone unbedingt entsperrt sehen möchte und nicht auf andere Ermittlungsverfahren setzt. Man erhoffe sich, dass unter anderem durch die GPS-Daten auf dem Smartphone klar würde, wohin das Ehepaar Farook innerhalb von 18 Minuten nach dem Attentat unterwegs war und wen sie womöglich noch vor dem Attentat kontaktiert hatten. Denn ob das mutmaßlich von der Terrormiliz IS "inspirierte" Paar tatsächlich Kontakte zu anderen Extremisten hatte, ist unklar.

Trey Gowdy, ein Abgeordneter der Republikaner aus South Carolina, kommentierte die Anhörung, laut New York Times, mit den Worten: "Kreieren wir wirklich Beweis-freie Zonen?" Überdies könne er nicht nachvollziehen, dass kein Zugang zu einem Telefon gewährt werde. Allerdings stellte er auch klar, dass das FBI "die Sache wohl versaut habe" als es das Passwort ändern ließ. Sein Kollege aus New York, Jerrold Nadler (Demokraten), unterstrich, dass das FBI ohne diesen Fehler vermutlich längst alle Informationen hätte, die es haben wollte.

FBI-Chef Comey verneinte dies. Experten hätten ihm erklärt, dass es auf dem iPhone Daten gebe, die auch durch ein Backup nicht in der iCloud abzugreifen seien. Sie hätten also so oder so die Hilfe von Apple in Anspruch nehmen müssen. Zwar legte Comey mehrmals dar, dass es ihm und dem FBI nur um das iPhone Farooks gehe, auf die Frage hin, ob das FBI aber auch andere iPhones entsperren wolle, wenn man im San Bernardino Fall siege, antwortete Comey mit den Worten: "Aber natürlich."

Wie Recode berichtet, habe Comey in weiteren Ausführungen klar gemacht, dass er den All Writs Act, der die Anordnung zur iPhone-Entsperrung durch Apple ermöglichte, für ein "ziemlich gutes Schriftstück" halte. Zudem sehe auch er die Gefahr, dass die von IT-Firmen eingesetzte Verschlüsselung zur Schaffung beweisfreier Orte beitrage. Außerdem müsse er zugeben, dass das FBI tatsächlich nicht in der Lage ist, das iPhone zu entsperren. Cybersicherheitsexpertin Susan Landau erklärte in diesem Zusammenhang vor dem Kongress, dass auch die NSA davor zurückschrecke, dem FBI mit ihren Werkzeugen zu helfen. Es bestehe die Gefahr, dass die Möglichkeiten der NSA vor Gericht offengelegt werden könnten.

Der Staatsanwalt Cyrus Vance aus Manhattan wies laut Recode darauf hin, dass Apples Ankündigung, die Verschlüsselung und Absicherung seiner Systeme nochmals verbessern zu wollen, die Balance zwischen dem Bürgerrecht auf Privatsphäre und den Möglichkeiten der Verfolgungsbehörden "verändere". Seine Ermittler hätten unter anderem das Telefongespräch eines Gefängnisinsassen in Rikers Island mitgeschnitten, in dem der Kriminelle Apples iOS 8 "als Gottesgeschenk" bezeichnete. Der New Yorker Abgeordnete Hakeem Jeffries entgegnete Vance, dass sein Beispiel doch zeige, dass dies kein Argument gegen die Verschlüsselung sei. Schließlich habe der "Böse" einen "Fehler" gemacht. Er glaube daran, dass die Behörden die Fähigkeit hätten, die Bösen übertölpeln zu können.

So uneinig sich die Protagonisten vor dem Kongress zeigten, wie sich der Staat gegenüber den Sicherungsmaßnahmen von Unternehmen zu verhalten habe, so klar waren die Aussagen von Sicherheitsexperten, die sich in dieser Woche zur RSA-Konferenz in San Francisco treffen. So wies laut dem Guardian Verschlüsselungsexperte Whitfield Diffie – der auch gerade zum Turing-Preisträger gekürt wurde – darauf hin, dass in "Regimen" versucht werde, Mechanismen zu schaffen, um Menschen zu kontrollieren. Andere Anwesende wie Microsoft-Präsident Brad Smith stellten klar, dass "der Weg zur Hölle mit einer Hintertür" in Systemen geöffnet wird. RSA-Chef Amit Yoran kommentierte die Diskussionen über Hintertüren und eine Schwächung von Verschlüsselung, "dass manche Richtlinien-Vorschläge so fehlgeleitet seien, dass der Verstand zurückschreckt." (kbe)