Französische Atomaufsicht soll schweren Zwischenfall im AKW Fessenheim vertuscht haben

Im April 2014 seien 3000 Liter Wasser unter anderem in wichtige Schaltschränke des Atomkraftwerks Fessenheim geflossen. Das AKW sei störfallbedingt heruntergefahren worden, berichten der WDR und die "Süddeutsche Zeitung".

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Französische Atomaufsicht soll schweren Zwischenfall im AKW Fessenheim vertuscht haben

Fessenheim in der Nähe von Colmar und Freiburg ist das älteste Atomkraftwerk in Frankreich

(Bild: Florival_fr:florial fr, (CC BY-SA 3.0))

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Im französischen Atomkraftwerk Fessenheim soll es im April 2014 einen schweren Zwischenfall gegeben haben, den die Atomaufsicht des Landes ASN gegenüber der Öffentlichkeit und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien heruntergespielt haben soll. Das berichten der WDR und die Süddeutsche Zeitung. Auch soll sie wesentliche Details unterschlagen haben.

Am 9. April 2014 um 17 Uhr habe das Bedienpersonal festgestellt, dass beim Befüllen eines Kühlwasserbehälters rund 3000 Liter Wasser ausgelaufen waren. Unter anderem durch die Kabelummantelungen sei das Wasser in verschiedene Etagen und Räume sowie in Schaltschränke eingedrungen, in denen die Steuerung der Sicherheitstechnik untergebracht war. Dann sei die komplette Bedienung der Steuerstäbe im Reaktorkern ausgefallen. Auch einer der beiden Stränge für die Reaktorschnellabschaltung habe versagt. Ein Krisenstab habe entschieden, den Reaktor durch Einleitung von Bor in den Hauptkühlkreislauf zwangsweise herunterzufahren. Zuvor sollen sich in dem AKW dramatische Szenen abgespielt haben.

In ihrer Meldung an die IAEA habe die ASN weder den Ausfall der Steuerstäbe noch die eingeleitete "Not-Borierung" berichtet. Das wahre Ausmaß des Unglücks gehe aus einem Schreiben hervor, das die ASN wenige Tage nach dem Unfall an den Leiter des AKW Fessenheim geschrieben hatte. Der Reaktorsicherheitsexperte Manfred Mertins sei nach Sichtung des Schreibens zu dem Schluss gekommen, dass es sich bei dem Vorfall um ein "sehr ernstes Ereignis" gehandelt habe, bei dem "erhebliche sicherheitstechnische Mängel" an dem AKW zutage getreten seien. Auch wenn sich der Auslöser des Störfalls, die Überflutung einiger Gebäudeteile, im nichtnuklearen Bereich des Kraftwerks ereignet habe, sei durch den Ausfall der Steuerstäbe letztlich vor allem der Reaktorkern betroffen gewesen.

Für mehrere Minuten sei "die Temperatur im Reaktorkern aus dem Ruder gelaufen". "Infolge der Störung der Signalisierung der Steuerstäbe ist die Mannschaft quasi blind gefahren", erläutere Mertins laut Mitteilung. Alle Atomkraftwerke in der EU seien nach dem Super-GAU im März 2011 in Fukushima in Stresstests angeblich auf den Schutz vor interner Überflutung geprüft worden. Es dürfe daher auf keinen Fall passieren, dass Wasser in mehrere Räume und in Elektro-Schaltkästen fließt, erklärte Mertins. Zudem sei das störfallbedingte Herunterfahren des Reaktors durch Zugabe von Bor äußerst ungewöhnlich. Laut Mertins und anderen Reaktorexperten hat es eine vergleichbare Situation in einem westeuropäischen Atomkraftwerk bislang noch nicht gegeben.

Das Atomkraftwerk Fessenheim ist seit 1977 in Betrieb. Umweltschützer im Dreiländereck fordern seit Jahren die Schließung. Aus ihrer Sicht ist das AKW pannengefährdet und veraltet. Es soll vermutlich nächstes Jahr vom Netz gehen.

Drei AKW sind noch in Deutschland in Betrieb (7 Bilder)

Seit März 1984 ist Block C des AKW im bayerischen Gundremmingen in Betrieb. Block A war von 1967 bis 1977 in Betrieb. Der 1984 ans Netz gegangene Block B wurde am 31. Dezember 2017 abgeschaltet, Block C – ebenfalls 1984 in Betrieb genommen – folgte Ende 2021. (Bild: kkw-gundremmingen.de)

(anw)