Bundesinnenminister: Datenschutz ist "schön", Sicherheit ist besser

Nach den Brüsseler Terroranschlägen hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) eine neue Debatte über den Wert von Grundrechten entfacht. Widerspruch kommt von unerwarteter Seite.

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Bundesinnenminister: Datenschutz ist "schön", Sicherheit ist besser

(Bild: bundespolizei.de)

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"Datenschutz ist schön, aber in Krisenzeiten wie diesen hat Sicherheit Vorrang", konstatierte Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Mittwochabend in den Tagesthemen der ARD. Gemeinsam mit anderen Innenpolitikern und Polizeigewerkschaftlern sprach er sich nach den Brüsseler Bombenexplosionen für einen besseren Austausch sicherheitsrelevanter Daten in Europa aus. "An den Außengrenzen des Schengenraums sind zu viele Lücken", meinte der Christdemokrat. "Wir brauchen ein Ein- und Ausreiseregister für den Schengenraum." Bislang getrennte "Datentöpfe" der verschiedenen Sicherheitsbehörden müssten in Europa verknüpft, also auch mehr Informationen zwischen Geheimdiensten und Polizeien transferiert werden.

Wieso deswegen der Datenschutz prinzipiell zurückstehen müsste, erläuterte de Maizière nicht. Innenminister neigen aber oft dazu, mit der Brille der Sicherheitsbehörden auf die Welt zu blicken, obwohl eigentlich der Schutz des Grundgesetzes insgesamt in ihr Aufgabengebiet fällt. So erhob de Maizières Vorgänger Hans-Peter Friedrich 2013 bereits die Sicherheit zum "Supergrundrecht". Der CSU-Politiker berief sich dabei auf seinen Vorvorgänger Otto Schily (SPD), der zu seiner Amtszeit eine juristische Debatte von 1997 aufgegriffen hatte. 1983 hatte der konservative Rechtsexperte Josef Isensee dagegen zunächst einmal dafür plädiert, überhaupt ein "Grundrecht auf Sicherheit" zu formulieren.

Mathias Döpfner, Chef des Axel-Springer-Konzern und bislang – ähnlich wie de Maizière – nicht als Datenschutzverfechter aufgefallen, konterte umgehend in einem Meinungsbeitrag in seinem Hausblatt Die Welt. Der Verleger bezeichnete den Satz aus dem Mund des Ministers als "Skandal" und "Offenbarungseid des Rechtsstaates". Wenn man es schon wenige Stunden nach dem jüngsten Anschlag "mit dem Rechtsrahmen nicht mehr so genau" nehmen müsse, "dann hätten die Terroristen genau in der Sekunde gewonnen".

"Datenschutz ist keine dekorative Girlande unserer Demokratie, sie ist ein Kernelement unserer Werteordnung", holte Döpfner weiter aus. Dieses Freiheitsrecht, das in der digitalen Realität wichtiger sei denn je, "schützt den einzelnen vor Zugriffen auf seine Privatsphäre und Verhaltensweisen durch unbefugte Dritte, seien es große Konzerne oder Regierungen". Ohne Datenschutz "gedeiht das Totalitäre".

Zuvor hatte der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar davor gewarnt, Grundrechte als Konsequenz aus den Anschlägen zu lockern. "Ich finde es falsch, den Datenschutz hier zum Prügelknaben zu machen", erklärte er gegenüber dem Tagesspiegel. Wenn es bei der Kooperation hapere, liege dies oft daran, dass "das Meldeverhalten der nationalen Behörden an europäische Institutionen, etwa an das Schengen-Informationssystem oder an Europol, von Land zu Land höchst unterschiedlich" sei. (anw)