Leistungsbedarf genau ermitteln

Sie schreiben oft, ein überdimensioniertes PC-Netzteil verursache unnötige Leistungsaufnahme und erschwere so die leise Kühlung. Ich würde deshalb gerne ein exakt zu meiner Konfiguration passendes Netzteil kaufen - doch wie ermittelt man den genauen Leistungsbedarf der einzelnen Komponenten?

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Sie schreiben oft, ein überdimensioniertes PC-Netzteil verursache unnötige Leistungsaufnahme und erschwere so die leise Kühlung. Ich würde deshalb gerne ein exakt zu meiner Konfiguration passendes Netzteil kaufen - doch wie ermittelt man den genauen Leistungsbedarf der einzelnen Komponenten?

Als PC-Bastler ist man auf grobe Schätzungen oder Experimente angewiesen, weshalb eine Überdimensionierung des Netzteils oft unvermeidlich ist. Für eine präzise Berechung der Leistungsaufnahme beliebiger Computerbauteile fehlen die nötigen Daten und - für Privatanwender - meist auch Messmöglichkeiten.

Man sollte sein Netzteil nicht für die Summe der Maximallasten aller Komponenten auslegen, weil kaum jemals alle Komponenten gleichzeitig unter Volllast arbeiten und die Netzteile von sich aus Reserven für kurzzeitige Überlastung bieten. Andererseits wiederum sind Reserven für kleinere Aufrüstungen wie eine zweite Festplatte, ein zweites optisches Laufwerk, mehr Speicher oder vom Bus versorgte USB-Geräte ratsam.

Bei typischen Desktop-PCs empfiehlt sich (ohne Hauptprozessor und Grafikkarte) ein Leistungssockel von 90 Watt für ein aktuelles Mainboard, 512 MByte Hauptspeicher, eine IDE-Festplatte, ein optisches Laufwerk und Zubehör wie Diskettenlaufwerk, Tastatur, Maus, zwei PCI-Karten und die üblichen Schnittstellen. Auch der Leistungsbedarf eines in den Chipsatz integrierten Grafikkerns ist damit abgedeckt. Dazu addiert man den geschätzten Maximalbedarf von Prozessor und - falls nicht integriert - Grafikkarte. Diese beiden Komponenten laufen nicht selten gleichzeitig und über längere Zeiträume hinweg unter Volllast.

Prozessoren begnügen sich mit der im Hersteller-Datenblatt angegebenen Thermal Design Power (TDP), die bei den meisten aktuellen Prozessoren zwischen 60 und 120 Watt liegt. Diese Leistungswerte steigen allerdings dramatisch, wenn der Spannungswandler auch nur minimal höhere Spannungen liefert, beispielsweise beim Overclocking. Aber auch zwischen normal eingestellten Boards unterschiedlicher Hersteller haben wir Differenzen von bis zu 60 Watt gemessen.

Die Leistungsaufnahmen von Grafikkarten unterscheiden sich noch mehr, doch genaue Angaben sucht man bei praktisch allen Fabrikanten vergebens. Grafikkarten mit kleinem, lüfterlosem Kühlkörper begnügen sich normalerweise mit höchstens 15 Watt, aktuelle Modelle der oberen Mittelklasse wie eine GeForce 6600 GT verbraten schon im Leerlauf das Doppelte und unter Volllast deutlich über 60 Watt. Bei Ausführungen mit zusätzlichen Stromversorgungssteckern sollte man von einem Spitzen-Leistungsbedarf oberhalb von 75 Watt ausgehen.

Die Verteilung der Lasten auf die Haupt-Spannungsschienen (5, 3,3 und 12 Volt) ist nicht exakt festgeschrieben und schwankt je nach Mainboard sehr deutlich. Immerhin lässt sich bei Pentium-4- und Athlon-64-Mainboards sagen, dass sich die Prozessoren aus der 12-Volt-Leitung versorgen, denn genau dafür ist bei ATX12V-Netzteilen der 4-polige Zusatzstecker vorgesehen. Doch ob die restlichen Komponenten nun stärker die 3,3-, 5- oder 12-Volt-Leistungen belasten, bleibt ohne Messungen unter wechselnden Lastbedingungen unklar. Bei Stabilitätsproblemen kann es deshalb helfen, ein Netzteil gleicher Nennleistung von einem anderen Anbieter einzubauen.

Dennoch kann man nicht auf mehr als 30 Watt genau schätzen: In den Spannungswandlern für Prozessor und Grafikchip entstehen Verluste unbekannter Höhe, sodass bei leistungshungrigen CPUs und GPUs ein Sicherheitsaufschlag von 25 Prozent auf deren Maximallast ratsam ist. Zusätzlich sorgen noch die zulässigen Toleranzen der Sekundärspannungen von ±5 Prozent für erhebliche Abweichungen der tatsächlichen Leistungsaufnahme von den Datenblatt-Werten.

Bei sorgfältiger Konfiguration müsste für ein sparsames System schon ein 200-Watt-Netzteil ausreichen, doch zum stabilen Betrieb sollten Bastler vielleicht eher zu einem mit 250 Watt greifen. Für einen typischen Pentium-4- oder Athlon-64-Rechner mit einer CPU um 3 GHz/3000+ und einer Mittelklasse-Grafikkarte dürfte ein 350-Watt-Netzteil ausreichen, wenn man keine extremen Aufrüstpläne hegt. Ein High-End-System mit zwei Grafikkarten im SLI-Team, 32 RAM-Chips mit insgesamt 2 GByte Kapazität, zwei optischen Laufwerken und vier Festplatten im RAID-Verbund könnte unter extremen Lastbedingungen auch ein 450-Watt-Netzteil an seine Grenzen bringen. (ciw)