NSA-Ausschuss: Spionageabwehr nicht für Merkel-Handy und Glasfaserzugriffe zuständig

Die deutsche Spionageabwehr fühlt sich bei der massenhaften Datenausleitung des britischen Geheimdienstes nicht zuständig, sagte ein Verfassungsschützer im Untersuchungsausschuss – das gelte auch für Merkels Handy.

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Abhörsicheres Blackberry-Smartphone

(Bild: dpa, Julian Stratenschulte/Archiv)

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Die Spionageabwehr des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) fühlt sich für den Großteil der von Edward Snowden enthüllten Überwachungspraktiken der NSA und ihrer Partnerdienste nicht zuständig. "Es gibt eine Reihe von Bereichen, wo wir keine Handlungsmöglichkeiten für uns sehen", meinte Frank Wingerath, einstiger Leiter der inzwischen beendeten Arbeitsgruppe "Sonderauswertung Technische Aufklärung durch ausländische Dienste" (SAW) der Behörde am Donnerstag im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Dabei gehe es um Spionagetätigkeiten außerhalb des Territoriums der Bundesrepublik, die auch keine Wirkung im Inland entfalteten.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Das Tempora-Programm etwa, mit dem das britische GCHQ im großen Maßstab Internetdaten einschließlich deutscher Kommunikation aus Überseekabeln ableitet, "ist keine Spionageabwehr für uns", brachte der Soziologe ein Beispiel. Dies gelte auch für das Prism-Projekt der NSA. Die SAW, die gezielt im Sommer 2013 eingesetzt worden sei, um die Snowden-Enthüllungen abzuklären, habe zwar festgestellt, dass es auf diesem Weg "für technisch stark ausgerüstete Dienste sehr gut und relativ leicht möglich ist, sehr, sehr viele Daten zu erfassen". Die Staatsschützer könnten aber "nichts dagegen tun".

Selbst wenn sich jemand auf ein Dach einer ausländischen Botschaft stelle und mit einer Richtfunkantenne Telekommunikation abhöre, hat das BfV Wingerath zufolge nur "gegebenenfalls eine Teilzuständigkeit", wenn es sich um einen Mit- oder Zuarbeiter eines Geheimdienst handele, der für eine "fremde Macht" tätig sei. Für den allgemeinen Kommunikationsschutz der Bundesbürger müsste das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zuständig sein.

Die Aufklärung der Vorwürfe, dass die NSA auch das Handy von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) abhörte, sei in die Hände des Bundesnachrichtendiensts (BND) und des BSI gelegt worden, führte der Beamte aus. Die Behauptungen seien aber plausibel. Das entsprechende Datenblatt sei der Spionageabwehr übermittelt worden. Es gebe zudem eine "gewisse Wahrscheinlichkeit, dass es nicht nur um das Kanzlerinnen-Handy geht)". Einschlägige Wikileaks-Papiere habe er aber "nicht vor Augen".

Berichte, dass die NSA aus der US-Botschaft in Berlin und dem Generalkonsulat in Frankfurt mit einem "Special Collection Service" (SCS) insbesondere die Mobiltelekommunikation im Regierungs- beziehungsweise im Bankenviertel generell auffange, hat das BfV laut Wingerath überprüft.

Auf Weisung des Bundesinnenministeriums sei es dabei etwa zu dem "Umflug" des Generalkonsulats mit einem Hubschrauber der Bundespolizei gekommen, der zu Reaktionen "eher politischer Natur" geführt habe. "Beweise im eigentlichen Sinne" für die These, dass die US-Amerikaner mit speziellen Antennenaufbauten spionierten, hätten sich nicht ergeben, konstatierte der Spezialist.

Mit der Operation Eikonal, über die der BND für die NSA Inhalts- und Metadaten von einem Knotenpunkt der Deutschen Telekom in Frankfurt abfischte, habe sich die Arbeitsgruppe "nicht beschäftigt", räumte Wingerath ein. Er gehe auch davon aus, dass trotz der im Ausschuss aufgetauchten Zweifel "die Übermittlung nach Recht und Gesetz verläuft". Dass der BND rechtswidrige Selektoren der NSA bei Eikonal und der Satellitenüberwachung am Horchposten Bad Aibling mit einspielte, könne er nicht beurteilen: "Ich weiß nicht genau, was da gelaufen ist."

Über Details der Erkenntnisse der 19-köpfigen SAW wollte der Zeuge nur nicht-öffentlich aussagen. Letztlich habe man eine "Plausibilitätsprüfung" gemacht, ob die durch den "Innentäter" Snowden bekannt gewordenen Praktiken zur Massenüberwachung überhaupt sein könnten. Als problematisch habe sich erwiesen, "dass wir nie das Originalmaterial hatten". Maaßen habe sogar den Spiegel angeschrieben mit der Bitte, die Dokumente zugänglich zu machen, was "leider abgelehnt wurde". (vbr)