Berliner Erklärung: Scharfe Kritik an Überwachungsplänen der Union

Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff sowie Vertreter der Internetwirtschaft und der Opposition betrachten das "Sicherheitspaket" der Innenminister als eine Bankrotterklärung des Rechtsstaats.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 168 Kommentare lesen
Datenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff

Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Andrea Voßhoff.

(Bild: dpa, Hannibal Hanschke/Archiv)

Lesezeit: 2 Min.

Die Berliner Erklärung, mit der die Innenminister von Bund und Länder aus den Reihen von CDU und CSU am Freitag für eine stärkere Überwachung der Bürger im Kampf gegen Terror und Kriminalität warben, stößt auch in den eigenen Reihen auf Widerstand. "Wenn wir unsere Grundrechte, das heißt auch den Datenschutz, verfassungswidrig einschränken, verlieren wir das, was unsere Demokratie auszeichnet", betont die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff (CDU). "Dann hätten die Feinde der Demokratie ihr Ziel erreicht."

Datenschutz sei ein Wesenselement des demokratischen Rechtsstaats, erinnert Voßhoff. Das Bundesverfassungsgericht habe dieses Grundrecht geprägt und mehrfach betont, dass bei heimlichen Eingriffen aus Sicherheitsgründen eine effektive Aufsicht und Kontrolle wichtig sei. Bürger könnten durch die Aufnahme in eine Datei erheblich belastet werden. "Unbescholtene Bürger dürfen nicht in den Fokus der Sicherheitsbehörden geraten", betont Voßhoff und verweist auf die Kontrollfunktion der Datenschutzbeauftragten. "Anderenfalls wären die Maßnahmen der Sicherheitsbehörden verfassungswidrig."

Die konservativen Innenminister haben sich in der Erklärung unter anderem dafür ausgesprochen, die Vorratsdatenspeicherung und die Videoüberwachung umfassend auszudehnen sowie die Fahndung in sozialen Medien und im "Darknet" auszubauen. Polizei und Geheimdienste sollen dem Papier nach auch Verdächtige mit Staatstrojanern verstärkt ausforschen dürfen.

Für Oliver Süme, Vorstand Politik und Recht beim Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco), zeigen die Forderungen, dass die Innenexperten "wesentliche Grund- und Freiheitsrechte offenbar komplett aus den Augen verloren haben". Das 2015 beschlossene und noch nicht umgesetzte Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung sei schon in seiner aktuellen Form ein rechtswidriger Eingriff in die unternehmerische Freiheit der Provider und verstoße gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, ohne die Sicherheitslage grundlegend zu verbessern. Die falsche Maßnahme werde auch durch häufiges Wiederholen nicht richtiger.

Jan Korte, Vize der Bundestagsfraktion der Linken, monierte, dass "im Windschatten einer Pseudo-Debatte um Teil- oder Vollverschleierung" die Überwachungsgesellschaft "massiv ausgebaut werden soll". Die CDU/CSU-Minister seien in einen "Law-and-Order-Rausch" verfallen, plädierten für die "Totalausspähung in den sozialen Medien" und wollten das Vorhaben, einige tausend bei der Polizei eingesparte Stellen wiederzubeleben, als Großtat verkaufen. Der grüne Fraktionsvize Konstantin von Notz hatte zuvor vor allem Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vorgeworfen, rote Linien zulasten der Bürgerrechte verschieben zu wollen. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) wertete den Maßnahmenkatalog als "Versäumnisprotokoll" und warnte davor, Vertrauen in die Ordnungshüter zu zerstören. (vbr)