EU-Kommissionspräsident Juncker schlägt Investitionsplan gegen EU-Krise vor

EU-Kommissionspräsident Juncker vermisst den Willen zur Gemeinsamkeit in der EU. Vor dem Europaparlament zündet er ein Feuerwerk von Vorschlägen, um das Projekt Europa wieder in Schwung zu bringen.

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EU-Kommissionspräsident Juncker schlägt Investitionsplan gegen EU-Krise vor

Jean-Claude Juncker

(Bild: EU-Kommission, Archiv)

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Mehr als 600 Milliarden Euro an Investitionen, ein gemeinsamer Grenzschutz, freies WLAN an öffentlichen Plätzen: Mit einem Bündel konkreter Vorschläge stemmt sich Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gegen die tiefe Sinnkrise der Europäischen Union. In einer Grundsatzrede mahnte er am Mittwoch die derzeit noch 28 Staaten zur Gemeinsamkeit und zur Verteidigung europäischer Werte. "Die Europäische Union ist derzeit nicht in Topform", sagte Juncker im Europaparlament in Straßburg.

Juncker schlägt vor, bis 2020 die wichtigsten öffentlichen Orte "jedes europäischen Dorfes und jeder europäischen Stadt" mit kostenlosem WLAN-Internetzugang auszustatten. Zum Thema Urheberrecht sagte er, Journalisten, Verlage und Urheber sollten eine "faire Vergütung für ihre Arbeit erhalten". Dabei dürfe es keine Rolle spielen, ob ein Werk offline oder online verbreitet wird, ob es über einen Drucker vervielfältigt oder zu kommerziellen Zwecken ins Netz gestellt wird.

In Europa spiele der Schutz der Privatsphäre eine Rolle. "Das ist eine Frage der Menschenwürde", sagte Juncker. "Europäer möchten keine Drohnen, die über ihre Köpfe kreisen und jede ihrer Bewegungen aufzeichnen oder Unternehmen, die alle ihre Mausklicks speichern."

Die Digitalisierung Europas will Juncker unter anderem mit dem raschen Ausbau des superschnellen mobilen Internets 5G vorantreiben. Bis 2025 soll es überall in der EU verfügbar sein. Davon verspricht er sich bis zu zwei Millionen zusätzliche Jobs.

Hintergrund der nach Junckers Worten "in Teilen existenziellen Krise" ist das Votum der Briten im Juni für ein Ausscheiden aus der EU und der Dauerstreit in der Gemeinschaft. Die EU-Staaten sind uneins, wie Wirtschaftsflaute, Flüchtlingskrise und Terrorgefahr zu überwinden sind. Zu jeder der Dauerbaustellen machte Juncker nun Vorschläge.

Um die Konjunktur zu stärken und Jobs zu schaffen, will er sein 2014 begonnenes Investitionsprogramm verdoppeln: Statt 315 Milliarden Euro binnen drei Jahren sollen mit dem sogenannten Juncker-Plan nun in der doppelten Zeit 630 Milliarden erreicht werden.

Juncker machte sich für Freihandel als Jobmotor stark, auch für das umstrittene Abkommen Ceta mit Kanada. Es sei das "beste und fortschrittlichste" Handelsabkommen, das die EU je abgeschlossen habe. Nachverhandlungen schloss er aus. "Die Garantien, die wir brauchen, können in den Parlamenten präzisiert und ausverhandelt werden", sagte Juncker.

Wegen der Verunsicherung vieler Europäer nach der Flüchtlingskrise mahnte Juncker den raschen Aufbau eines gemeinsamen Grenz- und Küstenschutzes an. Konkret sollen bereits ab Oktober 200 zusätzliche Beamte aus Europa Bulgarien bei der Sicherung der Grenze zur Türkei helfen. Darüber hinaus soll es auch in Europa – ähnlich wie in den USA – ein Registrierungssystem für Einreisende geben, um alle Bewegungen lückenlos zu erfassen und Daten mit Terrordatenbanken abzugleichen. Diese sollen nach Junckers Worten zusammengeführt werden, um den Informationsaustausch zu erleichtern und Terroristen aufzuspüren.

Die EU sollte aus Junckers Sicht ihre Außenpolitik stärken und als erstes konkret eine Initiative für Syrien starten. Zudem soll ein Investitionsplan für Afrika und andere Herkunftsregionen von Flüchtlingen 44 Milliarden Euro mobilisieren und Fluchtursachen bekämpfen. Der Kommissionspräsident stellte sich zudem hinter Pläne für eine engere Verteidigungszusammenarbeit mit einem gemeinsamen EU-Hauptquartier für militärische und zivile Missionen. (mit Material der dpa) / (anw)