NSA-Ausschuss: BND-Pannen beim Stopp des "Ausspähens von Freunden"

Die epochale Anordnung der BND-Spitze, EU- und Nato-Stellen nicht weiter zu bespitzeln, ging am entscheidenden Horchposten Bad Aibling schier unter, in der Außenstelle Rheinhausen kam sie Monate später an als geplant.

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NSA-Ausschuss: BND-Pannen beim Stopp des "Ausspähens von Freunden"

(Bild: dpa, Andreas Gebert)

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Inhaltsverzeichnis

Die einschneidende Weisung des Ex-Chefs des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, Institutionen etwa der EU oder der Nato nicht weiter auszuspähen, wurde in Außenstellen der Behörde nicht reibungslos vollzogen. So konnte sich der unter R. U. firmierende frühere Leiter des für die Kooperation mit der NSA zentralen Horchpostens Bad Aibling am Donnerstag in seiner dritten Vernehmung im NSA-Untersuchungsausschuss gar nicht mehr daran erinnern, wann genau und ihn wie die Anordnung im Oktober 2013 erreichte.

Nach wiederholten Nachfragen der erstaunten Abgeordneten brachte der Zeuge noch zusammen, dass eine "einmalige Weisung" vom einstigen BND-Unterabteilungsleiter D. B. gekommen sei. Diese habe sich auf die illegitimen NSA-Selektoren bezogen. Ob die Anordnung, die kritischen Suchmerkmale zu deaktivieren, per E-Mail, schriftlich oder mündlich bei ihm eingegangen sei, konnte er nicht sagen. "Irgendwann" sei dazu auch ein Papier gekommen, dämmerte es dem 47-Jährigen. Ob es sich dabei um einen frühen Entwurf von D. B. oder die offizielle Schindler-Ansage gehandelt habe, wusste er nicht mehr.

Die Weisung und die folgenden exekutiven Schritte seien in Bad Aibling nicht schriftlich festgehalten worden, räumte R. U. ein. Das sei nicht vorgeschrieben gewesen. An den Inhalt konnte er sich nur grob erinnern. Trotzdem versicherte der Beamte, dass die Anordnung "natürlich umgesetzt" worden sei. Dies habe er zwar nicht kontrolliert, aber er hätte nie entdeckt, dass eine Ansage von oben "nicht ausgeführt wurde". Vor Ort arbeiteten "sehr verantwortungsvolle Menschen". Eine spätere zweite Weisung zu den faulen BND-Selektoren hatte laut R. U. der Ex-Chef der Abteilung Technische Aufklärung, Hartmut Pauland, unterschrieben.

Die Ansagen sollten dem Motto von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gerecht werden, dass Ausspähen unter Freunden gar nicht gehe. Ein Anruf aus dem Kanzleramt sei aber nie gekommen, berichtete der mittlerweile in der BND-Zentrale in Pullach untergekommene Sachgebietsleiter. Auch aus einer dortigen "angespannten" Sitzung mit dem Chef der Regierungszentrale, Peter Altmaier (CDU), sei er "nicht mit einem konkreten Auftrag herausgegangen". Insgesamt seien ihm keine weiteren "konkreten Konsequenzen" aus der Selektorenaffäre in Bezug auf Bad Aibling bekannt.

Dass die zentralen Anordnungen für ihn kein großes Ding gewesen seien, versuchte R. U. damit zu erklären, dass von Juni 2013 an bis zu seinem Ausscheiden aus der Dienststelle im Oktober 2015 "Weisungen im Stundentakt" bei ihm eingetrudelt seien. Sein E-Mail-Fach sei damals ständig "dick rot" gefüllt mit Aufträgen gewesen, bei denen teils schon im Betreff fünfmal "Eilt!" gestanden habe. Das Snowden-Portfolio abzuarbeiten sei oberste Priorität gewesen, die eigentliche Aufklärungsarbeit habe demgegenüber teils vernachlässigt werden müssen.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Die NSA-Zielmerkmale und die BND-eigenen Selektoren kamen dem Dauerzeugen nach zum Großteil aus der Zentrale. Es habe aber "auch für unsere Mitarbeiter" die Möglichkeit gegeben, selbst Suchmerkmale zu generieren und so "neue Ziele zu detektieren". Die Weisungen hätten daher "schon Sinn gemacht", zumal es nur in Bad Aibling möglich gewesen sei, NSA-Selektoren einzustellen oder "rauszunehmen". Ob seine Untergebenen in der Lage gewesen seien, derartige Zielvorgaben komplett zu löschen, vermochte R. U. nicht zu sagen. Die Technik für die Datenbank "kommt von der NSA", konstatierte er. Sie gehöre mittlerweile aber dem BND und werde unter dessen Hoheit betrieben.

Ihm sei kein Fall im Gedächtnis geblieben, in dem aus dem Horchposten heraus "Freunde bewusst gesteuert worden sind", gab der Agent zu Protokoll. Es sei um Kommunikation in Krisengebieten gegangen, keine innereuropäischen Strecken. "Lügen Sie uns hier an?", wollte der Grüne Konstantin von Notz daraufhin wissen. Im Prüfbericht der Bundesdatenschutzbehörde zu Bad Aibling stehe genau das Gegenteil. Das habe ihn auch überrascht, meinte R. U. Um dies aufzuklären, müsste er erst "mit Leuten in der Dienststelle sprechen".

Eine Panne rund um die kritische Anordnung meldete auch der Leiter der BND-Niederlassung Rheinhausen, der als T. P. auftrat. Er wusste zwar genau, dass die Weisung Paulands zu den eigenen Selektoren der Behörde im April 2014 schriftlich erging. Es habe aber bis Juni gedauert, bis diese "bei uns war". Das Schreiben sei über ein internes System versandt worden, bei dem Rheinhausen nicht auf dem Verteiler gewesen oder vergessen worden sei, erläuterte der Soldat. Dies sei aber nicht tragisch gewesen, da der frühere Weisungsentwurf von D. B. bekannt war und die umstrittenen Suchmerkmale schon in vorauseilendem Gehorsam deaktiviert wurden. R. U. hatte zuvor erklärt, dass ihm ein vergleichbarer Schritt nicht in den Sinn gekommen sei.

Im Gegensatz zu Bad Aibling seien am Rhein alle Vorschriften und Anordnungen schwarz auf weiß festgehalten worden, setzte sich der 52-Jährige weiter von seinem Kollegen ab. Die Devise habe gelautet: "Wenn etwas länger anhalten soll: schriftlich, mündlich geht da net." Sonst könnten neue Mitarbeiter auch nur schwer ins Bild gesetzt werden über einschlägige Regeln. (anw)