Bundestagskommission: Es fehlt der Kompass für Künstliche Intelligenz

Die Bundesbürger sind sich noch nicht sicher, in welche Richtung sich die Gesellschaft mit lernenden Maschinen entwickelt. Experten fordern eine Wertedebatte.

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Bundestagskommission: Es fehlt der Kompass für Künstliche Intelligenz

(Bild: whiteMocca/Shutterstock.com)

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Die Bevölkerung ist sich noch weitgehend unsicher, was Künstliche Intelligenz (KI) mit sich bringen könnte. "Es existiert noch kein richtiger Kompass, wo es mit KI hingeht", erklärte Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin der Initiative D21, am Montag in einer öffentlichen Sitzungsrunde der Enquete-Kommission "Künstliche Intelligenz – Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche, soziale und ökologische Potenziale" des Bundestags. Sie riet dem Gesetzgeber daher, sich bei einem Rahmen für die Schlüsseltechnik "an Werten" zu orientieren, um auch gut gegenüber der Gesellschaft argumentieren zu können.

Laut der aktuellen Studie zum digitalen Lagebild der Republik der Initiative D21, einem Netzwerk aus Wirtschaft und Politik, geben 52 Prozent der Bundesbürger an, den Begriff Künstliche Intelligenz zu verstehen und erklären zu können. Beim genaueren Hinschauen treffe dies aber nur auf die überschaubare Gruppe der "digitalen Vorreiter" zu, erläuterte Müller. Nur 34 Prozent wüssten, dass es darum gehe, einen Computer so zu bauen oder zu programmieren, dass er eigenständig Probleme bearbeiten könne.

"Es gibt noch kein durchgehendes Verständnis des Begriffes", konstatierte Müller. Wenn die Bevölkerung gefragt werde, fühle sich ein Großteil etwa noch unwohl mit einem digitalem Assistenten zu Hause. Viele Bedenken gebe es auch gegenüber der Kooperation mit einem Roboter am Arbeitsplatz. 39 Prozent wünschten sich zumindest für zuhause einen Assistenten, der "gehorsam" sei. Bei einem heimischen Roboter dränge eher der Wunsch in den Vordergrund, sich auch geborgen zu fühlen.

Es gelte, in eine künftige KI-Ethik Werte wie Gleichstellung und Diskriminierungsfreiheit genauso einzubringen wie Empathie oder Nächstenliebe, folgerte Müller. Widerstreitende Einschätzungen seien nicht ausgeschlossen etwa in Fragen der inneren Sicherheit und der Freiheit des Einzelnen oder zwischen der Gemeinheit und Individuen sowie Unternehmen und ihrer Kundschaft. Individuelle Krankenkassentarife etwa könnten langfristig das Solidaritätsprinzip in Gefahr bringen. In solchen Entscheidungsfeldern müsse daher bestmöglich abgewogen werden.

Für Susanne Dehmel vom IT-Branchenverband Bitkom gestaltet sich das Bild, das sich die Gesellschaft von KI macht, derweil bereits schon klarer. In einer vom Bitkom im November veröffentlichten repräsentativen Umfrage hätten nur noch zwölf Prozent der Bundesbürger angegeben, noch nie etwas von dem Begriff gehört zu haben. Vor einem Jahr sei die Zahl noch fast doppelt so hoch gewesen. 62 Prozent hielten die Technik vor allem für eine Chance, 35 Prozent für eine Gefahr.

Im Jahr zuvor sei die allgemeine Skepsis hier noch größer gewesen, berichtete Dehmel. Dies hänge eventuell auch damit zusammen, dass es erste KI-Anwendungen in den Alltag eingezogen seien. So habe schon jeder zweite Befragte digitale Sprachassistenten auf dem Smartphone genutzt. Drei von fünf Befragten würden KI gern bei der Polizei im Einsatz sehen, noch etwas mehr zur digitalen Unterstützung von Verwaltungsmitarbeitern in Behörden.

Überwiegend als ungeeignet werde die Technik bei der Betreuung von Kleinkindern, im Beziehungsleben oder in der Schule angesehen, sagte Dehmel. Die Mehrheit der Deutschen sei auch bei Verwendungen im militärischen Bereich oder am Gericht skeptisch. Jeder zweite teile die Ansicht: Wer KI kontrolliere, steuere auch die Menschen. International verbindliche Abkommen zu der Technik wünschten sich 72 Prozent. (anw)