Gesichtserkennung hat ungeahnte Folgen

Automatische Gesichtserkennung könnte ungeahnte Folgen haben und Menschen erheblich einschränken. US-Bürgerrechtler fordern deutliche Normen.

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Zeichnung einer gesichtslosen Frau mir Dreiecken in der Gesichtspartie

(Bild: gemeinfrei)

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Immer mehr Unternehmen und Behörden setzen automatische Gesichtserkennung ein. Welche Erkennungsverlässlichkeit sie dabei hinnehmen und was sie mit (angeblichen) Treffern machen, ist weder transparent noch klar geregelt. Und die Lieferanten der Erkennungstechnik mischen sich nicht ein. US-Bürgerrechtler fordern verbindliche Vorschriften.

Eine US-Ladenkette sucht bereits automatisch nach Personen, die in irgend einer Filiale des Ladendiebstahls beschuldigt wurden, wie Cnet berichtet. Meldet das Kamerasystem einen Treffer, werden Sicherheitskräfte alarmiert. Auf eine Verurteilung der Person kommt es nicht an, zudem kann es sich um einen Fehlalarm handeln.

Der Systemlieferant bietet schon ein Cloudsystem an, über das verschiedene Unternehmen ihre schwarzen Listen mit Gesichtern Verdächtiger miteinander teilen könnten. Wer einmal auf einer solchen Liste landet, könnte bald erhebliche Schwierigkeiten beim täglichen Einkauf bekommen. Zudem können auch Unverdächtige später in unabsehbarer Weise ausgewertet werden: Manche Systeme rastern und speichern grundsätzlich jedes Gesicht, das sie vor die Linse bekommen.

Außerdem wächst die Zahl der Unternehmen, die ihre Überwachungssysteme für Live-Zugriff der Polizei öffnen – und ihr automatisch bestimmte Treffer melden, selbst wenn die (angeblich) erkannte Person nichts falsch macht. Würde die Polizei selbst überwachen, bräuchte sie einen Anlass und häufig einen Gerichtsbeschluss. Diese Schranken kann sie umgehen, wenn sie auf Kameras und Gesichtserkennung Privater zugreift. Auch an US-Grenzen gibt es immer mehr Gesichtserkennung, und selbst dort ist nicht geregelt, wie hoch die Erkennungssicherheit sein muss, bevor ein gemeldeter Treffer als zuverlässig akzeptiert werden darf.

"Wenn wir diese Technik nicht wirklich einschränkten, laufen wir Gefahr, unsere alltägliche Freiheit zu verlieren – uns anonym fortzubewegen, ohne verfolgt und identifiziert zu werden", sagte Neema Singh Guliani, Anwalt der Bürgerrechtsorganisation ACLU (American Civil Liberties Union) zu Cnet. Jennifer Lynch von der Electronic Frontier Foundation (EFF) hofft, dass die Technik reguliert wird, "bevor sie in unserem Alltag eingebettet ist."

Mit Vorschriften alleine ist es aber nicht getan. In der EU untersagt die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Artikel 9 Absatz 1 die Verarbeitung "biometrischer Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person", gewährt aber sogleich in Absatz 2 eine lange Reihe von Ausnahmen.

Ein Teil davon bedarf der Umsetzung in nationales Recht, das dann regelmäßig unbestimmte Begriffe verwendet. Wer die üppige Ausstattung der Datenschutzbehörden mit Personal und Sachmitteln kennt, kann sich ausmalen, wie strikt Schutzvorschriften durchgesetzt werden. (ds)