Österreich: E-Mail im Spam-Ordner gilt als zugegangen

Rechtlich relevante Unterlagen gelten auch dann als empfangen, wenn sie im Spam-Ordner landen. Das hält der Oberste Gerichtshof in Wien fest.

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Eingang zum Obersten Gerichtshof in Wien

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 2 Min.

Wer zu erkennen gibt, per E-Mail erreichbar zu sein, muss auch den Spam-Ordner überprüfen. Andernfalls könnte er relevante Mitteilungen verpassen, die dennoch rechtliche Wirkung entfalten. "Allgemein reicht es aus, wenn eine Willenserklärung in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist, selbst wenn sie dieser persönlich nicht erhalten hat; es genügt, dass der Adressat die Möglichkeit hatte, die Erklärung zur Kenntnis zu nehmen", hält der Oberste Gerichtshof Österreichs (OGH) in einer aktuellen Entscheidung (3 Ob 224/18i) fest.

Anlass war ein Streit über eine Immobilienmaklerprovision. Ein Ehepaar, das sich für ein per Inserat beworbenes Haus interessierte, hatte den Makler am 18. August 2016 telefonisch kontaktiert und um Übermittlung von Unterlagen per E-Mail ersucht. Das E-Mail des Maklers landete aber im Spam-Ordner. Der Verbraucher sah es dort nicht und bat erneut um die Unterlagen, die ebenfalls fälschlich als Spam aussortiert wurden.

Beide Mitteilungen enthielten auch eine Belehrung über das Recht auf den Rücktritt vom Maklervertrag: Verbraucher können außerhalb von Geschäftsräumlichkeiten geschlossene Verträge mit Unternehmern (so genannter Fernabsatz) binnen 14 Tagen ohne Angaben von Gründen kündigen (mit Ausnahmen, die hier keine Rolle spielen). Die Frist beginnt zu laufen, wenn der Unternehmer den Verbraucher über sein Rücktrittsrecht aufgeklärt hat.

Das Problem mit den falsch aussortierten E-Mails wurde erst beim ersten persönlichen Treffen mit dem Makler, bei einer Hausbesichtigung am 2. September, gelöst. Das Ehepaar kaufte schließlich das Haus, erklärte am 16. September jedoch den Rücktritt vom Maklervertrag und zahlte keine Maklerprovision. Der Makler ging vor Gericht und hat in zweiter und dritter Instanz Recht bekommen.

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Denn die 14-Tage-Frist hatte bereits im August zu laufen begonnen, als die E-Mails beim Verbraucher eingelangt waren und er sie hätte abrufen können. Damit kam die Rücktrittserklärung am 16. September zu spät. Dass der Mann seinen Spam-Order nicht überprüft hat, ist sein Problem; er hatte um die E-Mails gebeten und dann die faktische Möglichkeit, sie zu lesen.

Der denkbare Sonderfall, E-Mails absichtlich mit Spam-Merkmalen zu versehen, um sie im Spam-Ordner des Empfänger zu "verstecken", wird von der Entscheidung nicht erörtert. Solch böswilliges Vorgehen war nicht unterstellt worden. (ds)