Programme und Positionen zur Europawahl 2019: Die Linke

Telekommunikationsnetze vergesellschaften, ein "FairBnB" schaffen und das Bitcoin-Schürfen verbieten. Die Linke hat einiges vor.

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Programme und Positionen zur Europawahl 2019: Die Linke

(Bild: Markus Gann/Shutterstock.com/Etereuti/Montage: heise online)

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Inhaltsverzeichnis

Schon im Titel ihres Wahlprogramms für die Europawahl 2019 gibt sich "Die Linke" kämpferischer als die meisten anderen hiesigen Parteien: "Für ein solidarisches Europa der Millionen, gegen eine Europäische Union der Millionäre" will sie antreten. Sie will der als Wirtschaftsbund gestarteten Staatengemeinschaft vor allem einen sozialeren Anstrich verpassen. Darin wachsen sollen "nicht Ungleichheit und Ausbeutung", sondern der Zusammenhalt. Unternehmen und Reiche sollen sich nicht länger vor der Finanzierung des Gemeinwohls drücken können, alle sich "an die Regeln einer solidarischen Gesellschaft halten".

Die Programme der Parteien zur EU-Wahl

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Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament am 26. Mai 2019 geht es auch um Digitalthemen. Wir stellen die Positionen und Programme der aussichtsreichen Parteien in einer Serie vor.

Antreten will die Linke "für ein Europa, in dem Demokratie nicht dem Markt untergeordnet wird". Die Menschen sollen gemeinsam entscheiden, "wie sie leben und was sie herstellen wollen". Die EU soll auch "ökologisch gerecht" sein, "unser Klima nicht den Profitinteressen einiger Weniger geopfert" werden. Alle müssten mit den Lebensgrundlagen so umgehen, "dass wir – und die Menschen überall auf der Welt – gut und gesund leben können". Letztlich müsse der Verbund durch einen Neustart "zu einer tatsächlich demokratischen, inklusiven, sozialen, ökologischen und friedlichen Union werden".

Generell plant die Linke, die eine diverse Europaliste ohne sonderlich prominente Spitzenkandidaten ins Rennen schickt, "das Öffentliche" zu stärken und Europa "nicht den Rechten und nicht den Neoliberalen" zu überlassen. Der Kapitalismus werde immer mehr zur Gefahr für die Demokratie. Deshalb brauche es "eine neue Erzählung von Europa". Progressive linke Politik bedeute: "Mehr Europa wagen!"

Den Fahrplan für die nächsten fünf Jahre gibt es online in verschiedensten Formen zu lesen oder zu hören, die von einer Webversion als HTML über ein PDF oder EPUB bis zu MP3 reichen. Dazu kommen Fassungen in "einfacher" und "leichter Sprache" sowie in Gebärdensprache mit Videos.

Die Linke fordert eine Digitalisierungsstrategie in Europa, die "bis hinein in jede einzelne Kommune" reicht. Die aktuelle EU-Agenda in diesem Bereich tauge nichts, da sie "ausschließlich auf den europäischen Binnenmarkt fixiert" sei und so etwa Kürzungen bei Sozialausgaben und die De-Regulierung der Arbeitswelt verstärke.

Den Investitionsbedarf und die Herausforderungen "für eine politische Steuerung der Digitalisierung zum Wohle der Menschheit" bezeichnet die Partei als enorm. Die gesellschaftlichen Grundlagen der Digitalisierung will sie "weltweit fair geregelt" sehen. Alle müssten "denselben demokratischen Zugang zu neuen Produktionsmöglichkeiten, zu Wissen, Information und Kommunikation" haben. Deshalb fordert die Linke im Bereich Digitalpolitik generell, "dass der Dreiklang von Netzneutralität, Datenschutz und einem modernen Urheberrecht garantiert wird".

"Die digitale Souveränität aller muss gegen die Interessen der internationalen Telekommunikationsindustrie und der Tech-Giganten durchgesetzt werden", postuliert die Partei. Ein offener Zugang und "eine faire Produktion der digitalen Hardware" müssten international sichergestellt werden. Konkret drängt die Linke auf schnelles Internet "überall" und einen "flächendeckenden Ausbau des G5-Netzes", womit 5G gemeint sein dürfte. "Die Grundregeln des gleichen und freien Zugangs aller zum Internet müssen dabei gesichert sein", unterstreicht die Partei. Um die Prinzipien abzusichern, "sollen die Infrastruktur und Netze der Telekommunikation in öffentliches und gemeinwirtschaftliches Eigentum überführt werden".

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Im Interesse der "digitalen Teilhabe" dürfen dem Programm zufolge auch Dateninfrastrukturen "nicht an Tech-Konzerne verkauft werden". Auch sie gehörten "in die öffentliche Hand". Auch im digitalen Raum komme es auf "solidarische Ökonomie" an: "Plattformgenossenschaften, digitale Tauschbörsen und Civic Tech sind Antworten auf den digitalen Kapitalismus".

Die Digitalisierung dürfe auch "nicht auf dem Rücken der Beschäftigten" ausgetragen werden, konstatiert die Linke: "Wir brauchen Regulierung von Plattformarbeit, die der digitalen Prekarität etwas entgegensetzt." Man stehe daher etwa "an der Seite der Beschäftigten von Deliveroo und anderen Lieferdiensten", die "um gute Löhne, Arbeitsverträge, Gesundheitsschutz und gewerkschaftliche Vertretung kämpfen". Für Plattformen, Arbeit in der Cloud oder Crowd und für alle anderen neuen Formen von Betrieben sollten die gleichen Arbeitsstandards und Schutzrechte wie in herkömmlichen Betrieben gelten. In der EU müsse ein Rahmen für Crowdworking geschaffen werden.

In den Metropolen trieben kommerzielle Betreiber von Ferienwohnungen die Mieten zusätzlich in die Höhe, moniert die Partei. Aus vielen Stadtteilen würden Mieter so verdrängt. Dass es anders gehe, zeige etwa die Stadt Wien. Der Linken schwebt daher eine "soziale Alternative" zu Airbnb in Form eines "FairBnB" vor: eine Plattform in öffentlicher oder genossenschaftlicher Hand statt eines Konzerns, um freie Zimmer zu vergeben.

Die Linke will die Grundrechte in Europa stärken und stellt die Maxime auf: "Keine verdachtsunabhängige Datenspeicherung und kein Profiling". Die "Erhebung, Verarbeitung und das Teilen von personenbezogenen Daten in und zwischen europäischen und nationalen Behörden" müsse auf ein "nötiges Minimum" beschränkt sein und "auf eine rechtsstaatliche Basis gestellt" werden. Die Vorratsdatenspeicherung und die anlasslose Analyse von Fluggastdaten sollten daher beendet, die Betroffenenrechte gestärkt werden.

"Die EU muss sich zum Prinzip der Gewaltenteilung und der Trennung von Polizei, Geheimdiensten und Militär bekennen und dieses verteidigen", ist auf den rund 60 Seiten nachzulesen. "Die Menschen dürfen nicht Objekt staatlicher Datenausspähung werden." Die Nutzung von Sicherheitslücken für geheimdienstliche Zwecke soll weder auf EU- noch auf Länderebene möglich sein, wendet sich die Linke gegen Staatstrojaner.

Cybersicherheit bezieht die Partei vor allem auf das Grundrecht auf Vertraulichkeit und Verfügbarkeit informationstechnischer Systeme. Sie will Sicherheitszertifikate verbindlich vorschreiben, "die unabhängig von der Industrie entwickelt werden und deren Einhaltung Voraussetzung für den Zugang zum EU-Markt ist".

Zugleich müssten die Gewährleistungspflichten der Unternehmen für ihre Produkte ausgebaut werden: "Wir wollen eine klare Kennzeichnung des garantierten Sicherheitsupdates-'Mindesthaltbarkeitsdatums' eines Geräts und eine Updategarantie von mindestens drei Jahren". Nach Ablauf dieser Frist soll der Nutzer alternative Software auf der Hardware weiter verwenden können, "um unnötigen Digitalschrott zu vermeiden".

Die Entwicklung eigener, offensiver Fähigkeiten für den Cyberwar lehnt die Linke ab. Es dürften auch keine Haushaltsmittel für die Rüstungsforschung und Sicherheitsindustrie zur Verfügung gestellt werden.