Elektromobilität bei VW: Vor der E-Wende kommt die Personalschulung

VW baut sein Werk in Zwickau für Elektromobilität um. Alle 8.000 Mitarbeiter werden in Sachen E-Mobilität geschult.

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Elektromobilität bei VW: Vor der E-Wende kommt die Personalschulung

(Bild: heise online/Peter Ilg)

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Von
  • Peter Ilg
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VW baut seine Autofabrik in Zwickau zum weltweiten Leitwerk des Konzerns für Elektromobilität um. Zwei Fakten sind für den Erfolg des Projekts entscheidend. Der eine ist technisch: Basis der künftigen Elektromodelle im VW-Konzern ist der modulare E-Antriebs-Baukasten. Darauf aufbauend werden die Fahrzeuge gefertigt.

Der andere ist menschlich: Ausnahmslos alle rund 8.000 Mitarbeiter in Zwickau sollen mehr oder weniger intensiv in Elektromobilität geschult und für die neue Antriebsart motiviert werden. "In Summe wird das Zwickauer Personal bis Ende 2019 rund 13.000 Trainingstage bewältigen“, sagt Holger Naduschewski, Geschäftsführer des dafür verantwortlichen konzerneigenen Bildungsinstituts.

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In Zwickau entstand das größte Trainingscenter des VW-Konzerns, dort wurden bislang etwa 2.800 Mitarbeiter geschult. Manche im technischen Teil von Rainer Pilz, 58. Er hat schon für den Volkseigenen Betrieb VEB Sachsenring Kraftfahrzeug- und Motorenwerk Zwickau Trabbis gebaut. Nach der Wende war Pilz 20 Jahre Teamchef in der Montage, danach Teamleiter in der Qualitätsüberwachung am Ende der Linie, später Koordinator für den Arbeitsablauf in der Produktion. Im nächsten Jahr geht er in den Vorruhestand.

Er hätte es auslaufen lassen können, hat sich aber für etwas ganz Neues entschieden. "Ich habe eine Ausbildung zum Trainer durchlaufen und schule Kollegen im Trainingscenter für E-Mobilität.“ Sein Thema ist die komplette E-Technologie für den Montageprozess. Andere trainieren Mitarbeiter im Karosseriebau, wieder andere indirekte Mitarbeiter aus Serviceabteilungen.

Ein Schwerpunkt in den Schulungen von Pilz ist das Stecken von Hochvoltsteckern. "Hochvolttechnologie in Elektroautos bedeutet Sicherheitsstecken, wenn das nicht sorgfältig geschieht, kann das tödlich enden, falls jemand mit den nicht richtig sitzenden Steckern in Berührung kommt.“ Ein 12-Volt-Stecker wird gesteckt, dabei rastet er ein. Mit einer Gegenzugprobe wird getestet, ob er sitzt.

In der Hochvolttechnik können an Elektroautos Spannungen bis zu 1.000 Volt auftreten, deshalb wird eine abgesicherte Technologie verwendet: Nach dem Stecken wird die Verbindung mit einem Bügel manuell gesichert. Über den Bügel werden Stecker auch gelöst, falls das in der Montage notwendig ist oder bei Servicearbeiten in der Werkstatt. Elf Hochvoltsteckverbindungen gibt es im neuen VW ID.3. "Diese Verbindungen dürfen nur speziell ausgebildete Mitarbeiter stecken und öffnen“, sagt Pilz. Etwa 180 Montagemitarbeiter werden deshalb in Kursen mit einer Dauer von 18 Monaten zu Elektrofachkräften ausgebildet. Das Stecken von Verbindungen ist ein wesentlich neuer Arbeitsschritt in der Montage von Autos.

Patrick Hofbauer leitet den Personalumbau bei VW in Zwickau. "Die Transformation hin zur Elektromobilität erfordert Veränderungs- und Qualifizierungsbereitschaft bei den Mitarbeitern.“ Die Fertigung wird reorganisiert und Tätigkeiten werden gewechselt, um zwei Beispiele zu nennen für etwa 10.000 Personalbewegungen, die anstehen. Die fachlichen Schulungen sind das eine. „Die andere Herausforderung besteht darin, eine Unternehmenskultur für Elektromobilität zu entwickeln“, sagt Hofbauer.

Volkswagen ID.3 (10 Bilder)

(Bild: Volkswagen)

Das soll erreicht werden, indem für das neue Produkt Begeisterung erzeugt wird – etwa in Fahrevents mit Elektroautos und einer Mitarbeiterflotte der ID-Fahrzeuge. Über die App VWS 4 you liefert Volkswagen Sachsen aktuelle Informationen über Elektromobilität, zugleich dient sie als technische Plattform für den Dialog zwischen Unternehmen und Beschäftigten. Außerdem werden Veranstaltungen angeboten, bei denen vis-a-vis über Elektromobilität diskutiert wird. „Klar, dass manche Skepsis haben, wohin die Reise der Mobilität letztendlich führen wird“, sagt Trainer Pilz.

Aber die Beschäftigten würden auch spüren, dass der Konzern hinter dem Standort Zwickau steht, er Zukunft hat, weil investiert wird. "Die Mitarbeiter sind stolz und motiviert, weil Zwickau das Leitwerk für E-Mobilität im Konzern ist.“ Motivierte Menschen zu trainieren mache seine Arbeit einfacher, so Pilz. Die Kurse dauern zwischen zwei Stunden und 24 Monaten. Für die Mitarbeiter an der Linie sind sie Pflicht, die indirekt Betroffenen entscheiden selbst.

VW I.D. Crozz auf der IAA 2017 (5 Bilder)

(Bild: heise online/spo)

Martin Lehmann, 31, ist ein solcher Kandidat. Er hat Gesundheitsmanagement studiert und ist seit 2012 bei VW. Angefangen hat er in der IT. „Es ging um Ergonomie und der Analyse von Arbeitsplätzen mittels Software.“ Seit gut zwei Jahren ist er Assistent des Planungsleiters im Werk Zwickau. Lehmanns Aufgabe besteht darin, den Werksleiter bestmöglich zu unterstützten, mit Schwerpunkt Personal.

"Als Ende 2017 der Auftrag aus Wolfsburg kam, das Werk auf E-Mobilität umzubauen, war klar, dass wir dafür eine ganze Menge an qualifiziertem Personal brauchen.“ Zunächst wird intern, also Volkswagen Sachsenweit gesucht. Wird dort niemand gefunden, setzt sich die Suche konzernweit fort. "So kamen zu uns viele aus aller Welt in den planerischen und logistischen Bereich, ein Schwerpunkt darunter sind Kollegen aus Bratislava“, sagt Lehmann.

Nach der Auftragsvergabe aus der Konzernzentrale integrierte die Werksplanung mehrere hundert Kollegen aus aller Welt. Weil alles schnell gehen musste, wurden einige Bürocontainer aufgestellt, so auch für das Trainingscenter. In dem hat Lehmann am zweistündigen Grundkurs Elektromobilität freiwillig teilgenommen – aus gutem Grund: "Alles, was ich an Unterlagen für Entscheidungen vorbereite, an Daten aufbereite oder in Vorträge für meinen Vorgesetzten schreibe, hat mit Elektromobilität zu tun, weil wir in Zwickau die Zukunft der Elektromobilität planen.“ So wie Lehmann haben Kollegen von ihm auch gute Gründe an den Schulungen teilzunehmen. Die Teilnahmequote wird letztendlich 100 Prozent betragen, denn das erwartet VW Sachsen. (axk)