Internetfreiheit ade: Harte Kritik am geplanten Medienstaatsvertrag

Ein Bündnis aus Digital- und Elektroindustrie lehnt den Plan der Bundesländer zur Medienregulierung ab: sie sehen die Freiheit der Nutzer gefährdet.

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ARD und ZDF

Die Digitalwirtschaft protestiert: Bevorzugt der geplante Staatsvertrag die öffentlich-rechtlichen Medien?

(Bild: dpa, Rolf Vennenbernd)

Lesezeit: 3 Min.
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In seltener Einigkeit protestieren der Kabelverband Anga, die Digitalvereinigungen Bitkom und eco sowie der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) gemeinsam gegen den von der Rundfunkkommission überarbeiteten Entwurf für einen Medienstaatsvertrag der Länder. Das Vorhaben schränkt ihnen zufolge "die Freiheit der Nutzer ein, blockiert Innovationen und greift unverhältnismäßig in die Gestaltungsfreiheit der Anbieter von Medienplattformen ein".

Größter Stein des Anstoßes: Künftig sollen Mediendienste auf allen Plattformen für lineares Fernsehen oder Video on Demand bevorzugt auffindbar sein, die nach Auffassung der Länder besonders wichtig sind. Dabei könnte es sich vor allem um Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender handeln. Nach Ansicht der Verbände zementiert diese Vorschrift existierende Marktpositionen. Neue Anbieter, Startups oder Nischendienste hätten dabei das Nachsehen.

"Leider haben die Länder die Chance vertan, die Intensität der Plattformregulierung deutlich zu reduzieren", kritisiert Anga-Chefin Andrea Huber. "Stattdessen halten sie weiter daran fest, neue und immer restriktivere Regeln für Plattformbetreiber und Anbieter von Benutzeroberflächen zu schaffen." Die schöne bunte Welt frei wählbarer Navigationsbildschirme könnte so bald der Vergangenheit angehören, erklären die Kritiker in einem am Donnerstag auf YouTube veröffentlichten Video.

Nutzer könnten bald Dienstleistern keine generelle Einwilligung mehr erteilen, um im laufenden Programm über passende Angebote und Programme informiert zu werden, beklagt die Allianz weiter. Überblendungen und Skalierungen stünden dem Plan nach unter dem Erlaubnisvorbehalt der TV-Sender und können nur noch im Einzelfall in Eigenregie veranlasst werden. Funktionen wie Bild-in-Bild oder Split-Screen, bei denen der Nutzer zwei Programme gleichzeitig ansehen kann, sollen ohne Erlaubnis der Rundfunkanstalten gar nicht mehr zulässig sein.

Die Initiative "führt zur Bevormundung der Verbraucher", rügt Susanne Dehmel aus der Bitkom-Geschäftsleitung. "Die Autonomie von Nutzern sollte möglichst wenig eingeschränkt werden, denn sonst werden sie sich sicherlich in Zukunft gänzlich von den klassischen Angeboten abwenden", ergänzt der eco-Vorstandsvorsitzende Oliver Süme. Für Klaus Mittelbach aus der ZVEI-Spitze verlieren sich die Länder mit dem Papier "in rückwärtsgewandten, kleinteiligen Vorgaben, die den Zuschauer bevormunden und erheblich in den Wettbewerb eingreifen". Dies schade der Innovationskraft des Medien- und Wirtschaftsstandorts Deutschland.

Die Länder haben den neuen, 76-seitigen Entwurf Anfang Juli veröffentlicht und eine zweite Anhörung eingeleitet, die noch bis 9. August läuft. Bereits das erste Beteiligungsverfahren im vergangenen Jahr führte zu über 1200 Eingaben, die angesichts der anhaltenden Kritik aber offensichtlich noch nicht alle Eingang in das Vorhaben gefunden haben.

"Für uns geht es mit dem Staatsvertrag vor allem darum, kommunikative Chancengleichheit zu sichern – offline und online", betonte Heike Raab (SPD), die in der Rundfunkkommission die Medienpolitik der Länder koordiniert. Zudem müsse Deutschland bis September 2020 die EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste umsetzen. Gerade beim Jugendmedienschutz müsse es "in der globalen Welt des Internets" Regeln geben, "die unsere gemeinsamen Werte und Standards sichern".

Mit dem Medienstaatsvertrag sollen Auflagen insbesondere für meinungsrelevante "Gatekeeper" wie die Anbieter von intelligenten Lautsprechern, Suchmaschinen oder Smart-TVs sowie Kabelnetzbetreiber unter einem Dach gebündelt werden. Für sie gelten der Skizze nach künftig etwa Transparenzvorgaben und Diskriminierungsverbote. Weiter wollen die Länder den Begriff Rundfunk "zeitgemäß" anpassen, sodass etwa Angebote mit geringen Nutzerzahlen und solche, die lediglich sporadisch oder unregelmäßig stattfinden, keine Sendelizenz mehr benötigen. (vbr)