Studie: Soziale Medien könnten die Gesundheit schädigen

Lange Social-Media-Aktivitäten führen bei Jugendlichen laut einer Analyse potenziell vor allem zu weniger Schlaf und Bewegung sowie mehr Mobbingerfahrungen.

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Junge mit Kopfhörer und Smartphone

(Bild: Shutterstock/carballo)

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Wer häufig auf Instagram, Facebook, LinkedIn oder anderen sozialen Netzwerken Beiträge verfasst, kommentiert oder liked hat weniger Zeit für andere Betätigungen. Dies kann sich gerade bei Jugendlichen auch nachteilig vor allem auf die psychische und teils auch auf die physische Gesundheit auswirken, haben Forscher aus London herausgefunden. Ein hoher Social-Media-Nutzungsgrad führt ihnen zufolge oft dazu, dass Teenager weniger schlafen, sich weniger bewegen und Cyber-Mobbing stärker ausgesetzt sind.

Die Wissenschaftler wollen mit ihrer Untersuchung, die sie am Mittwoch im Fachmagazin "The Lancet Child and Adolescent Health" in einem Aufsatz vorgestellt haben, aber mit heißer Nadel gestrickten Folgerungen vorbauen. Sie betonen, dass nicht die sozialen Medien selbst einen nachteiligen Einfluss auf die Gesundheit Jugendlicher haben, sondern hinzukommende Faktoren, die durch den Einbezug in Online-Communities entstehen. Dabei stellen sie vor allem auf die drei beschriebenen indirekten Auswirkungen auf das Wohlergehen in Form wahrscheinlicher "Mediatoren" ab.

Für die Sekundäranalyse haben die Autoren einen großen, bereits bestehenden Datensatz aus Großbritannien noch einmal genau unter die Lupe genommen und auf Verbindungen hin geprüft. Die Werte stammen aus einer Längsschnittstudie anhand von Schulbefragungen in den Jahren 2013 bis 2015. Einbezogen waren Jugendliche im Alter von 12 bis 13 im ersten Jahr bis hin zu 15- bis 16-Jährigen zum Abschluss der Umfrage. In jedem Fall haben die Jugendlichen dabei die Häufigkeit ihrer Nutzung von sozialen Medien eingeschätzt, von 2014 an auch einen Fragebogen zur mentalen Gesundheit ausgefüllt sowie Angaben zu Schlafdauer, körperlicher Aktivität und Erfahrungen mit Mobbing im Internet gemacht. 2015 ging es noch um Auskünfte zum eigenen Wohlbefinden.

Bei Mädchen erkannten die Verfasser vergleichsweise einfach einen leichten Trend in den Daten: Je stärker diese auf Facebook & Co. involviert waren, desto höher war der Anteil der weiblichen Teenager, die in Tests zur psychischen Gesundheit schlechter abschnitten. Die Auswirkungen sind aber nicht sonderlich groß: Mädchen, die viele Male am Tag soziale Medien nutzen, hatten eine 1,3-fach erhöhte Chance in dem Fragebogen zur mentalen Gesundheit schlechter abzuschneiden als solche, die sich nur einmal am Tag in den Netzwerken betätigten.

Bei Jungen besteht derweil in der Extremgruppe der Social-Media-Nutzer eine 1,67-fache gestiegene Chance, in der psychischen Gesundheit eingeschränkt zu sein. Die drei wesentlichen vermittelnden Faktoren können bei ihnen weniger häufig in Betracht gezogen werden als bei der weiblichen Vergleichsgruppe.

Andere Forscher bewerten die Ergebnisse und die Herangehensweise des Teams sehr unterschiedlich: Die Arbeit mache klar, "dass die reine Quantität der Nutzung sozialer Medien kein guter Prädiktor für Indikatoren psychologischer Gesundheit" sei, meint Johannes Breuer vom Datenarchiv für Sozialwissenschaften in Köln: Vielmehr komme es darauf an, "wie die sozialen Medien genutzt werden und welchen Einfluss sie auf andere Lebensbereiche – zum Beispiel Schlaf oder Freizeitgestaltung – haben".

Zu den methodischen Stärken der Studie zählt Breuer die ihr zugrundeliegende repräsentative Stichprobe sowie das Längsschnitt-Design. Mögliche Vorsichtsmaßnahmen sieht er weniger in fixen Zeitbudgets oder pauschalen Verboten von Geräten und Anwendungen. Eltern sollten besser "mehr auf konkrete Qualitäten oder Arten der Nutzung eingehen". So sei es im Interesse einer besseren Schlafqualität etwa sinnvoll, den Zugriff auf soziale Netzwerke abends und nachts im Bett einzuschränken.

"Ein grundsätzliches Verbot von Social-Media-Angeboten ist weder angemessen noch sinnvoll", ergänzt Claudia Lampert vom Leibniz-Institut für Medienforschung. Eltern sollten aber darauf achten, "dass die Nutzung sozialer Medien in einem ausgewogenen Verhältnis zu anderen Aktivitäten wie Sport" oder sonstigen Hobbies stehe. Digitale Medien könnten sonst "negativ verstärkend wirken".

Nicht davon überzeugt, "dass diese Ergebnisse auf einen direkten oder indirekten Zusammenhang zwischen sozialen Medien und psychischer Gesundheit hinweisen", zeigt sich Christopher Ferguson, Professor für Psychologie an der US-amerikanischen Stetson University. Die gefundenen Effekte seien so schwach, dass sie wahrscheinlich auf methodische Störungen zurückzuführen seien. Leider korreliere bei großen Stichproben fast alles mit jedem. Die Studie biete so keine solide Grundlage für politische Entscheidungen.

"Dass entschlossen gegen Bullying – offline wie online – vorgegangen werden muss, Jugendliche ausreichend Schlaf bekommen und sich körperlich betätigen sollen, sagt uns selbstverständlich der gesunde Menschenverstand", unterstreicht Malte Elson, Leiter der Forschungsgruppe Psychologie der Mensch-Technik-Interaktion an der Ruhr-Universität Bochum. "Gespräche über diese Themen gab es schon am Familientisch weit vor Instagram, Smartphones oder dem Internet." Auch er sieht es daher als verfrüht an, aus den Resultaten Präventionsmaßnahmen für soziale Netzwerke abzuleiten. (jk)