Leak zur Kennzeichenüberwachung: LKA Brandenburg ermittelt wegen Geheimnisverrat

Die Polizei Brandenburg hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, nachdem eine kritische interne Stellungnahme zum Kfz-Kennzeichen-Scanning im Netz auftauchte.

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Verkehr auf der Autobahn von einer Brücke aus gesehen

(Bild: Shutterstock/Ulf Wittrock)

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Die Veröffentlichung einer internen Behördenanalyse zur Vorratsdatenspeicherung von Kfz-Kennzeichen in Brandenburg mit dem umstrittenen Scanner-System Kesy hat ein Nachspiel. In dem Fall ermittelt jetzt das Landeskriminalamt (LKA) wegen Verdacht auf Geheimnisverrat, wie Ingo Decker, Sprecher des brandenburgischen Innenministeriums, am Dienstag gegenüber heise online bestätigte. Es könne nicht angehen, dass "unrechtmäßig Akten abfließen".

In der von Netzpolitik.org am Freitag veröffentlichten Stellungnahme, die ein mittlerweile versetzter Abteilungsleiter im Innenressort in Auftrag gegeben hatte, erklären Sachverständige die praktizierte Autobahnüberwachung mit ständig Nummernschilder aufzeichnenden Erfassungsgeräten als rechtlich unzulässig. In einem vom Innenministerium später offiziell herausgegebenen Gutachten zu der Frage beurteilen andere Experten die Sache ganz anders.

Die von dem Datenleck ebenfalls betroffene Polizei habe das Ermittlungsverfahren selbst eingeleitet, erklärte Decker. Es richte sich gegen Unbekannt beziehungsweise diejenigen, "die illoyal sind" und offenbar aus Wichtigtuerei oder übermäßigem Geltungsbedürfnis die interne Einschätzung an Dritte weitergegeben hätten. Gegen Netzpolitik selbst richte sich die Aufklärungsarbeit der Kriminalexperten – anders als in einem früheren, auf Landesverrat bezogenen Fall – nicht: "Die dürfen das schon machen", meinte der Sprecher. Für die Presse gehörten solche Veröffentlichungen "zum täglichen Brot".

Ermittlungen habe es in anderen einschlägigen Fällen auch bereits gegeben, verdeutlichte Decker. Oft komme zwar nichts dabei heraus, es gelte aber trotzdem, ein Zeichen zu setzen. Welche Informationen im Innenministerium zur Kommunikation von Mitarbeitern mit Außenstehenden gespeichert werden, wollte der Sprecher nicht verraten. Er versicherte aber, dass dabei alle datenschutzrechtlichen Vorgaben eingehalten würden. Sollte ein Beamter von seiner Dienststelle aus die brisanten Unterlagen verschickt haben, müsste dieser eh "wegen Blödheit entlassen werden".

Schon am Freitag hatte das Ministerium bestätigt, dass die im Wortlaut veröffentlichten Papiere authentisch seien und "den kontroversen Verlauf der Debatte um die Rechtmäßigkeit der Kesy-Anwendung im Land Brandenburg im Wesentlichen zutreffend wiedergeben". Dass dabei auch innerhalb der Sicherheitsbehörden unterschiedliche Auffassungen vertreten würden, sei aber seit Langem bekannt. Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) habe eine Prüfgruppe eingesetzt, um die verschiedenen Ansichten "solide abgleichen und in eine zusammenfassende Stellungnahme einfließen" zu lassen. Nur dieser Abschlussbericht, dessen Ergebnisse sich der Ressortchef zu eigen gemacht habe, stelle die offizielle Ministeriumsposition dar.

Für Decker hat die Publikation der Dokumente nebst Namen der betreffenden Bearbeiter und internen Festlegungen der Polizei "noch eine hübsche Pointe": Sie zeige aufs Anschaulichste, "dass es Informanten und Aktivisten natürlich in keiner Weise um Datenschutz und Persönlichkeitsrechte geht". Die vorgetragene tiefe Sorge um die Integrität und Vertraulichkeit auch von personenbezogenen Daten sei "nur Fassade und die übliche Heuchelei und Doppelmoral solcher Leute". Im Vordergrund stehe wohl "eine bestimmte politische Agenda", um die wirksame Kriminalitätsbekämpfung zu behindern.

Das Ministerium halte es nicht für erforderlich, die Kesy-Anwendungspraxis mit einer jahrelangen Vorratsdatenspeicherung von Autofahrern zu ändern, unterstrich der Sprecher. Letztlich würden angesichts der laufenden Klage gegen das Instrument wohl die Gerichte entscheiden.

Am Dienstag hat zudem die brandenburgische Datenschutzbeauftragte gegenüber dem Polizeipräsidium des Landes Brandenburg eine Beanstandung ausgesprochen. Grund sei die mangelnde Unterstützung bei einer datenschutzrechtlichen Prüfung von Kesy. Die Behörde verweigere der Datenschutzaufsichtsbehörde die Einsicht in gerichtliche Beschlüsse und staatsanwaltschaftliche Anordnungen, begründet die Datenschutzaufsicht diesen Schritt. (mho)