NRW will mit Künstlicher Intelligenz in Gefängnissen Suizide verhindern

Ereignisgesteuerte Videoüberwachung soll in nordrhein-westfälischen Gefängnissen helfen, Insassen davon abzuhalten, ihr Leben selbst zu beenden.

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NRW will mit Künstlicher Intelligenz in Gefängnissen Suizide verhindern

(Bild: dpa / Christophe Gateau)

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Künstliche Intelligenz soll künftig in den Haftanstalten Nordrhein-Westfalens helfen, Suizidversuche früher zu erkennen und zu verhindern. Dazu werde das Land ein bundesweit einmaliges Forschungsvorhaben aufnehmen, kündigte NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) an. Es soll eine ereignisgesteuerte Videoüberwachung entwickelt werden, die suizidale Handlungsmuster frühzeitig erkennt und für gefährdete Häftlinge treffsicher eingesetzt werden kann. Peter Biesenbach argumentierte, "jeder Suizid ist eine Tragödie. Wir wollen jede Möglichkeit nutzen, Menschenleben zu retten".

v. l. n. r.: Caroline Ströttchen (Abteilung Justizvollzug JM), Jakob Klaas (Abteilungsleiter Justizvollzug JM), Dirk Reuter (stv. Pressesprecher JM), Minister der Justiz Peter Biesenbach, Dr. Karsten Schwalbe (Fa. FusionSystems GmbH), Kai-Uwe Kaden (Fa. FusionSystems GmbH).

(Bild: Justiz NRW)

Den Zuschlag zur Entwicklung der Software habe nach einer europaweiten Ausschreibung das Chemnitzer Unternehmen FusionSystems erhalten. Dort werde ein Versuchsraum aufgebaut, der die Bedingungen eines typischen Haftraums erfülle. Die dort gewonnenen Erkenntnisse würden durch zusätzliche Tests in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Düsseldorf im Realbetrieb abgesichert, erklärte Biesenbach.

Das 2005 gegründete FusionSystems entwickelt nach eigenen Angaben "Software und Systeme für die Bereiche Automotive, Karten & Navigation, Automation sowie Smart Systems". Das Unternehmen beruft sich auf "langjährige Erfahrungen auf den Gebieten multisensorielle Datenerfassung, Sensordatenverarbeitung und Datenfusion".

Während der Pilotphase sollen im kommenden Jahr gefährdete Gefangene mit Videokameras überwacht werden. Mithilfe künstlicher Intelligenz sollten die "lernenden" Apparate dann bei suizidverdächtigen Handlungen Alarm schlagen. Da die Augen der Beschäftigten nicht überall sein könnten, setze die Justiz in NRW auf den technischen Fortschritt, erläuterte der Minister. Für die Erkennung relevante Merkmale sind beispielsweise auffällige Verhaltensweisen wie Bewegungsmuster bei einem Strangulationsversuch oder der Einsatz gefährlicher Objekte wie Messer. Die künstliche Intelligenz solle die bisherigen Präventivmaßnahmen aber nicht ersetzen, sondern ergänzen.

In den NRW-Anstalten ist bereits ein "Erst-Screening" vorgeschrieben, um suizidgefährdete Häftlinge besser zu erkennen. Wer als stark selbstmordgefährdet gilt, wird in einem besonders gesicherten Haftraum durchgängig überwacht. Weniger akute Fälle werden in Intervallen kontrolliert. In den vergangenen drei Jahren war die Zahl der Selbsttötungen in den 36 NRW-Haftanstalten rückläufig. Nach Angaben des NRW-Justizministeriums brachten sich hier 2018 elf Gefangene um; 2017 waren es 13, im Jahr 2016 waren es 19.

Haben Sie suizidale Gedanken oder haben Sie diese bei einem Angehörigen/Bekannten festgestellt? Hilfe bietet die Telefonseelsorge: Anonyme Beratung gibt es rund um die Uhr unter den kostenlosen Nummern 0800 / 111 0 111 und 0800 / 111 0 222. Auch eine Beratung über das Internet ist möglich unter telefonseelsorge.de. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.

(mit Material der dpa) (anw)