Linux 5.6 freigegeben: Wireguard- und USB4-Support

Bessere Unterstützung für den Raspberry Pi 4 und erster Code für Multipath TCP (MPTCP) zählen zu den wichtigsten Neuerungen des jetzt erhältlichen Kernels.

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Linux Kernel 5.5
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Thorsten Leemhuis

Am vorletzten Märztag hat Linus Torvalds die Linux-Version 5.6 freigegeben. Wie jede neue Version der Hauptentwicklungslinie bringt auch die neueste weit über zehntausend Änderungen. Einige rüsten neue Features nach, andere verbessern existierende. Eine ausführlichere Beschreibung der Neuerungen liefert das in c't 7/2020 publizierte Kernel-Log zu Linux 5.6 ; wer es etwas knapper wünscht, findet hier die wichtigsten Verbesserungen im Kurzüberblick:

  • Linux 5.6 beherscht die VPN-Technik Wireguard, die seit einer Weile viel von sich reden macht. Das ist unter anderem einem schnellen Verbindungsaufbau, guter Performance sowie einer robusten, schnellen und transparenten Handhabung von Verbindungsabbrüchen zu verdanken. Außerdem ist die Tunnel-Technik sehr schlank und vielfach simpler zu konfigurieren als ältere VPN-Techniken; Abhörsicherheit realisiert Wireguard mit modernsten Crypto-Algorithmen.
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Detaillierte Beschreibungen der Neuerungen von Linux 5.6

Eine ausführlichere Beschreibung der Verbesserungen von Linux 5.6 erläutert der ct-Online-Artikel "Linux 5.6 unterstützt Wireguard und USB4", dessen Text identisch mit dem in c't 7/2020 auf Seite 52 erschienenen Kernel-Log zu Linux 5.6 ist. Diese Artikel erläutern auch, warum das Kernel-Log für den Rest des Jahres eine Pause einlegt, durch die bereits die Berichterstattung zu Linux 5.6 knapper als üblich ausfällt.

  • Die neue Kernel-Version der Hauptentwicklungslinie von Linux unterstützt USB4 . Diese im vergangenen Sommer finalisierte und aus Thunderbolt 3 hervorgegangene Verbindungstechnik dürfte bereits in einigen Monaten in Systemen auftauchen: Intel Prozessoren der Tiger-Lake-Generation, die die derzeit aktuellen Desktop- und Notebook-Prozessoren der Ice-Lake-Reihe beerben, sollen sie unterstützen.
  • In Linux steckt jetzt erster Code zur Nutzung der Version 1 von Multipath TCP (MPTCP). Diese Technik handhabt eine Netzwerkkommunikation über mehrere parallel aufgebaute Verbindungen und ermöglicht etwa ein Bündeln der Leitungskapazität oder einen leichten, unterbrechungsfreien Wechsel von WLAN- auf Mobilfunkanbindung.
  • Btrfs kann Datenträger dank des neuen "Async Discard" jetzt per Trim & Co. über nicht mehr genutzte Speicherbereiche informieren, ohne dass es die Performance sonderlich reduziert.

Linux 5.6 verbessert die Unterstützung für den Raspberry Pi 4.
  • Nachdem Linux 5.5 kürzlich Basis-Unterstützung für den Raspberry Pi 4 gebracht hat, folgt mit 5.6 jetzt ein Treiber für den PCIe-Controller des beliebten Einplatinencomputers. Dadurch lässt sich jetzt auch der darüber angebundene USB-Controller ansprechen.
  • In mit VirtualBox betriebenen Virtual Machines (VMs) kann Linux jetzt ohne die Installation von Gasttreibern die Verzeichnisse einbinden, die VirtualBox auf dem Wirt zur Nutzung in Gästen freigibt.
  • Linux 5.6 bringt alle Grundlagen mit, um 32-Bit-Betriebssysteme zu bauen, die nicht am Jahr-2038-Problem kranken. Das ist jahrelangen Bemühungen zahlreicher Kernel-Entwickler zu verdanken. Details dazu finden sich in einem Blog-Beitrag von Arnd Bergmann, der die tiefgreifenden Umbauten maßgeblich vorangetrieben hat.
  • Zahlreiche neue und erweiterte Treiber verbessern die Hardware-Unterstützung. Neu dabei ist etwa der Treiber "ath11k", der 802.11ax-WLAN-Chips von Qualcomm unterstützt.
  • Der Kernel stellt jetzt die Messwerte der Temperatursensoren in modernen ATA-Festplatten und -SSDs via Sysfs bereit. Analyseprogramme wie sensors können diese so automatisch und ohne weitere Konfiguration ausgeben.
Das Kernel-Log
  • Der Treiber Nouveau ermöglicht 3D-Beschleunigung jetzt auch mit den "Turing"-GPUs, die auf der aktuellen Generation von GeForce-Grafikkarten sitzen. Wie üblich braucht der Treiber dazu eine von Nvidia signierte Firmware, deren Freigabe das Unternehmen offenbar gerade vorbereitet. Bei den letzten zwei Mainstream-GPU-Generationen war es mit solcher Firmware indes unmöglich, die GPU in die schnellsten oder sparsamsten Betriebsmodi zu schalten. Das ist ein Grund, warum die Performance des Treibers bislang viel zu wünschen übrig lässt. Abzuwarten ist, ob Nvidia es mit der neuen Firmware besser macht oder Nutzern und Entwicklern freier Treiber weiterhin Steine in den Weg legt.

Mit der Freigabe von Linux 5.6 beginnt zugleich die "Merge Window" genannte Phase, in der Linus Torvalds das Gros der Änderungen für den Nachfolger integriert, Diese Phase endet typischerweise nach zwei Wochen, wenn Torvalds die erste Vorabversion einer neuen Kernel-Version veröffentlicht. Das läutet zugleich die Stabilisierungsphase ein, die derzeit fast immer sieben oder acht Wochen dauert. Linux 5.7 erscheint daher mit ziemlicher Sicherheit am 1. oder 8. Juni.

Kernel-
Version
Anzahl
Dateien¹
Zeilen
Quelltext
(Ohne
Doku)²
Entwick-
lungs-
zeitraum
Commits
(Ohne
Merges)³
Diffstat⁴
Linux 4.20 62.481 25.955.520
(23.776.585)
63 Tage 14.995
(13.844)
11402 files changed,
 685.027 insertions(+),
 317.959 deletions(-)
Linux 5.0 63.135 26.203.035
(23.933.016)
70 Tage 13.921
(12.808)
12.100 files changed,
579.084 insertions(+),
331.570 deletions(-)
Linux 5.1 63.873 26.459.776
(24.141.004)
63 Tage 14.160
(13.034)
11.977 files changed,
 545.423 insertions(+),
 288.683 deletions(-)
Linux 5.2 64.587 26.552.127
(24.175.296)
63 Tage 15.089
(14.024)
30.888 files changed,
 624.857 insertions(+),
 532.510 deletions(-)
Linux 5.3 65.261 27.141.312
(24.708.822)
70 Tage 15.784
(14.605)
13.983 files changed,
 1.189.832insertions(+),
 600.665 deletions(-)
Linux 5.4 65.701 27.538.212
(25.059.661)
70 Tage 15.725
(14.619)
12.800 files changed,
 821.993 insertions(+),
 435.081 deletions(-)
Linux 5.5 66.493 27.854.754
(25.313.538)
63 Tage 15.497
(14.350)
11.780 files changed,
 607.843 insertions(+),
 291.305 deletions(-)
Linux 5.6 67.337 28.169.797
(25.568.626)
63 Tage 13.691
(12.665)
11.577 files changed,
 608.056 insertions(+),
 293.012 deletions(-)
¹ git ls-tree -r --name-only HEAD | wc -l
² find . -type f -not -regex '\./\.git/.*' | xargs cat | wc -l; echo "($(find . -name *.[hcS] -not -regex '\./\.git/.*' | xargs cat | wc -l))"
³ git-log --pretty=oneline vx.(y-1)..vx.(y) | wc -l; echo "($(git-log --pretty=oneline --no-merges vx.(y-1)..vx.(y) | wc -l))"
⁴ git diff --shortstat vx.(y-1)..vx.(y)
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Den neuen Linux-Kernel herunterladen und einrichten

In den ersten Stunden nach der Freigabe steht die neue Linux-Version nur über einen Git-Checkout des "Mainline" genannten Hauptenwicklerzweigs von Linux bereit; die Download-Möglichkeit über die Frontseite von Kernel.org folgt meist erst, wenn sich die Büros in Europa richtig füllen und jemand die Archive signiert hat.

Auf Kernel.org findet sich auch eine Anleitung, wie Sie die Authentizität und die Unversehrtheit des Quelltextes von Linux prüfen; dort gibt es auch ein Skript, das eine Version herunterlädt und diese Aufgaben durchführt.

Fedora und Rolling-Release-Distributionen wie Arch Linux, Gentoo und OpenSuse Tumbleweed erhalten die neue Linux-Version in den nächsten Tagen und Wochen im Rahmen der regulären Systemaktualisierung. Bei bereits erhältlichen oder kurz vor der Veröffentlichung stehende Releases von Debian, OpenSuse Leap, Ubuntu und den meisten anderen klassisch gewarteten Distributionen macht der Kernel normalerweise keine größeren Versionssprünge; deutlich neuere Linux-Versionen erhält man dort meist nur beim Wechsel auf eine neuere Version der Distribution.

Einzelne Distributionen werden den neuen Kernel über Backports-Repositories zur einfachen Installation anbieten. In der Regel sind solche aber standardmäßig inaktiv, weil dort andere Pflegerichtlinien gelten; Sicherheitskorrekturen beispielsweise gibt es dort meist zeitnah, werden aber vielfach nicht garantiert.

Bei vielen populären Distributionen wird man die neue Linux-Versionen auch über Kernel-Pakete aus Repositories nachrüsten können, die Fans oder Entwickler pflegen. Anwender sollten sich bewusst sein, dass sie über solche Angebote den zentralen Baustein ihrer Distribution austauschen. Wer solche Repositories verwendet, sollte deren Machern daher ähnlich trauen wie seinem Distributor, denn über darin liegende Pakete lassen sich kinderleicht Hintertüren einschleusen. Nach dem Einbinden solcher Repositories obliegt es zudem den Machern dieser Depots, die ausgetauschten Pakete fortan mit Sicherheitskorrekturen zu versorgen. Das vorübergehende oder dauerhafte Aktivieren solcher Repositories kann zudem zu Abhängigkeitsproblemen bei späteren Updates der Distribution führen. Da zentrale Software ausgetauscht wird, kann es zudem leicht zu Instabilitäten kommen; im dümmsten Fall startet das ganze System nicht mehr.

Wer die neue Linux-Version eigenhändig kompilieren und einrichten will, findet Hinweise dazu im c't-Artikel "Linux-Kernel maßgeschneidert". Das darin beschriebene Make-Target make localmodconfig erzeugt weitgehend automatisch eine recht gut auf das jeweilige System zugeschnittene Kernel-Konfiguration, mit der Sie in wenigen Minuten eine neue Linux-Version einrichten können.

Allerlei weitere Informationen zu Linux liefern der erste, zweite, dritte, vierte und fünfte Teil einer c't-FAQ-Reihe mit "Basiswissen zum Linux-Kernel".

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Versionshistorie dieses Artikels

  • 2020-03-30, 8:30 – v2.0: Kleinere Anpassungen zur Freigabe von Linux 5.6
  • 2019-03-16, 11:30 – v1.1: Verweis auf Online-Fassung des in c't 7/2021 erschienenen Kernel-Logs zu Linux 5.6 integriert, der die Neuerungen von Linux 5.6 detaillierter beleuchtet. Der erwähnt auch die Auszeit von Thorsten Leemhuis, durch die das Kernel-Log bis zum Ende des Jahres pausiert.
  • 2019-02-10, 07:00 – v1.0: Anlässlich der ersten Vorabversion von Linux 5.6 die Highlights dieser Kernel-Version kurz angerissen.

Der Newsticker von heise online wird alle größeren Erweiterungen dieses Kernel-Logs erwähnen, auf die außerdem auch der Twitter-Account @kernellog hinweist.

(thl)