Elektroauto-Strom vom Bäcker

An der Autobahn bei Hilden sollen Tesla und Fastned bald schnelle Ladestationen betreiben. Dahinter steckt ein in der Elektroauto-Szene bekannter Unternehmer.

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Tesla

Das Logo des Fahrzeugherstellers Tesla auf einem Fahrzeug in einem Tesla Service Center.

(Bild: dpa, Silas Stein)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Sascha Mattke

Am Kreuz Hilden, zwischen den viel befahrenen Autobahnen A46 und A3, wird derzeit an einem ehrgeizigen Projekt gearbeitet: Der größte Elektroauto-Ladepark Europa soll hier entstehen, mit 40 hochmodernen Supercharger-Säulen von Tesla, noch einmal 22 schnellen Ladepunkten des Betreibers Fastned, einer riesigen Photovoltaik-Anlage, einem Bürogebäude mit Urban Farming und zwei massiven Akkus für die Strom-Zwischenspeicherung. Aber dahinter steckt nicht etwa eine große Energie- oder Infrastruktur-Gesellschaft, sondern ein Bäcker aus der Region.

Allerdings geht es nicht um einen ganz gewöhnlichen Bäcker, sondern um Ronald Schüren, der in der Elektroauto-Szene schon lange eine feste Größe ist. Eigentlich ist er nicht nur Bäckermeister, sondern auch Betriebswirt mit inzwischen 20 Filialen, und hat das seit 1998 von ihm geleitete Familienunternehmen schon vor Jahren auf Umweltfreundlichkeit getrimmt. Beispielsweise hat der Bäckerei-Betrieb nach seinen Angaben die CO2-Emissionen um 91 Prozent und den Energiebedarf um 50 Prozent reduziert.

Eine Photovoltaik-Anlage auf den Dächern der Backstube (ein Plusenergie-Gebäude) und ihrer Parkplätze in Hilden versorgt sowohl Backbetrieb als auch eine Reihe von Langsam-Ladestationen für Kunden. Für die Auslieferung verwendet Schüren Erdgas- und Elektroautos – zusammen mit anderen Bäckern hat der Geschäftsführer sogar zur Entwicklung eines passenden Elektro-Lieferwagens auf StreetScooter-Basis beigetragen.

Insofern ist Schürens neuestes Projekt wohl sein bislang größtes, aber auf gewisse Weise nur eine logische Fortschreibung seiner bisherigen Aktivitäten. Dazu hat er ein 12.000 Quadratmeter großes Grundstück direkt am Autobahnkreuz Hilden gekauft, auf dem schon seit Februar erste provisorische Supercharger von Tesla installiert sind.

Noch sieht es dort nicht nach schickem Ladepark aus, sondern nach Baustelle, aber das soll sich bald ändern: Laut einer Pressmitteilung (die Projektleitung gab Technology Review online ein ausführliches Interview zu dem Vorhaben, das dann aber unter Berufung auf das aktuell unpassende Coronavirus-Umfeld zurückgezogen wurde) sollen bis Ende Mai die Carports für die endgültigen Ladestationen von Tesla und Fastned samt Solarmodulen auf den Dächern stehen. Anschließend könnten die Betreiber theoretisch ihre Stationen eröffnen.

Doch auch dann hat das Projekt noch nicht seine Endausbaustufe erreicht. Geplant ist zusätzlich ein Bürogebäude mit Lade-Gastronomie im Erdgeschoss und Flächen für senkrechtes Urban Farming (also städtische Landwirtschaft) an Teilen der Fassade; was dort wächst, ist unter anderem als Zutaten für die Bäckerei vorgesehen. Strom soll von der Solaranlage mit 700 Kilowatt Spitzenleistung geliefert werden und von zwei kleinen Windrädern, die dort ebenfalls geplant sind.

Und auf den Boden kommen noch zwei Großakkus mit je einer Megawattstunde Speicherkapazität. Diese können den selbst produzierten Sonnen- und Windstrom speichern, wenn er gerade nicht benötigt wird. Ebenso können sie bei einem netzweiten Überangebot zum Beispiel nachts billigen Strom speichern und ihn dann tagsüber abgeben.

Solche stationären Speicher bietet auch Tesla in seiner Energie-Sparte als Powerpacks oder noch größere Megapacks an. Trotzdem hat sich Schüren für ein anderes Produkt entschieden: Akkus von dem deutschen Anbieter Tesvolt. Anders als beim Carport-Bau sieht es bei der Installation der Speicher derzeit tatsächlich nach Corona-Verzögerungen aus, doch der Park würde dem Vernehmen nach vorerst auch ohne sie funktionieren.

Eine Verzögerung gibt es auch, weil unter dem Grundstück unter anderem eine Pipeline für Industriegas verläuft, wie Schüren in einem Video-Interview erzählte. Diese muss, wie sich herausstellte, ausgetauscht werden, wenn darüber Autoverkehr stattfinden soll. Bevor er in Hilden endgültig die Zukunft anbrechen lässt, muss sich der umtriebige Bäcker-Betriebswirt Schüren also noch ein wenig stärker als erwartet mit alter Infrastruktur unter der Oberfläche seines Standorts beschäftigen.

(sma)