Leistungsschutzrecht: Acht Wörter sollen lizenzfrei bleiben

Ein Referentenentwurf für das neue Leistungsschutzrecht sieht keine Pauschalausnahmen mehr für Überschriften, Vorschaubilder oder Videoschnipsel vor.

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Leistungsschutzrecht: Acht Wörter sollen lizenzfrei bleiben

(Bild: Blackboard/Shutterstock.com)

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Das Bundesjustizministerium treibt weiter eine Neuauflage des umstrittenen Leistungsschutzrechts für Presseverleger im Internet voran. Laut einem heise online vorliegenden Referentenentwurf für ein "erstes Gesetz", mit dem das Ressort Teile der 2019 nach langen Auseinandersetzungen auf EU-Ebene verabschiedeten neuen Urheberrechtsrichtlinie umsetzen will, sollen davon in der Regel nur acht Wörter ausgenommen und so nicht lizenzpflichtig werden.

Mit der Maßgabe will das Haus von Christine Lambrecht (SPD) verdeutlichen, was unter den "einzelnen Wörtern oder sehr kurzen Auszügen eines Textbeitrags" zu verstehen ist, die "Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft" wie Suchmaschinen oder News-Aggregatoren noch vergütungsfrei übernehmen dürfen.

Verlegerverbände hatten in einer Stellungnahme zu dem vorausgegangenen Diskussionsentwurf des Justizministeriums gefordert, dass "regelmäßig nicht mehr als drei Wörter" lizenzfrei bleiben könnten. Diesem Ersuchen will das Ressort aber nicht folgen und verweist in der Begründung auf wissenschaftliche Analysen, wonach ein Satz in der deutschen überregionalen Qualitätspresse im Durchschnitt 19,8 Wörter lang sei. Daher beeinträchtige "die freie Nutzung von acht Wörtern und damit von weniger als der Hälfte eines Durchschnittssatzes" die Wirksamkeit des Leistungsschutzrechts in aller Regel nicht.

Dass die europarechtlich vorgegebenen "unbestimmten Rechtsbegriffe" der einzelnen Wörter oder kleinsten Auszüge konkretisiert werden sollten, legen für das Ministerium die Erfahrungen mit dem 2013 schon einmal hierzulande eingeführten Leistungsschutzrecht nahe. Diese hätten gezeigt, dass Ausführungen dazu im Gesetzestext für die Rechtsinhaber und die Nutzer vorteilhaft seien. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen oder Startups, die sich auf dem digitalen Binnenmarkt betätigen und Google oder Microsoft Paroli bieten wollten, benötigten Rechtssicherheit im Hinblick auf die Reichweite des Schutzrechts.

Die vorgesehene Grenze orientiert sich an einer Hausnummer von sieben Wörtern, die die Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) in einer Auseinandersetzung zwischen der Verwertungsgesellschaft (VG) Media und Google ins Spiel gebracht hatte. Einem Berliner Richter war dieser Vorschlag aber sehr knapp bemessen erschienen.

In einer Presseveröffentlichung "enthaltene Tatsachen" sollen vom Leistungsschutzrecht ausgenommen werden. Dieses diene "nicht dem Schutz einer Information in Form von Fakten an sich", sondern der Art und Weise, wie ein Verleger diese in Beiträge "aufnimmt und der Öffentlichkeit vermittelt", schreibt das Ressort.

Der Schutzbereich des Verlegerrechts umfasst ferner dem Plan nach nicht "das Setzen von Hyperlinks" auf einen Pressebericht. Wer einen solchen privat oder nicht kommerziell nutzt, bleibt ebenfalls außen vor. Dies soll beispielsweise für einen entsprechenden Tweet mit Bezug auf einen Beitrag etwa in einer Zeitung gelten, selbst wenn der Plattformbetreiber wie in diesem Fall Twitter "kommerzielle Zwecke verfolgt".

Keine Rede ist in dem überarbeiteten Anlauf mehr davon, dass Online-Dienste für die Überschrift eines Artikels, ein "kleinformatiges Vorschaubild mit einer Auflösung von bis zu 128 mal 128 Pixeln" sowie eine Ton- und/oder Bildfolge "mit einer Dauer von bis zu drei Sekunden" Presseverlegern keine Vergütung zahlen müssten. Das soll aber nicht heißen, dass sich die vorgesehenen Ausnahmen neben Texten nicht auch auf Grafiken, Fotografien sowie Audio- und Videosequenzen beziehen können, ist der Begründung zu entnehmen.

Näher bestimmen will das Ministerium die Form der zulässigen Schnipsel, sogar eine "Kombination verschiedener Arten von Werken und Schutzgegenständen" enthaltenden "Snippets" in diesem multimedialen Bereich aber nicht, da sich technische Standards etwa für Bilder und audiovisuelle Inhalte fortlaufend weiterentwickelten. Zuvor hatte der eco-Verband der Internetwirtschaft an der detaillierten Vorgabe für "Miniaturgrößen" kritisiert, dass das Netz damit "auf ein Minimum" zusammenzuschrumpfen und seine "Identität als Informationsmedium" zu verlieren drohe. Vom "Tod des Memes" war ebenfalls die Rede.

Urheber, deren Werke in einer Presseveröffentlichung erscheinen, sollen dem Entwurf nach Anspruch auf einen angemessenen Anteil an den Einnahmen haben, die der Verleger von einem Diensteanbieter bekommt. Eingeschlossen sind die Inhaber verwandter Schutzrechte wie Fotografen und Lichtbildner. Zusammengenommen sollen die Werkschöpfer über eine Verwertungsgesellschaft "mindestens zu einem Drittel an den Einnahmen des Presseverlegers" beteiligt werden.

Andererseits sehen die Verfasser wieder einen gesetzlichen Beteiligungsanspruch des Verlegers an der Vergütung etwa für die Privatkopie vor, wenn die Urheber ihren Anspruch auf Tantiemen über eine Verwertungsgesellschaft wahrnehmen. Diese Klausel soll erst nach dem 7. Juni 2021 in Kraft treten im Gegensatz zum zweijährigen Leistungsschutzrecht, das der Skizze zufolge schon einen Tag nach der offiziellen Publikation des Gesetzes greift und rückwirkend für Veröffentlichungen bis zum 6. Juni 2019 gilt.

Die einschlägige EU-Richtlinie ist an sich erst von Juni 2021 an anwendbar, beim Schutzrecht für Presseverleger sieht das Ministerium den deutschen Gesetzgeber aber nicht daran gehindert, national vorzupreschen. Die Bestimmung werde zunächst aber bei der EU-Kommission zu notifizieren sein. Beim ersten einschlägigen Gesetz hatte die Bundesregierung diesen Schritt ausgelassen, weswegen es der Europäische Gerichtshof im Herbst kassierte.

National evaluiert oder befristet werden soll das neue Vorhaben, demzufolge bald auch Computerprogramme fürs Text- und Data-Mining eingesetzt werden dürften, nicht. Nach wie vor keine Spur gibt es von einem 2. Korb der Urheberrechtsreform, den die EU-Vorgaben zusätzlich erfordern. Dabei müsste das Ressort weitere heiße Eisen anpacken wie etwa Artikel 17, mit dem die Haftung von Online-Plattformen mit nutzergenerierten Inhalten verschärft werden soll, was voraussichtlich den Einsatz von Upload-Filtern zur Folge hat.

Ungewöhnlich ist die Art, wie der Referentenentwurf das Licht der Welt erblickte. Das Ministerium publizierte das 50-seitige Papier zunächst am 1. April auf seinem Transparenzportal für aktuelle Gesetzgebungsvorhaben. Nachdem die frühere EU-Abgeordnete Julia Reda einen Auszug daraus getwittert und von einer "Verschlimmbesserung" gesprochen hatte, verschwand die Datei zunächst aber wieder. Auf eine Anfrage von heise online vom Freitag zu dem Vorgang reagierte die Pressestelle bisher nicht. Eventuell war das Dokument zunächst online gegangen, bevor es an die anderen Ressorts und Verbände verschickt worden war. Nächster planmäßiger Schritt ist ein baldiger Entwurf der Bundesregierung. (tiw)