Überwachung: Medienbündnis warnt vor Staatstrojanern für den Verfassungsschutz

Eine breite Medienallianz kritisiert den Plan von Innenminister Seehofer, alle Geheimdienste zu Staatshackern zu machen. Der Informantenschutz sei in Gefahr.

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Überwachung: Medienbündnis warnt vor Staatstrojanern für den Verfassungsschutz
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Der Referentenentwurf aus dem Bundesinnenministerium für ein Gesetz "zur Anpassung des Verfassungsschutzrechts" droht den Informantenschutz von Journalisten noch weiter auszuhöhlen. Davor warnt ein breites Bündnis aus neun Medienorganisationen und -unternehmen in einer gemeinsamen Stellungnahme zu der Initiative aus dem Haus von Horst Seehofer (CSU). Es sei an der Zeit, beim Quellenschutz endlich "dringend nötige Korrekturen vorzunehmen".

Nach Auffassung der Allianz, der neben ARD und ZDF die Verlegerverbände BDZV und VDZ, der Verband Privater Medien Vaunet sowie die Journalistenvertretungen DJV und dju angehören, gehen mit dem Entwurf "eine Reihe von Gefahren für die journalistische Arbeit in Deutschland einher". Dringend nötige Korrekturen, die das Redaktionsgeheimnis in das digitale Zeitalter übertragen würden, blieben dagegen aus. Der Gesetzgeber sei damit dabei, "eine unrühmliche Geschichte" fortzuschreiben und die Freiräume für Journalisten bei ihrem Arbeitsalltag im Internet immer mehr zu begrenzen.

Mit Seehofers Plan, der momentan mit den anderen Ministerien abgestimmt wird, sollen neben dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) der Bundesnachrichtendienst (BND), der Militärische Abschirmdienst (MAD) und die 16 Landesämter für Verfassungsschutz mit Staatstrojanern Chats via Messenger wie WhatsApp, Signal oder Threema sowie Internet-Telefonate und Video-Calls abhören dürfen. Die Überwachung der Telekommunikation von Informanten in Form der Quellen-TKÜ wird dem Bündnis zufolge so ausgeweitet "und ohne Richtervorbehalt möglich sein".

Die Zulässigkeit des Instruments sei an sich schon umstritten, betonen die Unterzeichner des Protestes. Um an die Daten zu gelangen, müssten die berechtigten Stellen unbemerkt eine Spionagesoftware auf das Gerät des Betroffenen spielen. Damit bestehe theoretisch immer der volle Zugriff auf alle dort gespeicherten Informationen, was zu Abgrenzungsschwierigkeiten zu weitergehenden heimlichen Online-Durchsuchungen führe. Der Staat werde durch den Einsatz von Trojanern motiviert, Sicherheitslücken offen zu lassen.

Dazu kommt laut der Allianz mit dem debattierten Vorhaben eine "qualitative Verschlechterung": Der Schwerpunkt der geheimdienstlichen Arbeit liege im Vorfeld konkreten Gefahren oder Verdachtsmomenten. Die Eingriffsschwelle werde dadurch herabgesetzt.

"Der Schutz von Berufsgeheimnisträgern soll dem Referentenentwurf zufolge zwar für Rechtsanwälte, nicht aber für Journalisten gelten", heißt es in dem Schreiben. So werde ein Zwei-Klassen-System geschaffen, "das den Informantenschutz bei Presse und Rundfunk und das Redaktionsgeheimnis nicht ausreichend gewährleistet". Das Zeugnisverweigerungsrecht von Journalisten nach könne durch Paragraf 160a Strafprozessordnung (StPO) umgangen werden.

Nach dem jüngsten BND-Urteil des Bundesverfassungsgerichts seien für eine Überwachung der Presse zumindest höhere Anforderungen zu stellen als gegenwärtig in der StPO vorgesehen, konstatieren die Verfasser. Sie reiben sich ferner daran, dass als einziges Kontrollgremium für Überwachungsmaßnahmen der Geheimdienste die G10-Kommission des Bundestags vorgesehen sei. Diese wäre erst nachträglich über einschlägige Aktivitäten zu informieren. Der entscheidende Unterschied gegenüber einem Gerichtsverfahren sei zudem "die fehlende Öffentlichkeit".

Die Verbände und Institutionen fordern daher, dass die Bundesregierung "ihren vielfältigen Bekenntnissen zur Presse- und Rundfunkfreiheit" gerecht werde und den Schutz von Journalisten stärken müsse. In jedem Fall sollte die Politik der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Folge leisten. Sie müsse dazu "eine ausreichend bestimmte, enge Eingriffsermächtigung im Gesetz selbst vorzusehen, die der Bedeutung der Grundrechte, in die die Überwachungsmaßnahme eingreift, Rechnung trägt". Zudem sei ein Vorabprüfung der Journalisten betreffenden Spionagetätigkeiten durch eine unabhängige gerichtliche Instanz sicherzustellen.

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