Hessischer Datenschützer prüft missbräuchliche Polizeiabfragen

Beim hessischen Datenschutzbeauftragten sind mehrere Verfahren wegen Zugriffen auf unzureichend gesicherte Polizeisysteme zu privaten Zwecken anhängig.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 46 Kommentare lesen
Hessischer Datenschützer prüft missbräuchliche Polizeiabfragen

(Bild: mahc/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Die hessische Polizei steht im Fokus der Affäre rund um rechtsextreme, meist mit "NSU 2.0" unterzeichnete Drohschreiben, denen Abfragen sensibler persönlicher Daten der Betroffenen über Rechner von Ordnungshütern vorausgingen. Die Vorfälle prüft neben der Kripo und der Staatsanwaltschaft auch der hessische Datenschutzbeauftragte Michael Ronellenfitsch. Die Verfahren dazu seien "in sehr unterschiedlichen Stadien", erklärte eine Sprecherin gegenüber heise online.

In wie vielen Fällen die Aufsichtsbehörde Untersuchungen eingeleitet hat und gegen wen sie sich richten, war nicht zu erfahren. Die Vorgänge seien aber alle "noch nicht abgeschlossen". Die Datenschutzbehörde erhalte grundsätzlich Meldungen über Datenschutzverletzungen bei der Polizei auf Basis der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und des hessischen Datenschutzgesetzes. Zudem sei er dafür zuständig, Sanktionen und Bußgelder etwa aufgrund missbräuchlicher Datenabfragen durch Bedienstete der hessischen Polizei zu verhängen.

Laut seinem Tätigkeitsbericht 2019 musste eine Mitarbeiterin des Ordnungsamtes so bereits 150 Euro zahlen, nachdem sie ohne dienstlichen Anlass eine elektronische Einwohnermeldeabfrage zu einer Person vorgenommen hatte. Ein Polizeibeamter, der ein Foto einer Strafanzeige fertigte und über den Gruppen-Chat von WhatsApp an Mitglieder eines Vereinsvorstandes weiterleitete, erhielt ein Bußgeld von 500 Euro. Vor einem Jahr hatten hessische Polizisten auch 83 Mal persönliche Daten von Helene Fischer während eines Auftritts des Schlagerstars in Frankfurt abgefragt.

Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) hatte Mitte Juli erklärt, von 69 Mails und Faxen mit Drohcharakter mit Verweisen auf NSU 2.0 Kenntnis zu haben. Die dabei verwendeten nicht-öffentlichen Daten der Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız, der Linken-Politikerin Janine Wissler und der Kabarettistin Idil Baydar seien zuvor offenbar über hessische Polizeicomputer in Frankfurt und Wiesbaden abgefragt worden. Bisher sei ein zeitlicher, aber kein kausaler Zusammenhang belegt worden.

"Wichtig ist, dass innerhalb der Polizei Aufklärung betrieben wird", sieht Ronellenfitsch vor allem die Ermittler selbst und die Politik gefordert. Vor dem Hintergrund der aktuellen Vorfälle habe sich gezeigt, dass die bisherigen Anweisungen zum Absichern der Datenbanken und zur Kontrolle der Zugriffe "nicht ausreichend waren". Den neuen, von Beuth jüngst präsentierten Maßnahmenkatalog, um die Systeme abzudichten und die automatische Stichprobenkontrolle zu Datenabfragen engmaschiger zu gestalten, bezeichnete der Kontrolleur als "weiteren Schritt in die richtige Richtung".

Laut der Zeit hängen die Drohschreiben mit den Absendern "NSU 2.0" und "nationalsozialistische Offensive" offenbar zusammen. Die Täter nutzen demnach "Verschlüsselung und ausländische Mailanbieter" wie den russischen Dienst Yandex, "an die die deutschen Ermittler nicht herankommen". Es scheine sich um mindestens zwei Täter mit Pseudonymen wie "Wehrmacht" und "Stahlgewitter" zu handeln. In mehreren Fällen enthielten die Schreiben "vertrauliche Daten aus Polizei und Justiz, in anderen nicht". Der jüngst in Bayern festgenommene frühere Polizist Hermann S. stecke vermutlich nicht dahinter. (vbr)