Fluggastdaten: Trefferquote für potenzielle Gefährder bei 0,082 Promille

Die Fluggastdatenzentrale im BKA verarbeitete 2019 insgesamt über 78 Millionen Passagierdatensätze von knapp 24 Millionen Reisenden, doch der Erfolg ist mau.

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Landendes Flugeug

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Seit 2018 sammelt das Bundeskriminalamt (BKA) im Einklang mit EU-Vorgaben die Daten aller Flugpassagiere, die hierzulande starten oder landen. 2019 verarbeite die zuständige Fluggastdatenzentralstelle im BKA so insgesamt über 78 Millionen Passagierdatensätze von knapp 24 Millionen Fluggästen. Bei 111.588 Personen führte sie danach einen Abgleich mit dem polizeilichen Fahndungsdatenbestand durch. Ziel ist es, gesuchte Straftäter und Verdächtige wie insbesondere terroristische Gefährder zu identifizieren.

Die Zahl der ausgeleiteten "fachlich positiven" Fahndungstreffer lag im vorigen Jahr aber nur bei 1960 Personen. Das entspricht 0,082 Promille der erfassten Reisenden. Dies schreibt das Bundesinnenministerium in einer Antwort auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Alexander Ulrich von der Fraktion Die Linke, die heise online vorliegt.

Im 1. Quartal 2020 fiel die Bilanz der Strafverfolger etwas besser aus. Die BKA-Zentralstelle verarbeite in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres knapp 43 Millionen der sogenannten Passenger Name Records (PNR) über gut 12 Millionen Fluggäste. Bei einem Abgleich von Informationen von 33,530 Personen ergaben sich immerhin 1277 Treffer – eine Quote von 0,11 Promille. Allerdings ist bereits bekannt, dass auch solche Verdachtsmeldungen oft falsch sind: Im Zeitraum zwischen 29. August 2018 und Ende März 2019 handelte es sich bei 99,7 Prozent aller vermeintlichen Treffer um Irrtümer, nachdem die Beamten die Ergebnisse händisch überprüft hatten.

Zudem weist das Ressort 2019 684 inländische Rechercheersuchen sowie 164 Anfragen von Zentralstellen anderer Mitgliedsstaaten aus. Im ersten Quartal 2020 waren es bereits 393 inländische und 90 aus weiteren EU-Ländern.

Die vergleichsweise höheren Zahlen für Anfang 2020 ergeben sich laut dem Ministerium "durch den sukzessiven Aufwuchs des PNR-Systems durch Anbindung weiterer Luftfahrtunternehmen und Flugverbindungen". Für das zweite Quartal nenne man keine Zahlen, da diese aufgrund des Einbruchs des Flugverkehrs wegen der Coronavirus-Pandemie kaum mit der bisherigen Statistik vergleichbar seien.

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Luftfahrtunternehmen melden pro Flugverbindung und Reisendem unterschiedlich viele Passagierdatensätze, erläutert das Ressort noch. Aus der Summe lasse sich nur eine "unbereinigte Passagierzahl ermitteln, in der Personen, die mehrfach geflogen sind auch mehrfach enthalten sind". Dies gelte etwa für Hin- und Rückflüge. Eindeutige Rückschlüsse auf die Anzahl der betroffenen Einzelpersonen seien daher "systembedingt nicht möglich".

Zu den PNR gehört eine Vielzahl sensibler Informationen, die vom Geburtsdatum über die Namen der Begleitpersonen, E-Mail-Adressen, eventuelle Vielfliegernummern oder die zum Kauf des Fluges verwendeten Zahlungsmittel bis hin zu einem nicht näher definierten Freitextfeld reichen. Hierzulande laufen diverse Klagen gegen die damit durchgeführte "Himmels-Rasterfahndung", mit denen sich mittlerweile der Europäische Gerichtshof (EuGH) beschäftigen muss.

Die EU-Kommission konnte jüngst in einem Evaluierungsbericht der Richtlinie nicht einmal anekdotische Beweise für das Funktionieren des Ansatzes erbringen. Sie erklärte nur allgemein, dass das Instrument im Kampf gegen Terrorismus und schwere Straftaten Wirkung zeige. Einige Verhaftungen seien aufgrund damit gewonnener Erkenntnisse erfolgt. Probleme gibt es beim Schutz und bei der Qualität der Daten.

Schon bevor der EuGH entscheide, müssten die Mitgliedstaaten zumindest die optionale Anwendung der Richtlinie auf innereuropäische Flüge rückgängig machen, forderte der Linke Ulrich anhand der neuen Zahlen. "Die massenhafte Speicherung und Verarbeitung von Passagierdaten ist weder erforderlich noch verhältnismäßig." Sie treffe auch "vorwiegend Unbeteiligte".

Die schwarz-grüne Regierung in Österreich hat die Fluggastdatenanalyse für Verbindungen innerhalb der EU bereits am 16. Juni auslaufen lassen, ohne dies zunächst publik zu machen. Eine 22 Monate zuvor erlassene Verordnung des Innenministeriums sei nicht mehr verlängert, die PNR-Speicherung damit auf Flüge zwischen der EU und Drittstaaten eingeschränkt worden, meldet die Agentur APA. Fluggesellschaften hätten der dortigen Zentralstelle 2019 Daten von fast 37 Millionen Passagieren übermittelt.

(kbe)