Holz voa de Fiaß: Test BMW R 18

BMWs großer Cruiser steht bei den Händlern. Und bei Gott, was für ein Motor! Wie es sich anfühlt, an diesem 110-kg-Benzinofen zu sitzen und ihm zu lauschen

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Holz voa de Fiaß: Test BMW R 18
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Im Jahre des Herrn 1997 brachte die Firma BMW Motorrad in Reaktion auf den Boom des Segments ihren ersten Cruiser auf den Markt, die BMW R 1200 C. In typischem BMW-Eigensinn ließ dieses Motorrad viele Wünsche des Segments links liegen. Statt klassischer Technik zelebrierte sie BMW-Idiosynkrasien. Der Dinosaurierknochen ("Telelever") zur Vorderradführung wurde gleißend als Kunststück präsentiert, statt ihn wie beim Topseller GS verschämt zu verstecken. Dazu Einarmschwinge, Gestaltung mit geringem Retroanteil und es gab sogar schon ein ABS – eine Technik, über die Cruiserprimus Harley-Davidson noch zehn Jahre später am "nachdenken" war für den Serieneinsatz und nur für Polizeifahrzeuge anbot.

Die C fuhr sogar recht manierlich, eine weitere Abkehr von den Gepflogenheiten des Segments. Doch mit all diesen Dingen ergab sich ein Problem: Wer einen Cruiser wollte, kaufte keine BMW, und wer eine BMW wollte, kaufte keinen Cruiser. Wie die Moto Guzzi Bellagio später stand die R-C alleine in einem Segment, in dem nur sie existierte (und kurz ihre 850er-Schwester). Vorspultaste. So etwa um 2016 herum wollte BMW noch einmal ins Cruiser-Segment. Diesmal wollten sie aber wirklich IN das Segment, nicht ein neues Segment am Rand etablieren. Sie arbeiteten sich gestalterisch durch ihre Geschichte. Und deshalb gibt es jetzt die BMW R 18 mit dem größten Zweizylinder-Boxermotor der Firmengeschichte.

BMWs Wuthocker-Prototyp (3 Bilder)

Bei den ersten Plänen überlegte BMW noch, wie weit man mit dem modifizierten 1200er-Motor aus der nineT käme. Die Ingenieure bauten diesen Wuthocker auf.

(Bild: BMW)

Im BMW-Museum steht ein Prototyp, ein Cruiser rund um einen veränderten 1200er-Motor. Doch man kann aus einem Springpferd auch mit viel Training nichts völlig anderes machen, und der Cruiser-Markt verlangt nach einem Ackergaul. Also bauten sie einen komplett neuen Motor, den die Ingenieure mehr und mehr als "Skulptur" bezeichneten. Wenn wir lokal für diesen Text "Kunst" definieren als Werke, die sowohl gekonnt ausgeführt sind als auch ästhetisch berührend wirken, dann versteht der Leser spätestens beim Betrachten der Bilder, woher das mit der Skulptur kommt. Sogar die Ölwanne unten ist extra abgeflacht, damit man ihn zur Betrachtung aufstellen kann, und ich trage mich mit dem Gedanken, genau das irgendwann zu tun – voll funktionsfähig. Vielleicht in der Küche, als Antrieb zum Teig kneten. Nützlichkeitsgedanken sind in der Kunst fehl am Platze.

Um diesen Skulpturklotz herum zog BMW ein Motorrad herauf, das überall Zitate der langen Vergangenheit enthält. Telegabel, BMW erfand sie ja damals, in Hülsen mit schicken Sicken. Starrrahmenoptik. 2-in-2-Auspuffanlage. Ich möchte gar nicht alles aufzählen, es gehört zur Freude an der R 18, diese Details selber zu entdecken, sie in Bezug zu historischen Modellen zu setzen. Das Serienmotorrad wirkt im Schattenriss auf mich und einige Andere nicht ganz stimmig, doch kann jeder diese Linie seinem Gusto schon mit dem umfangreichen Werkszubehör anpassen.

BMW R 18 Details (14 Bilder)

Verchromte Stoßstangenschutzrohre. Hach. Königswelle wäre zwar noch cooler gewesen, aber BMW wollte ja aus bald 100 Jahren Tradition zitieren.
(Bild: BMW)

Wer vor ihr steht, der wird die leicht schräge Linienführung sofort vergessen. Beim Aufsteigen auf die R 18 macht sie klar, worum sich jetzt alles drehen wird: Wie die Hoden eines Giganten liegen die größten Boxertutteln der Geschichte vor deinen Knien. Die Beine müssen sich deswegen mit einer Position zufriedengeben, die im Cruiser-Segment eher unbeliebt ist: wie auf den Klo, die Knie klappen obendrein tendenziell nach innen. BMW nennt das zwar "lässig" und "cool", aber dem Cruiseristen wird seine Gynäkologenstuhlergonomie ("Feet Forward Position") doch fehlen.