Holz voa de Fiaß: Test BMW R 18

Seite 2: Alles egal außer dieser Motor

Inhaltsverzeichnis

Doch fahre los, und die traditionelle Position der Füße wird dir egal sein. Das Gegendrehmoment der massigen, längs liegenden Kurbelwelle schüttelt das ganze Motorrad, das an der Ampel wie ein Tattergreis tremort. Du hörst das Werkeln des Stoßstangen-Ventiltriebs. Du fährst mit 1000 Umdrehungen durch Ortschaften. Du bildest dir ein, dass du bald im Gefühl haben wirst, welcher Zylinderbrennraum gerade zündet, so ungefiltert dringt das Arbeiten der Maschine durch deine Haut, deine Trommelfelle.

BMW R 18 Standards (10 Bilder)

Was für eine pralle Packung Motorfreude!
(Bild: BMW)

Und nein, die R 18 ist nicht einmal besonders laut. BMW wollte schon in der Planung, dass Menschen dich darauf mögen statt hassen. Deshalb stehen im Schein 95 dBA Standgeräusch, die bei so einem Niedrigdrehzahlmotor bei 3/4 der Nenndrehzahl erhoben werden. Du darfst durch Tirol tuckern – nicht, weil BMW das schnell noch hingeplant hat, sondern weil sie schon damals leiser planten. Es besteht also Hoffnung für München. Bei Konstantfahrt mit üblicherweise 1000 bis 2500 Umdrehungen hörst du Boxer-Ventiltickern und ein leises Brummen. Entspannend.

Der Motor ist das zentrale Erlebnis dieses Motorrads, und das wird ihm zum Erfolg verhelfen, weil genau das im Cruiser-Segment erwartet wird. BMW überlegt sogar, den Motor gesondert zu verkaufen, worauf ich sehr hoffe, nicht nur für meine Küche, sondern auch für eine Kleinserie eines bayrischen Bigbikes ohne überschwülstige Cruiser-Östrogene. Tourenfahrer dagegen hoffen auf einen Tourer mit so einem Antrieb. Aktuell gibt es ihn eben nur im Cruiser, und dieser Umstand alleine wird Motorradfahrer unrettbar in dieses Milieu stürzen.

Doch BMW widmete sich auch dem Außenherum mit Hingabe. Das Fahrwerk setzt zwar bei 30 Grad Schräglage schon weich auf den Rasten auf, doch bis dahin zieht es sehr schön neutral seine Bögen. Einen einmal gesetzten Kurvenradius zirkelt das Chassis fast von alleine zu Ende. Die Bedienkräfte am breiten Lenker: gering. Die Bremsen: griffig. Der Komfort: trotz Cruiser-typisch geringer Federwege erfreulich hoch. Hier musst du nichts neu lernen, hier brauchst du kein Steißbein aus Stahl, hier kannst du einfach aufsitzen und dich am Motor erfreuen.

Es ist seltsam: Die R 18 ist ein langsames, selbst längsdynamisch unbeeindruckendes Motorrad, das in einer glorreichen Vergangenheit verhaftet scheint, die es eher cargokultig zitiert. Und doch ist sie mit großem Abstand das herzerwärmendste Motorrad, das in den letzten Jahren das Cruiser-Segment betreten hat. "Exceeds Expectations", sagt der Brite. Wenn ich sage, dass dieses Ding ein Erfolg wird, dann hänge ich mich kaum aus dem Fenster. Selbst die R 1200 C verkaufte sich neu viel besser, als ihre heute ungeliebte Gebrauchtmarkposition erwarten ließe. Und wo die R-C etwas orientierungslos herumstolperte in Sachen Marktposition, macht die R 18 hier alles richtig: genau so viel Beugung ins Segment, dass die Kundschaft dort heiß wird; genau so viel Eigenständigkeit, dass sich die Frage "die oder eine Harley?" nach einer Probefahrt nicht mehr stellt. Die R 18 ist mein liebstes Motorrad mit Boxermotor geworden, obwohl ich Cruiser hasse, und Boxermotoren eigentlich auch. Wenn Sie das lesen, interessieren Sie sich wahrscheinlich für beides, also glauben Sie mir Eines: Sie sollten das unbedingt ausprobieren und können schon einmal die Kreditkarte vorwärmen.