Bundespolizei: Hacken im Staatsauftrag mit Quellen-TKÜ und Staatstrojaner

Die Bundespolizei soll mit Staatstrojanern und Quellen-TKÜ Messenger abhören dürfen. Darauf haben sich Fraktionsspitzen der Regierungskoalition verständigt.

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(Bild: Motortion Films/Shutterstock.com)

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Nach heftigem Streit vor allem mit der SPD-Chefin Saskia Esken im Sommer wollte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die von ihm seit fast einem Jahr geplante Reform des Bundespolizeigesetzes schon vorerst zu den Akten legen. Doch inzwischen haben die Spitzen der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD zusammen mit anderen Innenpolitikern den schwierigen Fall selbst in die Hand genommen und sich auf Grundlinien für die Novelle geeinigt.

Ein bei den schwarz-roten Gesprächen entstandenes Eckpunktepapier solle nun die Grundlage für einen neuen Gesetzentwurf bilden, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). Der Bundespolizei soll es demnach gestattet werden, digitale Kommunikation etwa via Messenger wie WhatsApp, Signal oder Threema sowie Internet-Telefonate und Video-Calls zu belauschen.

Vorgesehen ist dafür eine Lizenz zur "Quellen-TKÜ". Bundespolizisten sollen also Endgeräte wie Smartphones oder Computer hacken, einen Bundestrojaner aufspielen und so laufende Gespräche vor einer Ver- oder nach einer Entschlüsselung mitschneiden dürfen.

Ob eine "Quellen-TKÜ plus" geplant ist wie für die Geheimdienste von Bund und Ländern, bei der die Sicherheitsbehörden auch auf gespeicherte Chats und Mails zugreifen dürfen, geht aus dem Bericht nicht hervor. Eine Kompetenz für noch weitergehende heimliche Online-Durchsuchungen von IT-Systemen, wie sie Seehofer in seinem Entwurf vom Januar noch vorgesehen hatte, solle es nicht geben. Hier hätten die Konservativen ein Zugeständnis gegenüber den Sozialdemokraten machen müssen. Die Grenzen zwischen beiden Maßnahmen sind aber fließend, die Gefahren für die IT-Sicherheit in jedem Fall groß.

Die Bundespolizei solle in gleichen Fällen und Voraussetzungen die Nachrichten in Messenger-Diensten mitlesen dürfen, "in denen sie bisher schon die Telefone abhören konnte", erklärte CDU/CSU-Fraktionsvize Thorsten Frei der Zeitung. Dem Bericht nach wird den Beamten auch die Identifizierung und Lokalisierung von Mobiltelefonen erlaubt, also der Einsatz von IMSI-Catchern.

Die Bundespolizei soll ferner etwa selbst Platzverweise erteilen oder Blutproben nehmen lassen können. Bisher mussten dazu immer die Landespolizeien herangezogen werden. Dem Papier nach wird sie auch bei Delikten mit Drohnen oder Laserpointern direkt zuständig sein. Die Ausrüstung der Beamten mit Elektroschockwaffen ("Tasern") lehnte die SPD ab.

Schon seit Januar vom Tisch war die vom Innenminister ursprünglich geforderte Option, wonach die Ordnungshüter etwa an 135 Bahnhöfen Systeme für die Videoüberwachung mit automatisierter Gesichtserkennung hätten verwenden dürfen. In einer separaten Initiative will Seehofer aber nun durchsetzen, dass die Bundespolizei Bestandsdaten wie Name, Adresse, E-Mail und Passwörter bei Anbietern von Telemediendiensten wie WhatsApp, eBay, Facebook, Google & Co. abfragen können soll.

Ob den eigentlich Gesetzestext die Bundesregierung oder die Fraktionen ausarbeiten werden, ist noch unklar. Die bisher beteiligten Innenpolitiker drängen aber darauf, das Vorhaben rasch voranzutreiben. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sprach von einem guten Kompromiss. Die große Koalition sei in einer besseren Verfassung, als viele dächten, ergänzte Frei. Dank der aufgelösten Blockade könnte es nun auch gelingen, zusammen mit erweiterten Geheimdienstkompetenzen und dem IT Sicherheitsgesetz 2.0 "ein großes Sicherheitspaket" zu schnüren.

"Union und SPD statten Schritt für Schritt alle Sicherheitsbehörden mit allen Befugnissen aus. Föderale Aufgabenverteilung, Übersichtlichkeit, Spezialisierung und Bürgerrechte haben das Nachsehen", twitterte dagegen Konstantin Kuhle, Innenexperte der FDP-Bundestagsfraktion. "Es braucht eine Föderalismusreform und eine Überwachungsgesamtrechnung."

(olb)