EU-Abgeordnete wollen 1-Stunden-Löschfrist für terroristische Inhalte

Der Innenausschuss des EU-Parlaments hat die Verordnung zu grenzüberschreitenden Schnell-Löschanordnungen für Terrorpropaganda befürwortet.

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Justiz soll verschlüsselte Terror-Kommunikation auswerten können

(Bild: Katya Rekina/Shutterstock.com)

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Betreiber von Online-Plattformen müssen in der EU künftig "terroristische Inhalte" auf Anordnung beliebiger Behörden aus einem Mitgliedsstaat ohne richterliche Genehmigung binnen einer Stunde löschen. Für den Entwurf einer entsprechenden Verordnung stimmte der federführende Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des EU-Parlaments am Montag. 54 Abgeordnete waren dafür, 13 dagegen bei einer Enthaltung.

Auf die Details des Entwurfs hatten sich Verhandlungsführer des Parlaments, des Ministerrats und der Kommission im Dezember nach langem Streit verständigt. Die Löschaufforderungen können sich etwa auf Texte, Bilder sowie Ton- oder Videoaufnahmen inklusive Live-Streamings beziehen, die zu terroristischen Taten anstacheln, dazu beitragen oder Anleitungen wie für den Bau von Bomben oder Schusswaffen enthalten. Auch Aufrufe, sich einer terroristischen Vereinigung anzuschließen, sind betroffen.

Internetplattformen werden nicht generell verpflichtet, Inhalte zu überwachen. Wenn sie jedoch prinzipiell terroristischen Inhalten ausgesetzt sind, müssen sie besondere Maßnahmen ergreifen, um ihre Dienste vor deren Verbreitung zu schützen. Welche Instrumente sie dafür einsetzen, sollen die Unternehmen selbst entscheiden. Es ist nicht ausdrücklich vorgegeben, "automatisierte Werkzeuge" einzusetzen. Für diese Klausel machten sich die EU-Abgeordneten stark, um die als "Zensurmaschinen" gefürchteten Upload-Filter zumindest nicht obligatorisch zu machen.

Die Löschanordnungen können sich auch gegen Diensteanbieter wie Amazon, Facebook, Google mit YouTube oder Twitter richten, die ihren Hauptsitz außerhalb der EU haben. Betreiber von Online-Foren, auf denen Nutzer Kommentare hinterlassen oder Inhalte hochladen dürfen, sind ebenfalls eingeschlossen. Das Land, in dem der Host-Provider sitzt, soll ausländische Löschersuchen auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen und sie binnen 24 Stunden bestätigen oder ablehnen. Im letzteren Fall müsste der Betreiber den Zugang zu den gemeldeten Inhalten nur in dem Staat blockieren, der den Antrag gestellt hat.

Weist ein Löschersuchen schwere Fehler auf, ist eine gerichtliche Klärung möglich. Kleine und mittlere Unternehmen sind gehalten, Terrorpropaganda ohne strikte Zeitvorgabe "sobald wie möglich" zu löschen, wenn sie für eine solche Ausnahme betriebliche Gründe nachweisen können. Erteilt eine berechtigte Behörde einem Anbieter erstmals eine Löschanordnung, soll sie diesen in der Regel mindestens zwölf Stunden vorher über das Verfahren und geltende Fristen informieren. Die Ersuchen dürfen sich nicht auf journalistische und künstlerische Inhalte sowie polemische und satirische Meinungsäußerungen beziehen.

Die Ein-Stunden-Frist sei unrealistisch und kaum zu erfüllen, kritisiert die französische Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net den Beschluss. Diensteanbieter wie Webseitenbetreiber würden aufgrund drohender hoher Geldstrafen gezwungen, "alle potenziell illegalen Inhalte proaktiv zu zensieren". Dafür dürften sie "automatisierte Werkzeuge der Massenüberwachung nutzen, die von Google und Facebook entwickelt wurden". Eine solche der Polizei übertragene Macht könne zur Zensur politischer Gegner und sozialer Bewegungen führen. Das französische Verfassungsgericht habe eine vergleichbare nationale Auflage im Juni gekippt.

Trotz vom Parlament erzielter wichtiger Teilerfolge "bedrohen die ultraschnellen grenzüberschreitenden Löschanordnungen ohne Richtervorbehalt die Meinungs- und Pressefreiheit im Netz", monierte der EU-Abgeordnete Patrick Breyer von der Piratenpartei. Die Grünen-Fraktion, der sich der Jurist angeschlossen hat, habe daher gegen das Vorhaben gestimmt. Leider drohe solche Zensur Schule zu machen, da sie mit dem Digital Services Act (DSA) allgemein eingeführt werden dürfte. Der Rat und das Parlamentsplenum müssen den Entwurf noch bestätigen, wofür die Ausschussempfehlung als wichtige Vorentscheidung gilt.

(anw)