Bestandsdaten: Opposition warnt vor neuem Angriff auf digitale Bürgerrechte

Der Entwurf, mit dem Schwarz-Rot die Regeln zur Bestandsdatenauskunft und das Anti-Hass-Gesetz "reparieren" will, fällt bei der Opposition im Bundestag durch.

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(Bild: Shutterstock/Panchenko Vladimir)

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Vertreter aller Oppositionsfraktionen haben den Gesetzentwurf scharf kritisiert, mit dem die große Koalition die Bestimmungen zur Bestandsdatenauskunft an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) anpassen und die von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) gestoppte Initiative zur "Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität" heilen will. Der FDP-Netzexperte Manuel Höferlin befürchtete bei der 1. Lesung des Vorhabens am Mittwoch im Bundestag, dass damit der "nächste Riss im Fundament der digitalen Bürgerrechte" drohe.

Die Maxime der Bundesregierung bei Sicherheitsgesetzen lautet Höferlin zufolge: "Soweit und soviel es geht." Den Scherbenhaufen müsse dann das Bundesverfassungsgericht zusammenkehren, wie es auch bei den Regeln zum Zugriff auf Bestandsdaten wie Name, Anschrift sowie E-Mail- und IP-Adressen von Internetnutzern im Sommer der Fall war. Nicht repariert würde mit dem neuen Anlauf etwa die mit dem Anti-Hass-Gesetz verknüpfte Meldepflicht der Betreiber sozialer Netzwerke ans Bundeskriminalamt (BKA), mit der dort eine "Verdachtsdatenbank" entstehe. Schwarz-Rot steuere so das "nächste Gesetz nach Karlsruhe".

Das Vorhaben sei "handwerklich schlecht" gemacht und "möglicherweise verfassungswidrig", gab auch Niema Movassat für die Linke zu bedenken. Er bezeichnete es ebenfalls als hoch problematisch, dass Netzwerkbetreiber von sich aus verdächtige Inhalte und zugehörige Daten ans BKA melden müssten. Dazu komme ein zweifelhaftes Verfahren: so hätten Verbände den ersten Entwurf von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) binnen einer Woche kommentieren sollen, was gar nicht gehe. Den Regierungsfraktionen riet er, das Papier zurückzuziehen und sich "eine Runde Homeschooling im Bereich Grundrechte" zu gönnen.

Das Anti-Hass-Gesetz habe "die Reaktion auf den Anschlag in Halle" sein sollen, erklärte der Grüne Konstantin von Notz. Die Koalition habe es durch den Einbau der Vorgaben zur Bestandsdatenauskunft aber "verbockt". Auch jetzt packe sie weitere zentrale Mängel wie die drohende "DoS-Attacke auf das BKA, klare Löschfristen und stärkere Betroffenenrechte" nicht an, obwohl die Grünen Alternativen wie ein zweistufiges Meldeverfahren aufgezeigt hätten. Dazu komme der "völlig grenzwertige Zugriff auf Passwörter" bei Anbietern von Telemediendiensten wie WhatsApp, eBay, Facebook, Gmail und YouTube.

Der Koalition und der Bundesregierung sei nicht zu trauen, da sie allenfalls das dringendst nötige korrigieren und die "Generalschlüssel für eine beliebige Anzahl von Plattformen" wollten, betonte Christian Wirth (AfD). Die Weitergabe von IP-Adressen und Portnummern sei ein Schritt hin zu mehr Repression. Bei dem vorgesehenen "Angriff auf das freie Internet" lege Schwarz-Rot zudem Hoheitsrecht in die Hände US-amerikanischer Online-Konzerne.

Die Bestandsdatenauskunft sei sehr wichtig "für die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden", meinte dagegen Nina Warken (CDU). Die Koalition differenziere hier nun besser und lege Übermittlungsvorschriften für die Diensteanbieter und damit korrespondierende Erhebungsbefugnisse für die Polizei und Geheimdienste fest. Das BVerfG habe nur "mikrochirurgische Eingriffe" erbeten in Form genauerer Tatbestandsvoraussetzungen, ergänzte der CSU-Abgeordnete Michael Kuffer. Den Grünen warf er Schadenfreude über jede erdenkliche "Schwächung unseres Sicherheitsapparates" vor.

Es kämen nun "strengere Regeln" für den Zugriff auf Kundendaten und Passwörter, verteidigte Uli Grötsch für die SPD den Entwurf. "Wir begrenzen die Datenabrufrechte auf besonders schwere Straftaten und konkrete Gefahren." Die Koalition will mit der Initiative aber auch draufsatteln: So sollen etwa Behörden der Zollverwaltung und die nach Landesrecht für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten zuständigen Ämter auf Bestandsdaten zugreifen können, um gegen Schwarzarbeit vorzugehen.

Grötsch mahnte zur Eile, damit Steinmeier auch das "Hate Speech"-Gesetz bald ausfertigen könne: "Hass und Hetze im Netz produziert Mörder." Dies habe sich nicht nur in den USA beim Sturm auf das Kapitol gezeigt, sondern auch bei rechtsextremen Anschlägen in Deutschland. Am 25. Januar soll zunächst noch eine öffentliche Expertenanhörung stattfinden.

(kbe)