Neuer CDU-Chef Laschet: Kein Obernerd, aber süchtig nach Computerspielen

Die CDU hat Armin Laschet digital zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt. Er will Deutschland "technologisch an die Spitze" bringen und ein Digitalministerium.

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(Bild: Shutterstock/Electric Egg)

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Das Ergebnis ist vergleichsweise knapp, aber Armin Laschet konnte sich am Samstag im zweiten Wahlgang mit 521 gegen 466 Stimmen gegen seinen Hauptkonkurrenten Friedrich Merz im Kampf um den CDU-Vorsitz durchsetzen. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident, den Beobachter nicht in der Favoritenrolle gesehen hatten, erklärte nach seinem Sieg, sich der Verantwortung bewusst zu sein, die mit dem Amt verbunden sei.

Angesichts der Corona-Pandemie vollzog die CDU die erste rein digitale Wahl in Deutschland. Sie muss nachträglich per Briefwahl bestätigt werden, da das Parteiengesetz noch einen analogen Ansatz vorsieht. In seiner neuen Funktion an der Spitze der Christdemokraten muss sich Laschet netzpolitisch nun an seinem Anspruch messen lassen, mit der Digitalisierung durchzustarten. Diesen hatte er in einem Impulspapier für ein "innovatives und lebenswertes Deutschland" umrissen, das er gemeinsam mit seinem Team-Partner Jens Spahn jüngst veröffentlichte.

Laschet und Gesundheitsminister Spahn, den die CDU mit recht bescheidenen 589 Stimmen zu einem von fünf Vizevorsitzenden wählte, wollen laut ihrer Agenda vor allem ein Digitalministerium schaffen, "das seinen Namen verdient". Es soll "umfassende Kompetenzen zur Modernisierung der Infrastruktur und der Arbeitsweise von Behörden" erhalten. Das Duo macht sich zudem für eine Reform des Datenrechts stark und will damit "Datenschutz und Datennutzung gleichzeitig ermöglichen". Bei der inneren Sicherheit wirbt das Team für einen "konsequenten Vollzug" der Null-Toleranz-Linie bei Kriminalität und Extremismus.

Als "Ziel 2030" schwebt Laschet und Spahn die "modernste digitale Infrastruktur" vor. Dabei helfen sollen etwa "standardisierte Genehmigungsverfahren beim Ausbau von Glasfaser, LTE und 5G". Vorige Woche hatte Laschet in einem Video-Talk mit dem C-Netz zu bedenken gegeben, dass staatliche Förderprogramme für digitale Schulen und den Breitbandausbau nicht wirklich wirkten. Oft seien diese so bürokratisch gestrickt, dass die Menschen die Lust verlören. Bei der Digitalisierung müsse der Staat "mindestens so gut sein wie die Unternehmen", doch in der Verwaltung gebe es dagegen "Widerstände ohne Ende".

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"Wir müssen technologisch an die Spitze", betonte der 59-Jährige. Künstliche Intelligenz (KI) etwa sei "ein drängendes Thema". Auch bei "Quantenrechnern müssen wir mitspielen können". Die Arbeit an diesen Schlüsseltechnologien sollte "gleichzeitig passieren". Ein Regierungschef müsse aber nicht "der oberste Nerd der Republik" sein, sondern besser "auf die hören, die sich da auskennen", und ihnen Rückendeckung geben.

Der Missbrauch sozialer Medien und anderer Internetforen durch "Hass, Antisemitismus, Verschwörungstheorien und ganz gezielte Fälschungen" werde zunehmen, befürchtet Laschet. Er will dagegenhalten etwa mit "Lehrstühlen, die sich mit ethischen Fragestellungen beschäftigen". Eine Regulierung auf diesem Feld sei besonders heikel. Der Jurist unterstrich: "Wir müssen einen gesellschaftlichen Konsens erzielen", dass staatliche Einflussnahme hier "im Interesse aller" sei. Die Rhetorik aus dem Silicon Valley, dass das Internet von sich aus zu einer "besseren, informierteren, transparenteren Welt" führe, habe sich überlebt.

Persönlich sei er immer für einen "Netflix-Abend" zu gewinnen, ließ Laschet durchblicken. Aber auch "unsere Mediatheken sollten noch besser werden", spielte er auf die Online-Archive etwa von ARD und ZDF an. Computerspiele finde er "faszinierend". Wenn er damit beginne, "hör ich gar nicht mehr auf". Er versuche daher, "gar nicht daran zu nippen".

Der Präsident des IT-Verbands Bitkom, Achim Berg, verknüpfte seine Gratulation an den neuen CDU-Vorsitzenden mit dem Hinweis: "Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehört, die Digitalisierung in Deutschland in allen Bereichen von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat voranzutreiben." Nötig sei ein "digitaler Aufbruch". Derzeit scheiterten viele Schulen weiterhin "an einfachsten digitalen Aufgaben, in unserer Verwaltung dominieren Aktenordner und Faxgeräte".

Speziell der deutsche Mittelstand und das Handwerk täten sich mit der Digitalisierung schwer, monierte Berg. Das räche sich in der Corona-Krise, da "auch zehn Monate nach Beginn der Pandemie noch immer nur ein Bruchteil der Verwaltungsbeschäftigten im Homeoffice arbeiten kann". Die CDU müsse unter ihrem neuen Chef digitale Teilhabe fördern und die digitalpolitischen Kompetenzen in einem Ressort bündeln.

Auch für den neuen Chef des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, zeigt sich gerade in der Krise, "dass der dramatische Rückstand in der Digitalisierung in öffentlicher Verwaltung und im Gesundheitssystem zunehmend zum Standortrisiko wird". Die große Koalition hinterlasse eine große Infrastruktur- und Investitionslücke. Herausforderungen wie Corona, Digitalisierung und Klimaschutz müssten finanziert werden, was Wirtschaft und Gesellschaft stark fordere.

Arbeitgeber-Präsident Rainer Dulger appellierte an Laschet: "Wir brauchen Schwerpunkte bei Investitionen in Bildung und Infrastruktur." Der Chef der Schwesterpartei CSU, Markus Söder, suchte den Schulterschluss "Gemeinsam werden wir die Erfolgsgeschichte der Union fortschreiben", twitterte der Bayer, der in aktuellen Umfragen als aussichtsreichster Kanzlerkandidat der Union gehandelt wird. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz wünschte Laschet ein "glückliches Händchen". Der Chef der Linken, Bernd Riexinger mahnte: "Statt der Politik von Gestern brauchen wir Visionen für die Zukunft."

(tiw)