Daten-Intermediäre: Die noch unbekannten Wesen

Neutrale Datenmittler und Treuhänder sollen das Datenteilen schmackhafter machen. Doch die Modelle werfen viele Fragen auf.

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(Bild: whiteMocca/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Ulrich Hottelet
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Der Austausch von und Handel mit Daten floriert. Die führenden digitalen Plattformen stammen aus den USA und China, aber auch europäische Player sind am Markt. Die Europäische Kommission hat im November die Data-Governance-Verordnung vorgestellt, um die Plattformen zu regulieren und den Austausch von Daten für eine gemeinschaftliche Nutzung zu fördern. Neutrale Datenmittler sollen dabei als Vertrauensinstanzen arbeiten. Eine ähnliche Stoßrichtung hat die Datenstrategie der Bundesregierung, wonach Datentreuhänder helfen sollen, den Datenzugang und -austausch zu sichern. Beide Modelle standen am Mittwoch in Berlin beim "cybersec.lunch#18" des Tagesspiegels zur Diskussion. Dabei wurde klar, dass noch viele Fragen beantwortet offen sind.

"Der Data Governance Act soll die Transaktionskosten beim Datenaustausch senken und gleichzeitig das Vertrauen erhöhen", erklärte Malte Beyer-Katzenberger, Teamleiter Datenpolitik und -innovation in der EU-Kommission, den EU-Ansatz. Dem Einzelnen soll es möglich werden, seine Daten zu teilen. Dabei sei der Datenraum nicht zwingend eine Plattform. "Wir müssen Datenpools in Europa bauen. Unsere Daten liegen viel zu verteilt in verschiedenen Nutzerkonten. Wir müssen das zusammenführen." Mit der Bundesregierung sei die Kommission in enger Abstimmung auch darüber, wie sich beide Modelle gegenseitig verstärken könnten.

"Wir sind weiter als wir vor Jahren mit unserem 'Daten für alle'-Gesetzesvorschlag waren. Erfreulich ist auch, dass wir das Dateneigentum beerdigt haben", freute sich die stellvertretende digitalpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag, Elvan Korkmaz-Emre. Geteilte Daten seien eine große Chance etwa für personalisierten Medizin mit exakter Dosierung je nach individuellen Gesundheitsdaten. Dabei sei Datenschutz wichtig und müsse "von Anfang an mitgedacht werden". Die DSGVO sei "ein Ermöglicher und nicht ein Verhinderer von Innovation", denn sie schaffe Transparenz und Vertrauen, ohne die Menschen ihre Daten nicht teilen würden. Das zeige auch die Erfahrung mit der Corona-Warn-App. Mit Blick auf die Union als Koalitionspartner wandte sich die SPD-Politikerin dagegen, die in der DSGVO geregelte Zweckbindung der Datennutzung aufzuweichen.

In eine ähnliche Richtung argumentierte der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber. Er bewertete die beiden Initiativen aber kritischer: "Datentreuhänder klingt als Schlagwort gut, aber es werden damit völlig verschiedene Ziele verfolgt. Jeder versteht etwas anderes darunter." Der Entwurf der EU-Kommission werfe viele Fragen auf. So schaffe er eine neue Aufsichtsinstanz. Die Datenschutzbehörden müssten eingebunden bleiben. Die Einwilligung in die Datennutzung reiche nicht aus, denn diese könne dennoch gegen das Gemeinwohl verstoßen. Beyer-Katzenberger erklärte dagegen, der Data Governance Act schaffe kein "paralleles Regime", die Datenschutzbehörden seien "nicht aus dem Spiel". Die DSGVO gelte weiter voll.

Unklare Begriffe kritisierte Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands. "Die Begrifflichkeiten gehen durcheinander. Dabei gibt es einen Unterschied. Der Datentreuhänder speichert die Daten und bewahrt sie auf. Er muss unabhängig und neutral sein. Der Datenmittler entscheidet, ob die Daten an den Datentreuhänder weitergeleitet werden." Auch regulatorisch sei eine Unterscheidung wichtig, ob es sich um Musiknutzungsdaten oder eventuell lebenswichtige Fahrzeugdaten handele. Für manche Daten müsse man Anreize zum Teilen setzen.

Beyer-Katzenberger hielt die beiden Begriffe ebenfalls für "noch nicht stabil". Auch die entstehenden Datenkooperativen sollten vorangetrieben werden, zum Beispiel Vereine im Gesundheitswesen. Der Einzelne könne ein Interesse haben an der Nutzung seiner Daten durch die Wissenschaft oder an der Optimierung seiner Fahrzeugdaten. "Die Datenmittler sollen eine Infrastruktur bilden, sodass die Daten gar nicht herausgegeben werden können", sagte er. Daten müssten auch nicht unbedingt transferiert werden, sondern "die Algorithmen können auch zu den Daten kommen".

In einer Frage bezog Korkmaz-Emre klar Stellung: "Die SPD lehnt die Monetarisierung von personenbezogenen Daten ab. Datenmittler müssen unabhängig sein und dürfen nicht Geld damit verdienen." Stattdessen könnten die Intermediäre staatlich finanziert werden oder eine Pauschale für die Bereitstellung verlangen. Es sei aber noch zu früh zu sagen, in welcher Struktur beide agieren sollten.

Etwas anders sah das der EU-Vertreter in Bezug auf Fahrzeugdaten: "Wenn sie immer dem Fahrer oder Halter gehören sollen, wie finanziert sich dann der Autohersteller, der in Sensoren investiert hat?" Wenn die Hersteller Plattformen auch für andere Unternehmen anböten, müssten sie die Plattformen aber von anderen eigenen Diensten abgrenzen. Bühler sagte dazu: "Die Politik muss sich entscheiden: Sollen Daten allen zur Verfügung stehen oder erst mal dem Hersteller?" Letzteres ergebe sich aus dem Konzept des Dateneigentums.

(vbr)