Internet Society: Kopierschutz nicht gesetzlich verankern

Das globale Netzgremium warnt vor dem Verlust wichtiger gesellschaftlicher Nutzerrechte durch die Sanktionierung von Techniken zum Digital Rights Management.

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Angesichts zahlreicher neuer Gesetzesvorstöße in Europa und den USA, mit denen Politiker und Regierungen die Rechte der Informationsindustrie durch die Sanktionierung von Systemen zum Digital Rights Management deutlich ausweiten wollen, hat die Internet Society (ISOC) jetzt vor gravierenden Folgen für die betroffenen Gesellschaften gewarnt. In einer Erklärung spricht sich die ISOC, die Muttergesellschaft wichtiger Netzstandardisierungsgremien wie der Internet Engineering Task Force (IETF) oder dem Internet Architecture Board (IAB), strikt gegen die gegenwärtigen Versuche aus, die umstrittenen Kopierschutztechniken mit dem gesetzlichen Segen auszustatten. Grund: DRM-Systeme "werden so gebaut, dass sie nur die ökonomischen Interessen gewisser Eigentümer intellektuellen Eigentums schützen -- auf Kosten der ökonomischen Interessen viel größerer Teile der Gesellschaft."

Würden die Regierungsvorschläge Wirklichkeit, die hierzulande etwa mit der bereits vom Bundeskabinett abgesegneten, aber dennoch weiterhin heftig umstrittenen Urheberrechts-Novelle umgesetzt werden sollen, droht laut der ISOC ein wenig erfreuliches Szenario: In einer Welt, in der der Programmiercode von Kopierschutztechniken rechtlich zwangsgesichert werde, seien sämtliche digitalen Medien entweder vollständig nutzungskontrolliert oder total verboten. "Spezielle Interessensgruppen, die sich bisher ständig Innovationen in den Weg gestellt haben, haben damit eine Veto-Macht über neue Technologien", schreibt die ISOC ihre Skizze unter Anspielung auf die wenig internet- und technikfreundlichen Strategien der Musik- und Filmindustrie fort. Das wäre ein Fiasko für die Gesamtgesellschaft, die ein gewaltiges ökonomisches Interesse etwa an der Förderung von freier Forschung habe, da in deren Zuge neue Produkte, Services und Jobs geschaffen würden.

Urheberrechte müssten im Rahmen einer "vernünftigen öffentlichen Politik" zwar respektiert, aber immer im Zusammenhang mit den Rechten der Verbraucher und Nutzer gesehen werden, heißt es in der Mitteilung weiter. Die bisherigen "Fair-Use"-Ausnahmen von den Verbreitungsrechten der Kreativen und der Verwerter ihrer Ideen müssten bei der Neugestaltung des Urheberrechts berücksichtigt werden. In Deutschland sind diese "Fair-Use"-Bestimmungen in "Schrankenregeln" wie das Recht auf die Privatkopie gefasst und geraten momentan im digitalen Bereich in Gefahr. Aber auch aus rein technischer Perspektive ist die ISOC gegen die "Verrücktheit einer von Regierungen vorgeschriebenen Technik": Das ganze Konzept würde die Entwicklung an einem gewissen Punkt einfrieren und die Entwicklung neuerer und besserer Standards behindern.

Als klassisches Beispiel für die Gefahren einer DRM-Gesetzgebung, wie sie hierzulande von Verbänden wie dem Bitkom äußerst vehement und mit einer selten erlebten Hartnäckigkeit gefordert wird, führt die ISOC den Digital Millennium Copyright Act (DMCA) in den USA an. Damit wird -- gemäß der Vorgaben der World Intellectual Property Organization (WIPO) -- die Umgehung von technischen Kopierschutzmaßnahmen unter Strafe gestellt. Das sei gut gemeint, da das Gesetz ja vorgebe, den Urheberrechts-Eignern zu helfen. Gleichzeitig behindere es aber ernsthaft die Forschung in Feldern wie Verschlüsselung und im gesamten Sicherheitsbereich. Die Internet Society ruft daher die Politiker weltweit auf, den Schaden durch offensichtlich "kurzsichtige Gesetzesinitiativen" zu minimieren. Sie müssten bei der Umsetzung der WIPO-Urheberrechtsverträge darauf achten, die Fortschritte im Bereich Wissenschaft und Technologie nicht zu gefährden. (Stefan Krempl) / (jk)