Bundesverfassungsgericht erlaubt Ermittlern Zugriff auf E-Mails beim Provider

Bei der Sicherstellung von E-Mails auf dem Server des Providers können sich Ermittler auf Regelungen zur Beschlagnahme stützen, die strengeren Voraussetzungen zur Telefonüberwachung müssen dazu nicht erfüllt sein, entschieden die Richter.

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E-Mails können bei Ermittlungen der Polizei auch dann beschlagnahmt werden, wenn sie auf dem Mailserver eines Internet-Anbieters gespeichert sind. Nach einem Beschluss (2 BvR 902/06) des Bundesverfassungsgerichts können die Ermittler sich dabei auf die Regelung zur Beschlagnahme (Paragraphen 94 ff.) stützen – die strengeren Voraussetzungen einer Telefonüberwachung (Paragraph 100a) müssen dazu nicht erfüllt sein. Allerdings unterliegen gespeicherte Mails grundsätzlich dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses, sodass bei einer Beschlagnahme genau geprüft werden muss, ob der Eingriff in die Rechte des Betroffenen noch verhältnismäßig ist.

Mit der heute veröffentlichten Entscheidung wies das Karlsruher Gericht die Verfassungsbeschwerde eines Firmeninhabers ab. Im Zuge von Ermittlungen wegen Untreue und Betrugs – die sich nicht gegen ihn, sondern gegen Geschäftspartner richteten – waren seine Räume durchsucht worden. Da er seine Mails nicht auf dem eigenen Rechner, sondern auf dem Server des Providers gespeichert hatte, ließen die Ermittler dort rund 2500 Mails kopieren.

Der Beschwerdeführer hatte seine E-Mails auch nach dem Abruf in einem zugangsgesicherten Bereich auf dem Mailserver seines Providers speichern lassen, erläutert das Bundesverfassungsgericht. Der Beschwerdeführer habe die Ermittler darauf hingewiesen und sich gegen einen Zugriff auf die E-Mails verwahrt, weil der Durchsuchungsbeschluss dies nicht zulasse. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, der Deutsche Anwaltsverein und die Bundesrechtsanwaltskammer hielten seine Verfassungsbeschwerde für begründet.

Wenn E-Mails bei einem Provider gespeichert seien, habe der Kunde keine technische Möglichkeit, die Weitergabe der E-Mails durch den Provider an Dritte zu verhindern, heißt es in dem Beschluss. Da diese Form der Kommunikation durch "Mangel an Beherrschbarkeit" leichter einem staatlichen Zugriff ausgesetzt sei als eine direkte Kommunikation, sei sie besonders schutzbedürftig. Allerdings seien wirksame Strafverfolgung, Verbrechensbekämpfung und öffentliches Interesse legitime Zwecke, die eine Einschränkung des Fernmeldegeheimnisses rechtfertigen könnten.

Ermittlern werde es nicht immer möglich sein, E-Mails nach ihrer Relevanz für das Verfahren vor Ort zu sortieren. Daher müsse die "vorläufige Sicherstellung" größerer Teile oder des gesamten E-Mail-Bestands erwogen werden, an die sich eine Durchsicht anschließt, schreibt das Gericht. Bei dieser Prüfung kann der Betroffene einbezogen werden, auf jeden Fall muss er über den Zugriff informiert werden, damit er seine Rechte wahrnehmen kann.

Wenn eine Trennung der E-Mails nicht zumutbar sei, könne auch der gesamte Datenbestand beschlagnahmt werden. Allerdings müsse im Einzelfall geprüft werden, ob hier das Übermaßverbot eingehalten wird. Und "es muss sichergestellt werden, dass Kommunikationsinhalte des höchstpersönlichen Bereichs nicht gespeichert und verwertet, sondern unverzüglich gelöscht werden, wenn es ausnahmsweise zu ihrer Erhebung gekommen ist", heißt es in der Entscheidung.

2007 hatte sich das Bundesverfassungsgericht zur Frage des Zugriff auf Inhaltsdaten von E-Mails erstmals geäußert und sie erst einmal ausdrücklich ungeklärt gelassen, bis eine Verfassungsbeschwerde vorliegen sollte. In der Zwischenzeit hatte das Landgericht Hamburg in einem ähnlichen Verfahren der E-Mail-Überwachung hohe Hürden gesetzt und betont, das Bedürfnis nach Schutz auf Basis des Fernmeldegeheimnis bestehe auch dann, wenn der E-Mail-Empfänger die Nachrichten dauerhaft auf dem Server des Providers belasse.

Seit einiger Zeit diskutieren Juristen über die Bedeutung, ob eine E-Mail als nicht abgeschlossene Telekommunikation gilt, also noch gar nicht gelesen wurde, oder beim Provider nach dem Lesen nur noch gespeichert ist. Wenn eine E-Mail während der Phase der Speicherung in der Empfänger-Mailbox beim Provider als Telekommunikation gelten würde, wäre sie nur nach Paragraphe 100a der Strafprozessordnung (StPO) überwachbar. Wenn die E-Mail während des Ruhens in der Mailbox nicht als Telekommunikation gelten würde, könnte sie mit deutlich niedrigeren rechtlichen Voraussetzungen nach Paragraph 94 StPO beschlagnahmt werden. Für das Bundesverfassungsgericht war es nun unerheblich, ob die ruhenden E-Mails gelesen oder noch nicht zur Kenntnis genommen wurden.

Einen weiteren Weg fand dieses Jahr der Bundesgerichtshof. Für die Richter dort stellte der Zugriff auf E-Mails in der Mailbox eine Postbeschlagnahme nach Paragraph 99 StPO dar. In dieser Phase sei der Zugriff "vergleichbar mit der Beschlagnahme beispielsweise von Telegrammen". (anw)