Raus aus dem "proprietären Zeitalter": Dortmund setzt weitgehend auf Open Source

Der Dortmunder Stadtrat hat beschlossen, wo immer möglich Open Source zu nutzen und den offenen Quellcode dabei auch der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen.

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(Bild: PhotoSGH/Shutterstock.com)

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Microsoft dürfte es in Dortmund künftig deutlich schwerer fallen, in der Verwaltung zu fensterln. Der Rat der Stadt hat im Rahmen eines Memorandums Digitalisierung 2020 bis 2025 beschlossen, "wo möglich" Open-Source-Software einzusetzen. Weiter heißt es in dem Papier: "Von der Verwaltung entwickelte oder zur Entwicklung beauftragte Software wird der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt."

Das Dortmunder Systemhaus (Dosys) soll für die operative Umsetzung der Digitalisierungsprozesse zuständig sein und dabei die nötigen Maßnahmen und ihre Umsetzung mitdenken. Um diese Zuständigkeit zu betonen, wird die IT-Stelle dem Plan nach zum Amt für Digitales und Informationstechnik (DIGIT) aufgewertet.

Der Beschluss erfolgte bereits am 11. Februar, seit Dienstag ist er mit dem Protokoll der Ratssitzung schwarz auf weiß verfügbar. Die Stadt Dortmund habe damit "die politische Zeitenwende eingeläutet und den Ausstieg aus dem proprietären Zeitalter begonnen", begrüßte Do-FOSS (Free and Open Source Software) die Entscheidung. Die Bürgerinitiative macht sich für freie und quelloffene Software stark und bereitete der neuen Strategie über die Jahre hinweg den Weg.

Für Do-FOSS geht mit der Ansage eine "Beweislastumkehr zugunsten von Open-Source-Software" einher. Die Verwaltung müsse künftig die Vorteile eines potenziellen Einsatzes proprietärer Programme etwa von Microsoft gegenüber freier Software klar begründen. Zudem folge der Rat dem Anliegen der Kampagne Public Money – Public Code. Was an Computerprogrammen mit öffentlichen Geldern finanziert werde, solle von allen über eine freie Lizenz genutzt werden können.

Jetzt kommt es laut Do-FOSS darauf an, "dass die Stadt die geeigneten Mittel findet, diesen Ausstieg mittels einer proprietären Exitstrategie praktisch umzusetzen und bestehende Händlereinschlüsse aufzulösen". Die praktische Verwaltungsarbeit für freie Software habe den notwendigen politischen Rückhalt, um gelingen zu können. Den Digitalisierungsantrag hatten die Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und Linken gemeinsam eingebracht und dafür gestimmt. Die FDP enthielt sich, da sie beim Dosys den Einbezug von mehr externem Sachverstand gefordert hatte.

Voriges Jahr hatte die Arbeitsgruppe "Freie Software" der Stadt Dortmund bereits Chancen und Risiken sowie Aufgaben ausgelotet, die mit einer Migration hin zu Open Source verbunden wären. Bis Mitte 2022 soll auf dieser Grundlage ein vollständiger "Ergebnisbericht" folgen und als Leitfaden für weitere Schritte dienen. Die Stadtverwaltung startete 2018 damit, im Rahmen eines Masterplans zur Digitalisierung die Weichen in Richtung freie Software zu stellen. Sie will so "Wege zur Reduzierung von Abhängigkeiten zu einzelnen IT-Anbietern" finden sowie offene Standards voranbringen.

Durch den Paradigmenwechsel "gibt es nun die politische Rückendeckung, um die Abhängigkeiten von proprietären Anbietern Stück für Stück aufzulösen", unterstrich Matthias Kirschner, Präsident der Free Software Foundation Europe (FSFE). Er appellierte an andere Verwaltungen in Deutschland und Europa, dem Vorbild Dortmunds zu folgen. Die mit freier Software verknüpften Vorteile erlaubten es staatlichen Akteuren, Steuern zu sparen, Innovation zu fördern und die IT-Sicherheit auf eine solidere Basis zu stellen.

Dortmund unterstreiche mit dem wegweisenden Entschluss, Linux & Co. Priorität einzuräumen, "eine zukunftsgerichtete und nachhaltige Strategie bei der Digitalisierung der Stadt", erklärte Peter Ganten von der Open Source Business Alliance. Besonders gut gelaufen sei dabei die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Politik, Verwaltung und den in Do-FOSS engagierten Bürgern. Dies untermauere, dass "gute und nachhaltige Digitalisierung auch im Fokus des gesellschaftlichen Interesses steht".

Do-FOSS-Geschäftsführer Christian Nähle erläuterte, dass das Bündnis bewusst klein angefangen und zunächst Kontakt zum behördlichen Datenschutzbeauftragten sowie zur Personalvertretung gesucht habe. "Wir haben uns Einschätzungen des städtischen IT-Hauses geholt und uns bei anderen Verwaltungen umgehört", berichtete der Aktivist. Dabei seien auch Widersprüche zutage getreten. Mit Briefen an politische Ausschüsse sei es weitergegangen, um auf demokratische Weise einen Dialog zu starten. Für diesen Weg brauche es einen langen Atem.

(olb)