#heiseonline25: Keine Atempause ... ein Viertel-Jahrhundert voller Nachrichten

Fische werfen ist heute nicht. Oder doch? Jedenfalls feiern wir 25 Jahre heise online. Zugegeben, mit etwas zurechtgerücktem Datum.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 69 Kommentare lesen

(Bild: 3Dsculptor / Shutterstock.com)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber
Inhaltsverzeichnis

Gibt es heute einen Störer, der haftbar gemacht werden kann? Werden heute munter Fische geworfen? Aber klar doch! Wie wäre es mit Stören, denen wir den guten Kaviar verdanken? Dazu ein Stößchen Perlwein, denn mitten in diesem angeblich "härtesten Lockdown aller Zeiten" wird heise online 25 Jahre alt.

Das ist ein wahrlich respektables Alter für so einen kleinen Newsticker in diesem unserem Netz. Nun gut, verglichen mit den 50 Jahren, die FTP gerade hinter sich hat, mag heise online sehr jugendlich sein, doch das Netz vergisst bekanntlich alle fünf Jahre, dass das Netz nichts vergisst. So oder so, diesmal kann keine Party gefeiert werden, obwohl es für einen kleinen fischrüberreich immer langen dürfte. "Was heise eigentlich Newsticker?", dürfte im beliebten OTF-Forum zum Jubiläum gefragt werden.

25 Jahre heise online

Eigentlich ist es ja schon 27 Jahre her, dass heise online mit ix.de startete. Redakteure von iX hatten den ersten Web-Server des Verlags auf dem Redaktions-Server installiert und zeigten ihn auf dem CeBIT-Messestand. Am 17. April vor 25 Jahren aber ging es auf heise online mit Newsticker und einer ersten, noch recht rudimentären News-Meldung so richtig los. Gleichzeitig wurde mit www.heise.de ein gemeinsames Dach für alle Magazine des Verlags geschaffen.

Wenn uns auch viele Themen bereits der ersten Tage auf heise online immer wieder beschäftigten, so hat sich mittlerweile das Universum von heise online, was Meldungen, Themenspektrum und Angebote angeht, stark ausgedehnt. Bis hin zu neuen Video- und Podcast-Formaten und dem Abo-Angebot heise+ für alle Artikel aus den Magazinen von heise Medien und exklusive Hintergrund- und Know-how-Artikel.

Zum Jubiläum starten wir eine Reihe von Artikeln und Aktionen, die die Geschichte von heise online (und der Foren) beleuchten und Einblicke in hard- und softwaretechnische Hintergründe sowie die Arbeit der Redaktion ermöglichen. Nicht zu vergessen das eine oder andere Quiz zu wichtigen Geschehnissen und Meilensteinen, und[ [...], und ... – leider angesichts der Corona-Pandemie im Unterschied zum 20-Jahre-Jubiläum dieses Mal ohne User-Party. Zur Erinnerung bietet sich die Spotify-Playlist für die Party an.

Jedenfalls: Es wird auch aus Anlass des 25-Jährigen einiges los sein. Stay tuned!

Die Antwort ist klar. Mit 50 bis 60 Nachrichten pro Tag hat der vor 25 Jahren gestartete Newsticker mittlerweile eine Schlagzahl erreicht, die im IT-Sektor ihresgleichen sucht, von der Zahl der Leserinnen und Leser ganz zu schweigen. Verglichen mit dem sommerlich kräftig gefeierten Jubiläum zum 20. Geburtstag hat es in den letzten fünf Jahren etliche Fortschritte gegeben. So hat heise online mittlerweile eine eigene Redaktionsstruktur mit einem eigenen Chefredakteur, unabhängig vom einstigen Mutterschiff c't. Was uns natürlich zu der hübschen Anekdote führt, dass der Online-Chef Dr. Volker Zota, auf der großen Geburtstagsparty mit Julian Assange verwechselt wurde. 5 Jahre hat auch Botti auf dem Buckel, der garantiert unbestechliche Algorithmus, der News auf das Smartphone spült. Ein noch jüngeres Angebot als Ausdruck der neuen Selbstständigkeit von heise online ist das 2019 gestartete Bezahlangebot heise+.

Der Geburtstag von heise online wurde nicht nur nach 20 Jahren ausgiebig gefeiert. Bereits nach 10 Jahren war es ungluablich, was aus dem kleinen Newsticker geworden ist, dem Skeptiker eine Lebensdauer von wenigen Wochen prognostiziert hatten. Zur historischen Einordnung gehört denn auch diese lustige Anekdote: Einen Tag nach dem Start des Newsticker begann in Bonn die Initiative Schulen ans Netz mit ihrer Arbeit, alle Schulen in Deutschland an das Internet anzuschließen. Die wichtige Arbeit wurde 2012 eingestellt, weil der Verein sein Gründungsziel erreicht hatte. Liest man 2021 all die Ticker-Geschichten von den Schwierigkeiten, die Schulen heute in der Pandemie haben, ihren Schülern ein ordentliches "Homeschooling" anzubieten, so müssen wir in einer alternativen Realität leben.

Zeitreise: heise online im Lauf der Jahre (22 Bilder)

Spartanische Anfänge...
(Bild: heise online / Wayback Machine)

Natürlich wird auch in dieser unserer Realität unverdrossen über Flops der Technik und Tops der Wissenschaft berichtet. Verglichen mit dem Start vor 25 Jahren oder auch nur im Rückblick von 5 Jahren sind Themen hinzugekommen, die die reinen IT-Bezüge um Größenordnungen übersteigen. Man denke nur an die Debatte über die selbstfahrenden Autos oder Berichte von Flugzeugen ohne Piloten. Doch schon in den ersten Ticker-Berichten von der Hannover-Messe 1996 stand die Automatisierung als Megatrend im Vordergrund. Passend dazu schmiss Bosch auf der aktuellen, virtuellen Hannover-Messe Geburtstagsparty zum 10. Jahrestag von Industrie 4.0 und stellte eine 134 Jahre alte Drehbank mit IoT-Steuerung vor.

Die Geschichte von heise online ist auch die Geschichte, wie mit Hilfe der IT Überwachungstechnologien und Überwachungsphantasien in unseren Alltag eingedrungen sind. Eine der ersten Ticker-Meldungen befasste sich mit neuronalen Netzen und berichtete, wie Bankkunden mit Hilfe einer Überwachungskamera identifiziert werden können. Zehn Jahre später beklagte ein Datenschützer, dass der gläserne Mensch eine Realität geworden sei und die Überwachung des öffentlichen Raumes durch Videokameras überhandgenommen habe. Das zeige auch die Debatte um Videoüberwachung in Schulen.

449 Kommentare befassten sich mit der schlechten Nachricht: heise online hatte Foren bekommen, in denen die Nachrichten rege diskutiert wurden, auch mit Forums-Klasssikern wie dem Satz "Wer fundamentale Freiheiten aufgibt, um ein wenig Sicherheit zu gewinnen, verdient weder Freiheit noch Sicherheit." 20 Jahre später wurde die Überwachung weiter ausgebaut, wie die Meldung Verkehrsminister fordern flächendeckende Videoüberwachung in öffentlichen Verkehrsmitteln zeigt. Heute wird über biometrische Gesichtserkennung mit Hilfe künstlicher Intelligenz diskutiert und über das flächendeckende vorbeugende KFZ-Scanning räsoniert.

Natürlich gibt es auch lustige Dinge, die sich niemals verändern. Man denke nur an die unendliche Geschichte um die Drohungen von SCO, die an vielen Freitagen im Ticker ein erholsames Wochenende einläuteten mit zahlreichen Späßen von launigen Foristen verziert. Wer dachte, der Drops ist gelutscht, wurde zum 1. April eines Besseren belehrt. Denn da meldete sich von den US-amerikanischen Jungferninseln Xinuos, die Firma, die vor 10 Jahren die Rechte an Unixware und Openserver von SCO gekauft hatte mit einer grandiosen Pressemeldung zu Worte. Nun will man IBM und Red Hat verklagen. Denn Xinuos habe mit Openserver und Unixware bis zum Jahre 2008 (!!) die führende Marktposition im Marktsegment der Unix- und Linux-Server innegehabt, während IBMs Server-Geschäft rückgängig war. Durch "ungesetzliche Schritte" hätten beide Firmen dann Xinuos vom Markt verdrängt und gestohlenes geistiges Eigentum von Xinuos genutzt, um den Markt zu dominieren. Schließlich habe IBM noch Red Hat gekauft, um weiterhin Konsumenten, innovative Konkurrenten und generell alle Innovationen "schikanieren" zu können. Nun kann IBM entscheiden, ob es Xinuos Geld gibt oder dies in seine Anwaltskosten investiert. Fische! Gedichte! Kinderlieder!

Zehn kleine UNIX Zeilen
Reicht man ein zur Klage.
Die eine die auf griechisch war,
War leider viel zu vage......

Bereits in den ersten Monaten tauchten im Strom der Nachrichten netzpolitische Themen auf, häufig angestoßen durch Entwicklungen in den USA, wo die "Datenautobahn" etwas breiter ausgebaut war. Man mag sich an die donnernde Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace von Perry Barlow erinnern, die auf der Schwesterplattform Telepolis erschien oder eben an den ersten Unabhängigkeitstag des Internet, als der Communications Decency Act von einem Gericht abgeschmettert wurde.

Das viel ältere Thema von der Freiheit des Cyberspace als globalen Raum, das schon im Usenet diskutiert wurde, durchlebte in den 25 Jahren alle Höhen und Tiefen. Tiefpunkte setzte es ja in Deutschland genug, vor allem durch Politiker , die betonten, dass das Internet kein rechtsfreier Raum sein dürfe, wenn sie nicht gerade über den alles verhindernden Datenschutz sprachen oder die Verschlüsselung der Kommunikation verteufelten. 10 Jahre später weitete sich das Thema mit einer hitzigen Debatte über Netzneutralität aus, gefolgt vom Ansinnen der USA, in den TK-Verbindungsdaten der EU-Staaten zu schürfen. Was dann praktiziert wurde, wie wir seit 2013 durch die Enthüllungen von Edward Snowden wissen.

Wie groß der Abstand von 25 Jahren ist, wie gründlich die IT das Bewusstsein der Menschen verändert hat, kann man an der Debatte über die Corona-Warn-App verfolgen. Wie selbstverständlich wird angenommen, das die Bürger die CWA installiert haben und bald mit Schnelltest-Nachweisen und dem Impfstatus füllen. Als heise online 1996 startete, befand ein Gericht, dass ein Computer kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens ist. Ein sehbehinderter Mann hatte beim Versorgungsamt einen PC beantragt, um mittels Screenreader wieder informationell selbstständig sein zu können. Das wurde ihm versagt. Heute ist der Antrag auf Landesblindengeld ein PDF-Formular, das am PC ausgefüllt werden muss.

Als der 20. Geburtstag von heise online mit Party, Rätseln und den Geburtstagsartikeln vieler User und Userinnen und Kreisläufern gefeiert wurde, endete der Rückblick mit einem gewagten optimistischen Ausblick: "Gut möglich, dass der Bericht zum 40. Geburtstag von heise online von einer Weltraumstation geschickt wird." Solche Zukunftsschauen lesen sich inmitten der Pandemie, umgeben von Politikern und Politikerinnen, die nichts als Wahlkampf im Kopf haben, sofern sie nicht gerade Immobiliengeschäfte tätigen, reichlich naiv. Wer immer dieses Geburtstagsständchen auf seinem Holodeck nachlesen wird, bitte ich um Nachsicht. Wir sind alle etwas erschöpft, die Frisur sitzt nicht mehr und die Radler von den Bringdiensten haben auch keinen Planet B in ihren Klumptaschen.

(jk)