WTF

Gruß aus der Vergangenheit: Neues Notebook mit nicht ganz so neuem Prozessor

Im 630 Euro teuren Peaq Classic C150 von MediaMarktSaturn arbeitet ein Core i7 aus längst vergangenen Zeiten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 61 Kommentare lesen

Peaq Classic C150

(Bild: MediaMarktSaturn)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Florian Müssig
Inhaltsverzeichnis

Im Club-Newsletter vom vergangenen Samstag (12. Juni) wirbt MediaMarkt in der Kategorie "Neuheiten des Monats" für das Notebook Classic C150 (7S8512DV) der MediaMarktSaturn-Hausmarke Peaq. Ein Preis oder weitere Details wurden nicht genannt, sodass der Autor dieser Zeile – seines Zeichens Notebook-Tester bei der c't – beruflich interessiert den Link anklickte: Es handelt sich um ein 15,6-Zoll-Notebook und kostet mit Core-i7-Prozessor, 8 GByte Arbeitsspeicher und einer 512-GByte-SSD knapp 630 Euro; Windows 10 Home ist vorinstalliert.

So weit, so unauffällig – wenn man davon absieht, dass Brot-und-Butter-Notebooks mit ähnlichen Eckdaten vor der Corona-Pandemie schon für rund 500 Euro zu haben waren. Allerdings machte in diesem Zusammenhang der Core-i7-Prozessor stutzig, denn üblich sind bei solchen Angeboten eher Core-i3- oder Core-i5-CPUs.

WTF

Das Internet ist voll von heißen IT-News und abgestandenem Pr0n. Dazwischen finden sich auch immer wieder Perlen, die zu schade sind für /dev/null.

Beim genaueren Blick in die technischen Daten formiert sich dann schlagartig eine Vermutung, woher die Bezeichnung "Classic" im Namen stammen könnte: Bei dem Prozessor handelt es sich nämlich um einen betagten Core i7-6560U. Dieser entstammt der sechsten Core-i-Generation (Codename Skylake), die im Spätsommer 2015 (!) ihr Debüt feierte. Intel selbst liefert Skylake-Prozessoren schon länger nicht mehr aus; seit dem Spätsommer 2020 ist die elfte Core-i-Generation alias Tiger Lake auf dem Markt.

In der offiziellen Gerätebeschreibung – "Noch mehr Power für das Gerät: Die Taktfrequenz des Prozessors wird dank des integrierten Turbo-Boosts auf bis zu 3,2 GHz angehoben." – fehlt jegliche diesbezügliche Einordnung. Die genannte Taktrate ist korrekt, unterschlägt aber auch, dass mittlerweile Turbos jenseits der 4-GHz-Marke üblich sind; Intel kratzt sogar an der 5-GHz-Schwelle.

Newsletter mit der Notebook-"Neuheit" Peaq Classic C150

(Bild: Screenshot)

Noch dramatischer ist, dass der Core i7-6560U wie damals üblich ein Doppelkerner ist. Seit der achten Core-i-Generation sind bei Notebooks aber Vierkerner üblich; und AMD verkauft seit Anfang 2020 seine Notebook-Prozessoren mit bis zu acht Kernen (Ryzen 4000) – und dementsprechend ungleich mehr Rechenleistung. In konkreten Zahlen: Im Cinebench R15 – die neueren R20 und R23 sind erst später erschienen – erzielt ein Skylake-Doppelkern rund 320 Punkte. Aktuelle Vierkerner schaffen 600 (Ryzen 3 4300U) bis über 800 Punkte (Core i7-1165G7) – und AMDs Achtkerner je nach Kühlung 1200 bis 1500 Punkte. Für 650 Euro gibt es das Notebook übrigens auch mit Core i7-7560U (siebte Core-i-Generation, Kaby Lake), was aber nichts an der groben Einordnung ändert: Auch das ist ein veralteter Doppelkerner.

Die Performance eines Skylake-Zweikerners wird inzwischen schon von Small-Core-Prozessoren (ehemals Atom) wie dem Pentium Silver N6000 erreicht (frisch gemessene 316 Punkte im Cinebench R15). Das ist ebenfalls ein Vierkerner, der sich aber mit maximal 6 Watt Abwärme begnügt, während der i7-6560U 15 Watt verheizt. Den Pentium Silver N6000 findet man dieser Tage in ersten Notebooks wie dem Acer Aspire 3 (A317-33).

Ein weiterer Vorteil: Der nagelneue N6000 hat eine aktuelle integrierte Grafikeinheit, während der i7-6560U diesbezüglich auf dem Stand von 2015 stehen geblieben ist und unter anderem neuere Videocodecs in höheren Bitraten nicht ohne CPU-Last abspielen kann, was den Lüfter zum Rauschen bringt. Und die 3D-Performance war schon damals nicht allzu dolle. Die offizielle Produktbeschreibung beim Schwester-Shop Saturn, der das Peaq Classic C150 ebenfalls offeriert, ist da übrigens ganz anderer Ansicht: "Die Grafikkarte (Intel® Iris® Grafik 540) von Intel leistet Ihnen bei der Darstellung von Bildern, Videos oder Spielsequenzen gute Dienste." – eine mindestens euphemistische Aussage.

Auch der Satz "Arbeiten, Surfen oder Zocken mit Kinogefühl: Der Bildschirm überzeugt mit einem Bildverhältnis von 16:9." (Saturn) geht an der Realität vorbei – und das nicht nur, weil ich ungern in Cola-klebrigen Sesseln arbeite, während ich mit Popcorn beworfen werde: Seit 2020 geht der Trend hin zu Formaten mit mehr Bildhöhe (16:10, 3:2), weil diese das Arbeiten erleichtern (weniger Scrollen). Bei Premium-Notebooks darf man die besseren Formate inzwischen sogar schon als selbstverständlich erwarten. Zudem: Kinoformat ist eigentlich das noch breitere 2,35:1 ...

Die Produktbeschreibung erwähnt übrigens zwar, dass das Panel dank IPS-Technik blickwinkelstabil ist (gut so!) und dass es keinen Touchscreen gibt, sagt aber nichts zur Oberflächenbeschaffenheit. Ältere C150-Modelle hatten matte Bildschirme, doch die Eigenschaft lässt sich nicht auf andere Ausstattungsvarianten übertragen.

Auch ist unklar, ob man den Arbeitsspeicher erweitern kann. Das Datenblatt sagt zwar "Speichererweiterung: ja", doch der Punkt steht in einem Block, der kurioserweise auch eine Angabe zur SSD enthält. Die Textbeschreibung "Für eine optimierte Systemstabilität hat PEAQ einen Arbeitsspeicher vom Typ DDR3 verbaut. Er kommt mit geringer Betriebsspannung aus, was der Akku-Leistung des Geräts zugutekommt." (Saturn) klingt jedenfalls eher nach Low-Power-RAM. Ältere C150-Modelle haben den Speichertyp konkret als LPDDR3 benannt; und solche Chips sind grundsätzlich aufgelötet.

Apropos älteres Modell: Das Classic C150 (I38256DT) hatte sogar nur einen Core i3-5005U (fünfte Core-i-Generation alias Broadwell, kein Turbo Boost) und wurde mit 8 GByte Arbeitsspeicher, einer 256er-SSD und Windows 10 Home im S-Modus ausgestattet. Es kam allerdings vor der Pandemie mit einer UVP von gerade einmal 380 Euro auf den Markt und wird in den Online-Shops von MediaMarkt und Saturn noch (aber nicht mehr lieferbar) zum zuletzt aufgerufenen Straßenpreis gelistet: 300 Euro.

In diesen Preisregionen mag man über eine geringe CPU-Performance und andere altersbedingte Stolpersteine eher hinwegsehen können. 630 Euro für das jetzige Modell führen aber deutlich vor Augen, welche Auswirkungen nicht nur die pandemiebedingt gesteigerte Nachfrage hat, sondern auch die gleichzeitige Chip- und Komponentenknappheit sowie eine ausgelastete globale Logistik.

Das soll nicht heißen, dass es derzeit unterhalb von 700 Euro pauschal nur noch Schrott gibt: Das letzte Aldi-Notebook Medion Akoya E14304 (MD63780) hatte einen zeitgemäßen Vierkernprozessor, einen matten 14-Zoll-Bildschirm und eine auch sonst ordentliche Ausstattung zum absoluten Kampfpreis von 430 Euro. Beim Peaq Classic C150 (7S8512DV) mit über fünf Jahre altem Prozessor für 200 Euro mehr schlägt das Preis-Leistungs-Pendel aber eindeutig stark in die entgegengesetzte Richtung aus.

Notebooks mit Intels aktueller Tiger-Lake-Generation sind derweil ab 350 Euro erhältlich, wenn auch mit Einsteigerausstattung und häufig ohne Windows-Lizenz.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externer Preisvergleich (heise Preisvergleich) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (heise Preisvergleich) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

(mue)