Disput um österreichische Beteiligung an Unterdrückung in Weißrussland

Unterstützt A1 Telekom Austria Internetzensur in Weißrussland? Die NGO epicenter.works fordert Aufklärung, A1 sieht die Schuld bei der Diktatur.

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Menschen halten Plakate hoch

Demonstration gegen Internetzensur in Weißrussland vor der Konzernzentrale der A1 Telekom Austria in Wien am 16. Juni 2021

(Bild: epicenter.works/Rizar.photo CC BY 4.0)

Lesezeit: 4 Min.
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"Um auf die Verstrickungen des teilstaatlichen Telekom-Austria-Konzerns (A1) in die Internet-Sperren in Belarus hinzuweisen" hat die Bürgerrechtsorganisation epicenter.works am Mittwoch demonstriert, und zwar vor der Zentrale der A1 Telekom Austria in Wien. Der Konzern betreibt in Weißrussland den größten privaten Internetprovider A1. Er kontert mit einem offenen Brief, wonach die Zensur außerhalb des A1-Netzes erfolge und seit sieben Monaten nicht weiter verschärft worden sei.

Letztem Sommer gab es in Weißrussland rund um die "Wiederwahl" des Langzeitdiktators Alexander Lukaschenko Netzsperren und – bremsen. "Es funktioniert kein Youtube, kein Skype, keine Mail und keine Messenger", berichtete die Chefredakteurin des russischen Auslandsfernsehsenders RT, Margarita Simonjan, damals. Zahlreiche Webseiten sowie verschlüsselte VPN-Verbindungen waren ebenfalls nicht verfügbar. Die weißrussischen A1-Netze waren da keine Ausnahme, was das Unternehmen auch zugibt.

Oberstes Ziel sei der Schutz der Mitarbeiter und die Aufrechterhaltung der Dienste für die Kunden gewesen, schreibt A1-CEO Thomas Arnoldner in einem Offenen Brief an epicenter.works: "Klar ist – und da sind wir uns einig: Das beste Internet ist ein funktionierendes Internet. Es ist bekannt, dass uns in Belarus der Zugang zum Internet mangels Bereitstellung von Kapazitäten seitens der staatlichen Monopolisten landesweit eingeschränkt wurde und infolgedessen wir auf Basis regulatorischer Rahmenbedingungen gezwungen waren, an einigen Tagen an vorgegebenen Orten die Internetgeschwindigkeit zu reduzieren."

"Wir haben das als einziger Anbieter in Belarus immer angekündigt und transparent gemacht", teilt A1 mit, "Wir haben dies auch vor dem Hintergrund gemacht, dass die Behörden in Belarus technisch die Möglichkeit außerhalb unseres Netzes haben, bei Nichteinhaltung der Anordnungen das gesamte Internet im gesamten Land nicht nur zu drosseln, sondern zu unterbinden." Den letzten weißrussischen Zensurbefehl habe es im November 2020 gegeben.

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Außerdem habe A1 den betroffenen Kunden Rabatte gewährt: "Sie können also sicher sein, dass solche Internetsperren nicht im Interesse des Unternehmens sind." Die lokale Bevölkerung schätze A1 als Symbol des Westens, was sich in starkem Kundenwachstum seit Beginn der Kreise niederschlage. epicenter.works solle lieber zu Gesprächen in die Konzernzentrale kommen, anstatt davor zu demonstrieren.

Die Bürgerrechtsorganisation verweist auf Messergebnisse, die zeigten, dass A1 in Weißrussland im eigenen Netz die Zensur umgesetzt habe: Die technische Umsetzung hat sich demnach von Maßnahmen anderer Netzbetreiber unterschieden. So hat beispielsweise Mobile TeleSystems falsche DNS-Auflösungen geliefert, A1 aber HTTPS-Verbindungen entführt und HTTPS-Zertifikate verfälscht, um Nutzer vom Aufruf bestimmter Webseiten abzuhalten.

"A1 muss endlich aufklären, wie tief ihre Verstrickungen mit der Regierung in Weißrussland reichen. Dazu müssen die Anordnungen über Sperren und Auskunftsersuchen veröffentlicht werden", fordert epicenter.works, "Es muss geklärt werden, welche Maßnahmen A1 seit den Protesten der Demokratiebewegung gesetzt hat, auch ob die Daten von Demonstranten oder Oppositionellen ausgeleitet wurden."

Hinzu kommt die politische Dimension: Warum ist A1 Telekom Austria, die zu 28,4 Prozent der Republik Österreich gehört und mehrheitlich der mexikanischen América Movil, überhaupt in Weißrussland tätig? Die Verbindung zum Internet war dort schon zum Zeitpunkt des Markteintritts der Telekom Austria in Weißrussland nur über eine von der Diktatur kontrollierte Verbindung möglich. Damals war Telekom Austria noch ein österreichischer und kein mexikanischer Konzern.

2012 hat Weißrussland die Reglementierung der Internetnutzung seiner Bürger und Unternehmen deutlich verschärft. Aufgrund mangelnder Achtung der Menschenrechte hat der schwedische Netzbetreiber Telia 2015 entschlossen, sich aus mehreren eurasischen Ländern zurückzuziehen. Das stünde auch A1 und der Republik Österreich gut zu Gesicht, meint die epicenter.works.

"Wir fordern die Offenlegung der Verstrickungen von A1 mit Belarus und eine Ankündigung von allen österreichischen Firmen, Belarus zu verlassen, wenn das Regime keine freien Wahlen zulässt und weiterhin politische Gefangene nicht frei gelassen werden", betonen die Bürgerrechtler, "Diese Demo war hoffentlich der Start einer schon lange überfälligen Debatte." Während in Wien frei demonstriert werden konnte, sind in Weißrussland Verhaftungen und andere Formen der Unterdrückung Oppositioneller weiter an der Tagesordnung.

(ds)