Russland: Provider sollen Behörden weltweit beim Abhören in Echtzeit helfen

Russland hat bei der UN einen Entwurf für eine Cybercrime-Konvention mit Hackerparagrafen eingebracht. Kritiker befürchten Backdoors und Zensur.

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(Bild: lensmen/Shutterstock.com)

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Ein deutlich schärferes internationales Vorgehen gegen Cyber-Kriminalität fordert Russland. Es hat dazu einen Entwurf für eine "Konvention der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien für kriminelle Zwecke" bei der Staatengemeinschaft eingebracht. Die Moskauer Regierung schlägt damit auf 69 Seiten 89 Artikel vor, mit denen Aktivitäten von Cyber-Kriminellen weltweit als Straftaten behandelt und besser grenzüberschreitend verfolgt werden sollen.

Die Initiative umfasst zahlreiche Delikte, gegen die Strafverfolger hierzulande etwa bereits mit den umstrittenen Hackerparagrafen vorgehen können. Unterzeichnerstaaten sollen demnach den unbefugten Zugang zu elektronischen Informationen, das Abfangen von Daten und Eingriffe in digitale Informationen kriminalisieren. Dies gilt dem Plan nach auch für Störung von Informations- und Kommunikationsnetzen sowie das Erstellen, Nutzen und Verbreiten von Schadsoftware.

Auch der unbefugte Eingriff in kritische Informationsinfrastrukturen, Zugriffe auf persönliche Daten sowie Diebstahl mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien soll international strafbar werden. Dazu gehören strafrechtliche Klassiker. Als Verbrecher soll etwa gelten, wer Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs verbreitet oder schwere Urheberrechtsverletzungen begeht.

Dazu kommen aber auch Klauseln, die in vielen Nationen nicht in den Strafgesetzbüchern und Vollzugsordnungen stehen dürften. Mit Artikel 33 etwa sollen die Staaten einen Online-Diensteanbieter verpflichten, im Einklang mit seinen technischen Möglichkeiten Inhaltsdaten der übertragenen Kommunikation "zu sammeln oder aufzuzeichnen" oder mit den zuständigen Behörden dabei "in Echtzeit zusammenzuarbeiten und sie zu unterstützen".

Das Übereinkommen würde ferner "subversive oder bewaffnete Aktivitäten, die auf den gewaltsamen Sturz des Regimes eines anderen Staates gerichtet sind" verbieten. Zudem würde das Verbreiten terroristischer und extremistischer Informationen inklusive "politischer Hassrede" strafbar. Entsprechende Vorgaben existieren hierzulande zwar bereits, dürften international aber noch deutlich größere Auslegungsprobleme mit sich bringen.

Weltweit strafbar werden soll es laut dem russischen Entwurf ferner, digitale Daten zu erstellen und zu verwenden, um Nutzer etwa mithilfe von Deepfakes zu täuschen. Vielfach würde bereits "die Beihilfe, Vorbereitung und der Versuch der Begehung einer Straftat" kriminalisiert. Dies bezieht sich unter anderem auf Nutzer, die auf Dritte übers Internet Druck ausüben, Suizid zu begehen.

Eine "Quick Freeze"-Vorschrift ist ebenfalls dabei. So soll jeder Vertragsstaat die erforderlichen gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen treffen, um seine zuständigen Behörden in die Lage zu versetzen, Anordnungen oder Anweisungen zum raschen Aufbewahren bestimmter elektronischer Informationen wie Verbindungs- und Standortdaten zu gewährleisten. Ein Speichern solcher Nutzerspuren in Echtzeit sei auch zu ermöglichen.

Elektronische Beweise ("E-Evidence") sollen gesichert und international ausgetauscht werden können. Die Rechtshilfe müsste generell ausgebaut und auf Eilverfahren ausgerichtet werden. Auslieferungen von Straftätern beziehungsweise Verdächtigen sind vorgesehen, wenn das einschlägige Delikt sowohl nach dem Recht des ersuchenden als auch des angefragten Staates mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder einer schwereren Sanktion bedroht ist.

Mit der Cybercrime-Konvention des Europarats besteht bereits ein ähnliches internationales Abkommen gegen Computer-Kriminalität. Dieses soll mit Zusatzprotokollen auf Bereiche wie E-Evidence ausgedehnt werden. Russland ist dieser Übereinkunft aber nicht beigetreten. Es befürchtete Eingriffe in die nationale Souveränität, da damit grenzüberschreitende Operationen zulässig werden. Die staatliche Nachrichtenagentur Tass bezeichnete das Übereinkommen von 2001 zudem als mangelhaft, da damit nur neun Arten von Cybercrime kriminalisiert würden. Der neue Vorschlag aus Moskau definiere 23 Cyberstraftaten.

Der IT-Sicherheitsexperte Lukasz Olejnik zeigte sich auf Twitter besorgt, dass die Initiative mit ihren vagen Begriffen für Online-Zensur missbraucht werden könnte. Zudem dürfte der Artikel für die "technische Beihilfe" von Providern so ausgelegt werden, dass diese etwa Hintertüren für Sicherheitsbehörden installieren müssten. Russland habe zwar bereits mehrere solche Projekte bei den Vereinten Nationen eingebracht. Das neue Papier sei aber deutlich umfangreicher, was eine Reaktion auf die jüngsten Debatten über Hackerangriffe aus Russland darstellen dürfte.

"Die UN-Mitgliedsstaaten beginnen mit Verhandlungen über ein neues globales Abkommen zur Bekämpfung der Cyberkriminalität, das die bestehenden internationalen Vereinbarungen berücksichtigen und bewahren soll", erklärte ein Sprecher des US-Außenministeriums nun gegenüber dem Online-Magazin "The Register". Die erste Sitzung über den Inhalt eines neuen Vertrages werde voraussichtlich Anfang 2022 stattfinden. Die USA erwarteten ein offenes, transparentes Verfahren. Russlands Vorlage sei eine von vielen in diesem Prozess.

(mho)