US-Behörde geht gegen Teslas Schweigeklauseln vor

Tesla verpflichtet manche Kunden dazu, auch Sicherheitsprobleme geheim zu halten. Das geht so nicht, sagt die Behörde für Straßenverkehrssicherheit.

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(Bild: Daniel AJ Sokolov)

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Tesla soll Sicherheitsprobleme seines "Autopiloten" nicht länger geheim halten. Die US-Behörde NHTSA hat zwei neue Verfahren gegen den Elektroautohersteller eröffnet. In einem geht es darum, dass Tesla einen tödlichen Sicherheitsmangel nicht, wie vorgeschrieben, der Behörde gemeldet hat. Mit dem anderen Verfahren stellt die Behörde klar, dass Tesla Kunden und Mitarbeiter nicht zur Geheimhaltung von Sicherheitsproblemen zwingen darf.

Im Kern geht es dabei um sogenannte Non Disclosure Agreements (NDA), also Schweigeklauseln in Verträgen. Wer Teslas Fahrerassistenzsystem, bekannt als "Autopilot" oder "FSD" ("Full Self Driving") als Beta-Tester nutzen möchte, muss ein weitreichendes NDA akzeptieren – oder auf das Assistenzsystem verzichten. Das NDA soll Kunden und Mitarbeiter, die den "Autopiloten" einsetzen dürfen, daran hindern, mit Dritten über ihre Erfahrungen und Eindrücke zu sprechen.

Ausdrücklich genannt werden offenbar Journalisten: Mit ihnen sollen die Beta-Tester gar nicht sprechen, und sie auch keinesfalls zu Vorführzwecken mitnehmen. Bezüglich der Veröffentlichung von Videos und Fotos spricht das NDA kein Verbot aus, mahnt aber zur Zurückhaltung. Dabei sind es gerade Medienberichte sowie Mitteilungen von Autofahrern, die die Straßenverkehrssicherheitsbehörde NHTSA (National Highway Safety Administration) regelmäßig auf die Spur von Sicherheitsproblemen bringen.

"Angesichts der Tatsache, dass Verbraucherberichte eine wichtige Informationsquelle für die NHTSA zur Beurteilung möglicher Sicherheitsdefekte sind, wäre jede Vereinbarung, die Beta-Tester von Berichten über Sicherheitsbedenken an die NHTSA abhält oder davon entmutigt, inakzeptabel", schreibt die Behörde in einem Bescheid an Tesla. Mit dem Schreiben vom 12. Oktober beauftragt die NHTSA das Unternehmen, Fragen zu den NDAs des Beta-Tests zu beantworten und diese offenzulegen. "Darüber hinaus beeinträchtigen schon Einschränkungen der Veröffentlichung bestimmter Informationen die Möglichkeit der NHTSA, relevante Sicherheitsinformationen zu erlangen."

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Tesla-Chef Elon Musk hat dieses Problem kommen sehen. Ende September hat er bereits angedeutet, dass Tesla die NDAs "vielleicht nicht braucht". Mit dem Rollout des jüngsten Softwareupdates seit Montag lässt Tesla tatsächlich das NDA fallen – zumindest gegenüber Verbrauchern. Ob das auch für Mitarbeiter gilt, ist noch nicht deutlich. Das sollte aus Teslas Antworten auf die NHTSA-Fragen hervorgehen, die die Firma bis 1. November geben muss.

Mindestens ein dutzend Mal hat Teslas "Autopilot" in hohem Tempo Einsatzfahrzeuge gerammt, die mit aktiviertem Blaulicht am Pannenstreifen angehalten hatten. Dabei gab es zahlreiche Schwerverletzte und mindestens ein Todesopfer. Fünf verletzte Polizisten haben Tesla wegen dieses Autopilot-Fehlers verklagt. Ende September hat Tesla manchen Fahrzeugen ein Softwareupdate angedeihen lassen, das das Risiko solcher Auffahrunfälle reduzieren soll.

Allerdings dürfte Tesla den Defekt der NHTSA verheimlicht haben, obwohl es zur Meldung verpflichtet ist. "Wie Tesla weiß, müssen Kfz-Hersteller laut Safety Act (Sicherheitsgesetz) einen Rückruf über die NHTSA auslösen, wenn sie feststellen, dass ihre Fahrzeuge Defekte aufweisen oder nicht den Sicherheitsstandards entsprechen", schreibt die NHTSA in einem zweiten Bescheid an Tesla.

Gemeint ist nicht, dass Tesla die fehlerhaften Fahrzeuge unbedingt physisch in die Werkstätten zurückrufen muss. Wenn ein Softwareupdate das Problem löst, und aus der Ferne sicher eingespielt werden kann, reicht das. Allerdings muss Tesla das Problem binnen fünf Tagen der Behörde melden, was ausdrücklich auch bei Over-the-air-Softwareupdates gilt.

Nun muss Tesla bis 1. November eine Reihe von Fragen zu den verheerenden Auffahrunfällen auf Einsatzfahrzeuge beantworten. Das Unternehmen muss alle Vorfälle angeben, die es zu dem Softwareupdate veranlasst haben, und offenlegen, welche der Unfälle nicht passiert wären, wäre die Software bereits verbessert gewesen. Parallel soll Tesla preisgeben, welche Eigentümer problembehafteter Tesla-Autos es in welcher Weise entschädigt hat.

Hinzu kommen Fragen zum Beta-Test des "Autopiloten": Nach welchen Kriterien werden die teilnehmenden Kunden wann ausgewählt, wie viele Kunden haben bereits für den "Autopiloten" gezahlt, und in welchen Fahrzeugen wurde das Assistenzsystem wann aktiviert?

Es ist nicht das erste Mal, dass Tesla-NDAs die Aufmerksamkeit der NHTSA erregen. Forbes berichtete bereits 2016, dass Tesla bei der Reparatur mancher Produktionsfehler den Abschluss sogenannter "Goodwill Agreements" verlangte. Tesla reparierte einen Montagefehler der Fahrzeugaufhängung des Model S nur dann kostenfrei, wenn sich die betroffenen Kunden zur Geheimhaltung verpflichteten. Auch damals verzichtete Tesla auf einen Rückruf aller potenziell betroffenen Fahrzeuge.

Die Käuferin eines Model X berichtete damals sogar, Tesla habe ihr das Auto wieder weggenommen, nachdem sie sich über zahlreiche Mängel beschwert hatte. Die Rückerstattung des Kaufpreises von 150.000 US-Dollar machte Tesla aber vom Abschluss einer Schweigeverpflichtung abhängig. Gegenüber der NHTSA gab Tesla damals an, niemanden von Berichten an die Behörde abhalten zu wollen. Für Presseanfragen ist Tesla grundsätzlich nicht erreichbar.

(ds)