US-Demokraten: Facebook soll für seine individualisierten Empfehlungen haften

"Gerechtigkeit gegen bösartige Algorithmen" fordern US-Demokraten. Ihr Gesetzesentwurf soll die umstrittene Haftungsbefreiung "Section 230" novellieren.

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(Bild: nitpicker/Shutterstock.com)

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Personalisierte Empfehlungen stehen im Zentrum eines neuen Gesetzesantrages von vier Abgeordneten des US-Unterhauses. Die Demokraten-Politiker fordern, dass Online-Anbieter wie Facebook und Twitter sich nicht mehr so einfach auf allgemeine Haftungsbefreiungen berufen können, wenn sie ihr Angebot individuell auf einzelne Nutzer zuschneiden. Das beantragte "Gesetz für Gerechtigkeit gegen bösartige Algorithmen stellt sicher, dass Gerichte die Betreiber zur Verantwortung ziehen können, wenn sie wissentlich oder fahrlässig Inhalte empfehlen, die wesentlich zu Schäden beitragen", hofft Abgeordnete Anna G. Eshoo.

"Soziale Netzwerke wie Facebook verbreiten weiter Inhalte, die unsere Familien gefährden, Verschwörungstheorien bewerben und zu Extremismus aufstacheln, um mehr Klicks und Werbeeinnahmen zu generieren", kritisiert ihr Kollege Frank Pallone, "Personalisierte Algorithmen zu entwickeln, die Extremismus, Desinformation und schädliche Inhalte bewerben, ist eine bewusste Entscheidung, und die Plattformen sollen dafür geradestehen."

Inspiriert wurde der Gesetzesentwurf unter anderem durch die Zeugenaussage der Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen. Sie hält Facebook für nicht kompatibel mit der Demokratie, sofern es sich nicht ändert. Als besonders übel erachtet Haugen das "Engagement Based Ranking". Das sind jene Algorithmen, die auf Basis von Kommentaren, Likes und Weiterverbreitungen entscheiden, wer bei Facebook und Instagram was vorgesetzt bekommt. Ob ein Kommentar freundlich, hasserfüllt oder Bullying sei, spiele für die Bewertung keine Rolle. Die Algorithmen sind geheim. Facebook legt sie nicht offen, sodass sie von keiner unabhängigen Stelle kontrolliert werden.

Bislang haften Dienste wie Facebook nicht für rechtswidrige Postings Dritter, selbst wenn der Plattformbetreiber den illegalen Beitrag weitverbreitet. Das geht auf eine als Section 230 bekannte Gesetzesbestimmung zurück. Section 230 schützt interaktive Onlinedienste, die von Nutzern generierte Inhalte verbreiten, davor, für diese Inhalte verantwortlich gemacht zu werden. Schließlich ist es Facebook, Twitter und Co. unmöglich, jeden Beitrag der User vor Veröffentlichung zu überprüfen.

Es gibt Ausnahmen von der Haftungsbefreiung, etwa bei Copyrightverletzung oder Verweisen auf Prostitution, die gelöscht werden müssen. Der neue Gesetzesentwurf würde eine weitere Ausnahme von der Haftungsbefreiung hinzufügen.

Dafür sollen mehrere Voraussetzungen gegeben sein: Erstens muss es einen rechtswidrigen Beitrag eines Dritten geben. Zweitens muss der Plattformbetreiber diesen Beitrag durch einen Algorithmus prominent darstellen. Drittens muss der Algorithmus die Auswahl personalisiert, also unter Berücksichtigung nutzerspezifischer Information, auswählen. Und viertens muss diese Auswahl wesentlich zu einer körperlichen oder schweren emotionalen Verletzung einer Person beigetragen haben.

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Weiterhin die volle Haftungsbefreiung genießen sollen Suchmaschinen sowie Infrastrukturbetreiber, die Dienste wie Webhosting, Domainregistrierung, Datenspeicherung, IT-Sicherheit, Caching und Content Delivery Networks erbringen. Betreiber kleiner Webseiten mit Algorithmen könnten ebenfalls gut schlafen: Erst wenn sie in mindestens vier der letzten zwölf Monate jeweils mehr als fünf Millionen individuelle Besucher hatten, soll die Einschränkung der Haftungsbefreiung greifen. Start-ups könnten also durchaus mit personalisierenden Algorithmen experimentieren.

Das Gesetz soll Justice Against Malicious Algorithms Act heißen. Den entsprechenden Antrag bringen die vier Demokraten-Politiker am Freitag im US-Unterhaus ein.

(ds)