Reporter ohne Grenzen & Co. klagen gegen Staatstrojaner für Geheimdienste

Die jüngste Reform des Verfassungsschutzrechts ist für die Kläger ein Frontalangriff auf den Informantenschutz im digitalen Raum und aufs Redaktionsgeheimnis.

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(Bild: Motortion Films/Shutterstock.com)

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Reporter ohne Grenzen (RoG), das Whistleblower-Netzwerk und investigative Journalisten wollen Teile der jüngsten Novelle des Verfassungsschutzrechts juristisch zu Fall bringen. Sie wenden sich mit mehreren, am Donnerstag angekündigten Klagen vor Verwaltungsgerichten insbesondere gegen die damit verknüpfte Befugnis für alle Geheimdienste von Bund und Ländern, per Spähsoftware in Smartphones und Computer einzudringen sowie verschlüsselte Nachrichten und Internet-Telefonate via WhatsApp, Skype, Signal, Threema & Co. mitzuschneiden.

Die beteiligten Pressevertreter befürchten angesichts der neuen Kompetenzen eine digitale Überwachung ihrer beruflichen Kommunikation. Ziel der vorbeugenden Unterlassungsklagen ist es laut RoG, ein Verbot des Einsatzes einschlägiger Staatstrojaner durch den Bundesnachrichtendienst (BND), das Bundesamt sowie die Landesämter für Verfassungsschutz und den Militärischen Abschirmdienst (MAD) gegen unverdächtige Nebenbetroffene zu erwirken.

Auch Journalisten und andere Unbeteiligte könnten Ziele solcher Überwachungsmaßnahmen werden, wenn sie mit nachrichtendienstlich relevanten Personen in Kontakt treten, erklärt die zivilgesellschaftliche Organisation. Die Kläger sähen darin einen schwerwiegenden Eingriff in das Redaktionsgeheimnis und eine Gefahr für investigative Recherchen in Deutschland.

"Dieses Gesetz ist ein Frontalangriff auf den Informantenschutz im digitalen Raum", betonte RoG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Was im analogen Leben selbstverständlich ist – dass Redaktionen nicht durchsucht und Medienschaffende nicht gezwungen werden dürfen, ihre Quellen preiszugeben – muss im Digitalen neu erkämpft werden." Die Organisation ziehe daher erneut gegen ein Gesetz vor Gericht, "das Sachverständige für verfassungswidrig erklärt haben und das dennoch übereilt und ohne Rücksicht auf die Folgen für den Journalismus und die Pressefreiheit in Deutschland verabschiedet wurde".

Der Bundestag hatte den Gesetzentwurf zur "Anpassung des Verfassungsschutzrechts" mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD im Juni verabschiedet. Der Bundesrat brachte keine Einwände vor, sodass die Vorschriften im Juli in Kraft treten konnten. Zulässig geworden ist damit die sogenannte Quellen-TKÜ plus. So dürfen die Agenten nicht nur die laufende Kommunikation direkt am gehackten Endgerät abgreifen, bevor sie ver- oder nachdem sie entschlüsselt wurde. Dazu kommt eine Lizenz, wonach sie auch auf gespeicherte Chats und Mails zugreifen können.

Anbieter von Telekommunikationsdiensten müssen die "berechtigten Stellen" laut dem Gesetz dabei unterstützen, "technische Mittel" zur Quellen-TKÜ "einzubringen" und die Kommunikation an sie umzuleiten. Experten und Provider beklagten hier ein besonders großes Missbrauchspotenzial: Damit werde nicht nur eine Kopie der Kommunikation ausgeleitet, sondern gezielt die Manipulation der Daten durch die Geheimdienste ermöglicht. Dies sei verfassungswidrig. Im Polizeibereich sind noch mehrere Verfassungsbeschwerden gegen die dort ebenfalls bestehenden Möglichkeiten zum Staatstrojaner-Einsatz anhängig.

(mho)