Kommentar: Die Big Brother Awards Austria werden alt

Österreichs Datenschutz-Gala gibt sich für eine Prominente her, die die Covid-Impfung als "nicht der Gesundheit dienend" verunglimpft. Eine Themenverfehlung.

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Logo der österreichischen Big Brother Awards, dahinter im Dunkeln roter Vorhang

(Bild: quintessenz)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die ärgsten Datenschutzverletzer des Jahres aus österreichischer Sicht werden jährlich vom Verein Quintessenz mit den Big Brother Awards Austria "geehrt". Die 23. Auflage am Montagabend ist allerdings verstörend zu Ende gegangen: Gezeigt wurde ein aufgezeichnetes Gespräch zwischen Quintessenz-Präsident Georg Markus Kainz und einer Schauspielerin, die vor allem für ihre Ablehnung der Corona-Schutzimpfung und der Unterstellung, die Impfung diene nicht der Gesundheit, bekannt ist.

Ein Kommentar von Daniel AJ Sokolov

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Daniel AJ Sokolov

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Daniel AJ Sokolov schreibt seit 2002 für heise online, anfangs aus Wien. Seit 2012 versucht der Jurist, als Nordamerika-Korrespondent von heise online Kanadier und US-Amerikaner zu verstehen und ihr Wesen begreiflich zu machen.

Den Zusammenhang des Gesprächs zum Datenschutz, dem Wesenskern der Big Brother Awards, blieben die beiden Gesprächspartner schuldig. Vielmehr bekam die Frau Gelegenheit, noch einmal über Konsequenzen ihrer Impfablehnung zu sprechen (verlorene Filmrollen), das Engagement für einen Film bei einem "Desinformationssender" (Medienwissenschaftler Jakob-Moritz Eberl) zu bewerben, und sich über neue, Impfungen ablehnende Fans zu freuen. In Boulevardmedien und rechten Blogs war das alles bereits breitgetreten worden.

"Die Privatsphäre gilt auch für Stars", sprach Kainz das Selbstverständliche aus. Als Beispiel dafür war seine Gesprächspartnerin ausnehmend schlecht gewählt: Sie hat sich nicht bloß privat gegen die Covid-Impfung entschlossen. Vielmehr tritt sie dagegen öffentlich auf, samt ihrer Unterstellung, in kommerziellen Presseaussendungen, Interviews und einem Werbevideo für ein Buch. Sie verweigert sogar ihren Kindern die Schutzimpfung, hat sie aus der Schule genommen, und münzt selbst diese privaten Tatsachen in ihrem Werbevideo um.

Kainz' "Stargast" ist kein Opfer des Big Brother Überwachungsstaat, sondern Opfer und Multiplikator schädlicher Desinformation. Ihr im Rahmen der Big Brother Awards Austria unkritisch die Bühne des Wiener Rabenhoftheaters zu geben, lenkt von der Botschaft der Veranstaltung ab. Die Buhrufe aus dem anwesenden Publikum überraschten daher nicht.

Vor einem Jahr, beim Big Brother Award Austria 2020, trat Kainz noch selbstbewusst mit Maske auf die Bühne. Damals zeigte er den Widersinn des in Österreich geltenden Vermummungsverbotes auf. Heute opfert er, unmaskiert, die Veranstaltung seinem Unmut über Pandemiemaßnahmen.

Georg Markus Kainz, Präsident der Quintessenz, bei der Gala der Big Brother Awards Austria 2021

(Bild: Joanna Pianka/quintessenz)

Nach dem Video versuchte Kainz von der Bühne aus Verständnis zu gewinnen: "Wir müssen auch die Möglichkeit Menschen geben, eine Meinung zu äußern, ohne dass es einen persönlichen Nachteil hat." Wo genau ist Kainz gedanklich falsch abgebogen?

Tatsächlich zeichnet sich eine freie Gesellschaft nicht bloß dadurch aus, dass Menschen sich äußern dürfen, sondern dass ihre Äußerungen Konsequenzen haben können. So beeinflussen wir wirtschaftliche und gesetzgeberische Entscheidungen, Kunst und Kultur, Familienleben – kurz gesagt die Weiterentwicklung der Gesellschaft – ohne gewalttätig werden zu müssen. Freiheit der Meinungsäußerung ohne mögliche Konsequenzen ist keine Freiheit, sondern Entmündigung.

Andernfalls wäre schon der Ansatz der Big Brother Awards absurd, die Arbeit der Freiwilligen auf und hinter der Bühne sinnlos. Soll die Meinungsäußerung der Jury und Laudatoren den Preisträgern etwa keinen Nachteil bringen? Dient die jährliche Gala der Selbstbelustigung allein?

Der Abend hat gezeigt, dass die Big Brother Awards in die Jahre gekommen sind. It's the same procedure as every year. Den Livestream sah gegen Ende ein Dutzend Unentwegter. Die für die Negativpreise Nominierten haben, soweit der Webseite der Big Brother Awards Austria zu entnehmen ist, das Ereignis nicht einmal mehr ignoriert.

Frischer Wind weht anders. Dabei wäre es wichtiger denn je, Datenkraken an den Pranger zu stellen.

(ds)